Gruselgeister, die Menschen zerstechen
Charles Manson, der Mann, der die Hippiekultur ermordete, hat noch heute viele Fans
"Hi, Ich bin Charles Manson." Ein kleiner Mann stieg aus dem Toilettenschrank unter dem Waschbecken. Sein langes Haar hatte sich in der Tür verklemmt und verriet ihn an die Polizisten, die den Killer seit Wochen jagten. Das geschah vor genau dreißig Jahren im Death Valley, Kalifornien. Am 12.Oktober 1970, Aleister Crowleys Geburtstag (Das große brennende Ich). Seit diesem Tag sitzt Charles Manson aka Jesus im Gefängnis.
Charles Manson war der wütende Derwisch, der die Hippiekultur ermordete. Der Mann, der die im neunten Monat schwangere Sharon Tate, Ehefrau von Roman Polanski, umbringen ließ.
Das ist nicht der einzige link zwischen "Man son" und dem Magick: In Kalifornien gab es mehrere sexualmagische Kulte, die sich auf Crowley beriefen, in erster Linie LaVays Satanskirche. LaVay war Berater für Polanskis Film "Rosemaries Baby" und spielte den Satan in der Zeugungsszene. Einer von LaVays Jüngern war Bob Beausoleil, er ernährte sich ausschließlich von Fleisch und rauschte Haschisch aus einer Pfeife, die aus einem Menschenschädel geschnitzt war. Bob beging den ersten Mord der Manson Family und war Mitglied der Rockgruppe "Magick Powerhose", die die Musik zum Crowley-Film "Lucifer Rising" beisteuerten, Kopf der Band und Regisseur war der bekennende Satanist Kenneth Anger. Ein Hypertext des Grauens.
Charles Manson war ein 163 Zentimeter kleiner struppiger Kojote mit einer Vorliebe für dürre rothaarige Runaways, die er um sich sammelte zu einer Family. Und so ging es zu, auf dem Matratzenlager der "Spahn Movie Ranch":
Zur Feier des Tages ordnete Charlie eine Orgie an. Sie hat in den Annalen der Family große Berühmtheit erlangt, weil bei dieser Gelegenheit die Initiation von Simi Valley Sherri stattfand. Das war ein fünfzehnjähriges einheimisches Mädchen, das auf der Ranch die Pferde versorgte. Charlie stellte sie in die Mitte der Versammlung und zog sie dann bis auf den schmalen Slip aus. Alle starrten. Kameras surrten. Das Mädchen war alles andere als willig. Charlie stieß sie zu Boden und betatschte sie von Kopf bis Fuß. Er küsste ihren Hals und ihre Brüste. Simi Sherri biss Charlie in die Schulter, worauf er ihr mit der Faust ins Gesicht schlug.
Laut Linda Kasabian, die bei der Orgie eine Schlüsselrolle spielte, sagte Manson: "Sherri, weißt du noch, wie ich dich damals mit einem Stein in der Hand das Flussbett entlang gejagt und gerufen hab, wenn du nicht mit mir schläfst, dann schlage ich dir den Schädel ein und vergewaltige dich?"
Sie lag still da und Manson riss ihr den Slip herunter. Er forderte Beausoleil auf, mit ihr zu schlafen. Das tat Beausoleil.
Dann gab Charlie das Signal zum allgemeinen Hoch-und Zapfenstreich. "Die ganze Szene war von einer Perversion, wie ich es nie zuvor erlebt habe", erklärte Linda Kasabian. Und sie beteiligte sich aktiv. Es kam zu einem Dreier zwischen Linda Kasabian, Leslie Van Houten und Tex Watson. Dann legte sich Clem zusammen mit Linda hin. Auch Snake/Lake wälzte und wand sich in den Armen der zwanzigjährigen Linda. "Manchmal warf ich einen Blick um mich", sagte Linda Kasabian beim Prozess aus. An dieser Orgie nahmen an die zwanzig Familiy-Mitglieder und vier Gäste teil.
Manson kam aus zerrütteten familiären Verhältnissen, seine Mutter war eine drogensüchtige Gelegenheitsprostituierte, er selbst wuchs in Erziehungsheimen und Gefängnissen auf. Nach seiner Entlassung trieb er sich in San Francisco herum, an den Wiesen des Unicampus und dem Hippieknotenpunkt Haight Ashbury. Dort hatte er es auf unsichere, verstörte Wesen abgesehen, die er mit Drogen, Hippiegerede und Sex an sich band, Outcasts, die er noch willenloser machte, als sie ohnehin schon waren, deren dumme Hirne er mit LSD perforierte wie Mikroben den Schweizer Käse.
Charles Manson wollte Popstar werden, und er hat es geschafft: einmal war er in der amerikanischen Hitparade, als Komponist von "Cease to exist" auf der B-Seite einer Beach Boy Single. Guns and Roses coverten seine Songs, ein T-Shirt mit seinem Portrait verkaufte sich tausendfach. Im Netz tummeln sich massig Fansites für Charlie, wie ihn seine Verehrer zärtlich nennen, über die man Manson-Merchandising-Artikel erwerben kann. Unter anderem die Musik der Mörder, ein sanfter Chor blutiger Engel
Mansons Unwesen, seine Magical Mystery Tour, dauerte nur drei Jahre, von 1967 bis 1970 - genauso lang wie Crowleys Thelema-Abtei. Der Höhepunkt war "Helter Skelter", die Höllenfahrt, wie er den Beatlessong interpretierte. Acht Menschen fielen dem Wahnsinn zum Opfer. Und vielleicht noch ein paar unbekannte Ausreißer, deren Knochen irgendwo in der Wüste verscharrt sind.
Sadie hielt Sharons Arme und Sharon drehte den Kopf zu ihr herum, sah Sadie an und flehte: "Bitte töte mich nicht, bitte töte mich nicht. Ich will nicht sterben. Bitte ich bekomme ein Kind."
Sadie, grausam wie immer, erwiderte: "Pass auf, Miststück! Mir ist es egal, ob du ein Kind kriegst. Mach dich lieber fertig. Du wirst sterben."
Sharon flehte ihre Mörder an, sie mitzunehmen und ihr zu erlauben, wenigstens das Baby zur Welt zu bringen, bevor sie sie töten würden.(...) 102 Stichwunden hatten Sharons Körper durchbohrt. Dreißig Minuten lang, alle zwanzig Sekunden ein Stich. Und Sharons schwarzes Kätzchen lief miauend zwischen den Leichen umher.
Genug? Ja, es ist genug.
Trotzdem ist Charles Manson noch heute ein Held der Counter Culture. Noch heute schwärmen die, die noch leben, von seinen Sexkünsten. Dabei war er nur ein mickriger Eckensteher mit von Lysergsäure zerfressenem Hirn, der schwache Menschen manipulieren konnte, oder?
Aber noch etwas passierte 1969, als die Gruselgeister durch die Nacht schlichen und Menschen zerstachen. Das Internet wurde erfunden, die Mädchenband "The Beatles" löste sich auf und im selben August als die Manson-Family leise mordend durch Hollywood zog, schwebte eine andere Kapsel durch einen anderen Kosmos. Apollo 11 landete auf dem Mond, bisher verbotenes Territorium. Wie wäre es mit ein wenig Numerologie? Die Elf ist eine okkulte Zahl, sie ist die Sünde, denn sie überschreitet die Zehn Gebote. Das hebräische Alphabet hat 22 Buchstaben, die Elf zerbricht es in der Mitte. Die erste Hälfte ist AL-Seite, die zweite ist LA Seite. LA wie Los Angeles, wo die Morde stattfanden. Im Tarot Aleister Crowleys ist die elfte Karte "The Fool". Er sieht aus wie Charles Manson.
Oder wie wäre es damit? Manson und die Astronauten waren im selben Alter. Das Eine, das war das gute Amerika, das nach Rasierwasser duftete. Das Andere, das war das dunkle Amerika, der Underground, das Unterbewusste. Die Astronauten kleideten sich weiß, die Mörder gingen in Schwarz on Tour. Beide waren in einer Kapsel gefangen, die einen in einer Raumfähre, die anderen in ihren verdrogten Köpfen. Beide sahen die Ferne, wie sie niemand gesehen hatte, die schwarze Ewigkeit des Alls, die Abgründe des Drogenrauschs. Und sehen die Strandbuggies der Mörder, die es ebenso auf die Titelseite des Time-Magazine brachten, nicht genauso aus wie das Mondmobil? Das Death Valley, die Endstation Mansons, nicht wie der Mond?
Neil Armstrong und seine Kollegen verließen die Welt, auch Manson suchte einen Eingang in eine andere Welt. Wochenlang suchte er ein geheimes Loch in der Wüste von Death Valley, welches ihm und den Seinen Zuflucht gewähren sollte, den Durchschlupf in eine andere, schwerelose Welt. Es ist, als wären die beiden Ereignisse, die Manson-Morde und die Mondlandung, mit einem unheimlichen Band verbunden, eine schwarze Spiegelung. Es ist, als ob alles mit allem verbunden ist. World Wide Wahnsinn.
Genug? Ja, genug.
Heute lebt Charles Manson in einem kalifornischen Gefängnis (Adresse: B-33920, 4A 4R-23, P. O. Box 3476, Corcoran, CA 93212). Er darf keinen Besuch empfangen. Nachts schwebt sein Geist über den Straßen, sagt er in seinen letzten Interviews, deren Videos käuflich zu erwerben sind: Es ist verdammt gruselig. Er kann seinen Körper jederzeit verlassen, dank Flashbacks früherer LSD-Trips. Und er macht immer noch Musik. Indem er auf einen Papierkorb schlägt und dabei singt mit seiner Kojotenstimme.
Charles Manson hat bei den aufgeklärten Morden nie selbst Hand angelegt Er hat töten lassen. Kein Mensch, dem man nicht wegen eigenhändigen Mordens verurteilt hat, sitzt so lange im Gefängnis wie er. Seit Rudolf Hess gestorben ist. Mit dem Hitlerstellvertreter hat sich der Rassist Manson, der sich ein Hakenkreuz in die Stirn geritzt hat, einen stummen Zweikampf geliefert. Nach dem Tod von Hess sagte Manson stolz:
"Jetzt bin nur noch ich übrig."
Als wollte er eine Fackel weiter tragen. Rudolf Hess war, wie Heinrich Himmler, Mitglied des okkulten Thule Ordens. Der Kreis schließt sich.