Guido Westerwelle im Container

... aber nur die Doofen sahen zu ...

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Nur einer hat's gesehen. Am frühen Sonntagmorgen um 5.36 Uhr meldet ein gewisser Amok Labs im BigBrother-Forum aufgeregt folgende Beobachtung aus Deutschlands berühmtesten Wohncontainer:

Gerade ist etwas total Seltsames passiert. Irgendsoein Typ latscht durchs Wohnzimmer, legt einen Stapel Blätter (?) auf den Tisch. Jetzt geht er raus, mal eben die Cam wechseln. Aha, jetzt geht er in den Hühnerstall, auch mit so'nem Stapel Papiere. PK (sprich persönlicher Kommentar): Was macht der da?? Jetzt isser wieder im W(ohn)Z(immer). Setzt sich hin und packt Stifte auf den Tisch (PK: bestimmt 20 Stück). Raff ich nicht . *patsch* Das ist Guido Westerwelle!! Die Regie-Cam geht voll auf den Tisch, zoom, ja bitte, noch etwas näher... Das gibts ja gar nicht! Lol, der verteilt Mitgliedsanträge!

Man tut eben, was man kann, vor allem als Generalsekretär der FDP. Eine Partei, die ja ähnlich wie die Insassen des BigBrother-Containers latent davon bedroht wird, dass die TV-Zuschauer - pardon - die Wähler sie eines Tages aus dem Parlament herauswählen könnten. Doch da sei Guido Westerwelle vor, der genau wie sein Parteikollege Jürgen W. Möllemann bei der ersten Staffel der RTL-TV-Show "BigBrother" nun die Sendung als Forum genutzt hat, um seiner Partei und sich selbst ein frisch juveniles Image zu verschaffen.

Gut eine halbe Stunde lang besuchte der aus Bonn stammende Politiker also am Samstagabend die zu diesem Zeitpunkt noch elf Insassen des Containers in Köln-Hürth, brachte ihnen den neuen "Harry-Potter" und einen gut mit Alkoholika gefüllten Fresskorb mit, saß mit ihnen fröhlich grinsend auf dem Sofa. Und schnell war man per Du, und weil das wohl noch nicht jugendlich genug klang, war für den Politiker dann alles irgendwie: Wow! Toll! Ist ja Wahnsinn!

Bei soviel politisch korrekter Begeisterung wundert es eigentlich wenig, dass die vorab von Westerwelle erklärte Absicht, mit den RTL-"Geiseln" über Politik und besonders über rechtsextreme Gewalt zu reden, schnell ad acta gelegt wurde. Aber immerhin erfuhren die elf aus berufenen Munde: "Die Welt steht noch, kann ich euch mitteilen." Wow! Wer hätte das gedacht? Ist ja Wahnsinn! Und wenn einem soviel Gutes widerfährt, dann ist das auch im Container ein Besäufnis wert.

Doch bevor es dazu kam, lief gleichzeitig zu "BigBrother - die Entscheidung" an diesem Abend ja auch noch Thomas Gottschalks "Wetten, dass...", live übertragen vom Expo-2000-Gelände. Und auch dort war ein Politiker präsent. Zwar nicht leibhaftig, sondern nur als Saalwette: 66 Schröders sollten nämlich auf die Bühne kommen, um dort den von Stefan Raab produzierten unfreiwilligen Kanzler-Hit "Hol mir mal 'ne Flasche Bier" zu singen.

Das taten die Schröders aus dem fröhlichen Hannover dann auch und genau das sahen nach ZDF-Angaben insgesamt 12,3 Millionen Zuschauer. Bei RTL guckten dagegen nur enttäuschende 3,8 Millionen Westerwelles Auftritt und Kandidatin Steffis Abgang zu. Also ein klarer Punktsieg für den Kanzler und Gottschalk, und, glaubt man dem ZDF-Showmaster, auch ein klarer Beweis, dass Deutschland immer noch das Land der Dichter und besonders der Denker ist.

"Früher", sagte er nämlich in seiner Sendung, "war es doch so: Die Intellektuellen saßen im Theater und die Doofen haben fern gesehen. Heute gucken die Intellektuellen 'Wetten, dass...?' und die Doofen 'Big Brother'" - Wow! Toll! Ist ja Wahnsinn! 12,3 Millionen Intellektuelle an einem Abend vor der Glotze bundesweit versammelt! Und um die verbliebenen Doofen kümmert sich dann halt notgedrungen die FDP, aber engagiert, im Container und vielleicht sogar im Hühnerstall.