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Gute Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe gegen schwere KrankheitsverlÀufe

Klaus-Dieter Kolenda

Kombination von Impfung und Sars-CoV-2-Infektion: fast 100 Prozent Schutz gegen Hospitalisierungen und TodesfÀlle. Wirkung gegen erneute Corona-Infektion deutlich geringer. (Teil 2)

Im Teil 1 dieses Artikels [1] sind die neuesten Daten aufgefĂŒhrt, die zeigen, dass schwerwiegende Nebenwirkungen der Corona-Impfung wie anaphylaktische Reaktionen und Myokarditis sehr selten oder selten sind.

Der folgende zweite Teil beschÀftigt sich mit der Wirksamkeit der Covid-19-Impfung.

Daten zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe

Die EffektivitÀt und Schutzdauer durch Impfung mit den zugelassenen Covid-19-Impfstoffen wird im Folgenden endpunkt- und populationsspezifisch dargestellt.

Untergliedert wird hierbei in die EffektivitÀt und Schutzdauer nach derzeitig anzunehmender BasisimmunitÀt in der deutschen Bevölkerung sowie die EffektivitÀt nach einer weiteren Auffrischimpfung mit einem Varianten-adaptierten bivalenten Impfstoff.

Eine Zusammenfassung dieser Aspekte ist in dem Stiko-Artikel [2], auf den ich mich vor allem weiter beziehen werde, in Tabelle 8 auf S. 22 verfĂŒgbar.1 [3]

Schutzwirkung und Schutzdauer vor Sars-CoV-2-Infektionen-EffektivitÀt einer BasisimmunitÀt

Nach dem Auftreten der Omikron-Variante inklusive ihrer verschiedenen Sublinien, die durch eine deutlich leichtere Übertragbarkeit gekennzeichnet ist, hat die Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen weltweit ab der Jahreswende 2021/2022 deutlich zugenommen.

Die Bevölkerung hat zum ĂŒberwiegenden Teil bereits mindestens eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht. Zur Beurteilung des Schutzes vor schweren Covid-19-VerlĂ€ufen durch weitere Sars-CoV-2-Infektionen ist es somit notwendig, neben der alleinigen Impfstoffwirksamkeit auch den Schutz einer durchgemachten Infektion sowie den Schutz aus der Kombination von Covid-19-Impfung und Sars-CoV-2-Infektion zu berĂŒcksichtigen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können zukĂŒnftige Impfempfehlungen entwickelt werden.

Zur Beurteilung der Schutzwirkung und Schutzdauer vor schweren Covid-19-VerlĂ€ufen wurde die Literatur hinsichtlich verschiedener Vergleiche von Infektion und Impfung nach 6-monatigen Zeitintervallen geprĂŒft sowie der relative Zusatznutzen einer weiteren Auffrischimpfung mit einem Varianten-adaptierten bivalenten mRNA-Impfstoff ermittelt.

Die Daten wurden dabei nach Alters- und Indikationsgruppen stratifiziert (gleich und grĂ¶ĂŸer 60 Jahre, gleich und grĂ¶ĂŸer 18 bis 59 Jahre, kleiner als 18 Jahre, Bewohnende von Pflegeeinrichtungen, gleich und grĂ¶ĂŸer sechs Monate mit Grundkrankheiten, medizinisches und pflegendes Personal, Schwangere).

Als primÀre Literaturquelle zur Beurteilung der Schutzwirkung der derzeit anzunehmenden BasisimmunitÀt in der erwachsenen Bevölkerung wurde ein im Januar 2023 publizierter systematischer Review im Lancet herangezogen.2 [4]

Untersucht wurden die Schutzwirkung einer vorangegangenen Sars-CoV-2-Infektion und der Schutz der hybriden ImmunitĂ€t (Sars-CoV-2-Infektion und Covid-19-Impfung) gegenĂŒber einer Sars-CoV-2-(Re-)Infektion und schweren Covid-19-VerlĂ€ufen (Hospitalisierungen oder TodesfĂ€lle aufgrund von Covid-19).

Die Ergebnisse der systematischen Übersichtsarbeit zeigen, dass Erwachsene mit einer hybriden ImmunitĂ€t voraussichtlich ĂŒber einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten gut gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe geschĂŒtzt sind. Demnach betrug die ermittelte Schutzwirkung nach zwei Impfstoffdosen und mindestens einer Sars-CoV-2-Infektion im Vergleich zu Immunnaiven zwölf Monate nach dem letzten immunologischen Ereignis 97,4 Prozent.

Im Vergleich dazu wurde fĂŒr Personen, die bislang ausschließlich gegen Covid-19 geimpft waren, aber noch keine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten, eine um bis zu 30 Prozent niedrigere Schutzwirkung bereits nach sechs Monaten festgestellt.

Zur weiteren Beurteilung von Personen mit erhöhtem Risiko fĂŒr schwere VerlĂ€ufe (d. h. infolge einer Grundkrankheit und einschließlich Bewohnende von Pflegeeinrichtungen) wurde am Robert-Koch-Institut (RKI) ein weiterer systematischer Review durchgefĂŒhrt. Die Literatursuche wurde in der Covid-19 LOVE (Living OVerview of Evidence)-Datenbank bis zum 12. September 2022 durchgefĂŒhrt.

AbhĂ€ngig von der Auswirkung der Grundkrankheit auf die Immunkompetenz wird eine mĂ€ĂŸig bis stark reduzierte Schutzwirkung im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Personen angenommen.

Auch zur Beurteilung der Schutzwirkung durch Covid-19-Impfung und/oder vorangegangener Sars-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen wurde auf Ergebnisse aus systematischen Reviews zurĂŒckgegriffen.

Zusammengefasst zeigen die Daten nach Abschluss einer Grundimmunisierung mit zwei Impfstoffdosen eine Impfstoffwirksamkeit von gleich bzw. grĂ¶ĂŸer 75 Prozent bei FĂŒnfjĂ€hrigen bis 17-JĂ€hrigen gegen beide Endpunkte (Hospitalisierung und Tod).

Daten zum Schutz einer Auffrischimpfung, zur hybriden ImmunitÀt oder zur Schutzdauer gegen schwere Covid-19-VerlÀufe oder PIMS (Pedriatric Inflammatory Multisystem Syndrome) nach Infektion mit der Omikron-Variante sind nicht bekannt.

Beim PIMS handelt es sich bekanntlich um eine seltene, jedoch schwere Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Betroffene leiden aufgrund heftiger EntzĂŒndungen beispielsweise an starken Bauchschmerzen und anhaltendem Fieber. Das Syndrom gilt als sehr seltene Folge einer durchgemachten Coronavirusinfektion.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei Kindern und Jugendlichen der Schutz durch eine hybride ImmunitĂ€t im Vergleich zur Covid-19-Impfung allein höher ist und ĂŒber einen lĂ€ngerfristigen Zeitraum anhĂ€lt. FĂŒr Kinder im Alter von sechs Monaten bis unter fĂŒnf Jahre sind keine Daten zum Schutz gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe oder PIMS verfĂŒgbar.

FĂŒr Neugeborene und SĂ€uglinge jĂŒnger als sechs Monate sind bislang keine Covid-19-Impfstoffe zugelassen. Die Datenlage zeigt jedoch, dass durch eine Impfung in der Schwangerschaft ein relevanter Nestschutz gegen duch Covid-19 bedingte Hospitalisierungen erzielt werden kann.

Die Schutzwirkung ist hierbei nach Auffrischimpfung höher als nach Grundimmunisierung. In den identifizierten Studien waren jedoch nur Schwangere eingeschlossen, die wÀhrend der Schwangerschaft geimpft wurden.

Ob Neugeborene von MĂŒttern, die bereits vor der Schwangerschaft geimpft wurden, ebenfalls ein reduziertes Covid-19-bedingtes Hospitalisierungsrisiko aufweisen, kann anhand der Datenlage nicht beantwortet werden.

Schutzwirkung und Schutzdauer vor schweren Covid-19-VerlÀufen-EffektivitÀt weiterer Auffrischimpfungen

Zur Beurteilung des Zusatznutzens weiterer Auffrischimpfungen wurden Studien berĂŒcksichtigt, in denen Personen mit einer bereits bestehenden BasisimmunitĂ€t eine weitere Auffrischimpfung mit einem Varianten-adaptierten Covid-19-Impfstoff erhalten hatten.

Insgesamt wurden sieben Studien identifiziert, die die EffektivitĂ€t gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe berichteten. Verglichen wurden Personen, die eine weitere Auffrischimpfung mit verschiedenen bivalenten mRNA-Impfstoff erhielten, im Vergleich zu Personen, die keine weitere Auffrischimpfung erhielten und bei denen das letzte immunologische Ereignis je nach Studie mindestens drei bis vier Monate zurĂŒcklag.

Die relative Vakzine-EffektivitĂ€t (VE) einer weiteren Auffrischimpfung mit einem der bivalenten Omikron-adaptierten mRNA-Impfstoffe gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe betrug 62 Prozent. Eine Stratifizierung nach Alter wurde nicht vorgenommen, jedoch schlossen sechs der sieben Studien ausschließlich Personen von 60 Jahren und Ă€lter ein.

Es ist jedoch anzunehmen, dass auch hier ein leichter RĂŒckgang nach mehreren Monaten zu erwarten ist.

Schutzwirkung und Schutzdauer vor Sars-CoV-2-Infektionen-EffektivitÀt einer BasisimmunitÀt

ZusĂ€tzlich zur Schutzwirkung und Schutzdauer vor schweren Covid-19-VerlĂ€ufen wurde fĂŒr medizinisches und pflegendes Personal der Schutz vor Sars-CoV-2-Infektionen als weiterer relevanter Endpunkt zur Entwicklung einer Impfempfehlung herangezogen.

Zur AbschĂ€tzung der Schutzwirkung und Schutzdauer vor Sars-CoV-2-Infektionen diente auch hier als primĂ€re Informationsquelle ein am RKI durchgefĂŒhrter systematischer Review zum Schutz einer hybriden ImmunitĂ€t von Risikogruppen. Aufgrund der hohen HeterogenitĂ€t der identifizierten Studien wurde keine Metaanalyse durchgefĂŒhrt.

Die Studienergebnisse zeigen jedoch, dass Gesundheitspersonal mit einer hybriden ImmunitĂ€t (zwei und mehr Impfungen und mindestens eine vorangegangene Sars-CoV-2-Infektion) auch ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum von bis zu 9 Monaten gut gegen eine erneute Infektion geschĂŒtzt ist (Spanne der VE von 68 bis 92 Prozent, siehe Tab. 8, S. 22 des Stiko-Artikels).

Im Zeitverlauf reduzierte sich die nach dem letzten immunologischen Ereignis beobachtete Schutzwirkung bis zum letzten Beobachtungszeitpunkt von ca. neun Monaten um ca. 20 Prozent.

Schutzwirkung und Schutzdauer vor Sars-CoV-2-Infektionen-EffektivitÀt weiterer Auffrischimpfungen

Zur Beurteilung des Zusatznutzens weiterer Auffrischimpfungen zur Sars-CoV-2-InfektionsprĂ€vention wurden auch hier Studien berĂŒcksichtigt, in denen Personen mit einer bereits bestehenden BasisimmunitĂ€t eine weitere Auffrischimpfung mit einem Varianten-adaptierten Covid-19-Impfstoff erhalten hatten.

Hierzu liegt bislang nur eine Studie vor, die eine weitere Auffrischimpfung mit einem der bivalenten Omikron-adaptierten mRNA-Impfstoffe bei Personen im erwerbsfÀhigen Alter untersuchte. Die relative VE einer bivalenten Auffrischimpfung gegen Sars-CoV-2-Infektionen im Vergleich zu keiner weiteren Auffrischimpfung betrug 31 Prozent.

Durch die Steigerung des Eigenschutzes vor Sars-CoV-2-Infektionen kann durch weitere Auffrischimpfungen auch von einer gewissen Reduktion der Transmissionen ausgegangen werden. Daten liegen hier zu jedoch nicht vor.

Die Beobachtungszeit war auch hier bislang zu kurz, um die Schutzdauer nach weiteren Auffrischimpfungen zu bestimmen. Es ist jedoch anzunehmen, dass ein leichter bis mĂ€ĂŸig stark ausgeprĂ€gter RĂŒckgang nach mehreren Monaten zu erwarten ist.

Schutzwirkung und Schutzdauer vor Post-Covid

Ein systematischer Review, der jegliche Studien, die den Effekt einer Covid-19-Impfung vor oder nach einer Sars-CoV-2-Infektion auf das Auftreten von Post-Covid-Symptomen untersuchte, wurde als primÀre Datenquelle herangezogen.3 [5]

Anhand der Daten lÀsst sich ein geringer Schutz der Covid-19-Impfung gegen das Auftreten von Post-Covid-Symptomen in der Allgemeinbevölkerung ableiten.

Die Schutzdauer lÀsst sich anhand der Datenlage nicht bestimmen, da keine zeitlichen ZusammenhÀnge zwischen Impfung und Beginn der Symptomatik untersucht wurden. Zudem liegen keine Daten zur Schutzwirkung von (weiteren) Auffrischimpfungen vor.

Ein weiterer limitierender Faktor der Datenlage ist, dass von keiner einheitlichen Definition des Post-Covid-Syndroms ausgegangen, sondern dass die Persistenz von verschiedensten Symptomen fĂŒr die Diagnose von Post-Covid herangezogen wurde. Dadurch war die Datenlage sehr heterogen.

Der Effekt einer Covid-19-Impfung auf das Auftreten von Post-Covid-Symptomen wurde bislang nicht fĂŒr Personen mit Grundkrankheiten untersucht.

Fazit zur EffektivitÀt und Schutzdauer der Covid-19-Impfstoffe

Die analysierten Daten zur EffektivitĂ€t und Schutzdauer der Covid-19-Impfstoffe zeigen, dass auch unter Zirkulation der Omikron-Variante die verfĂŒgbaren Impfstoffe in allen Altersgruppen gut gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe schĂŒtzen.

Insbesondere Personen, die zusĂ€tzlich zur Covid-19-Impfung bereits mindestens eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sind lĂ€ngerfristig gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe geschĂŒtzt.

Durch weitere Auffrischimpfungen mit den Varianten-adaptierten bivalenten mRNA-Impfstoffen kann der Schutz weiter gesteigert, d. h. verlĂ€ngert werden. Dies ist insbesondere in höheren Altersgruppen und bei Personen mit Grundkrankheiten wichtig, bei denen neben dem höheren Risiko fĂŒr schwere Covid-19-VerlĂ€ufe zugleich die bislang niedrigsten Durchseuchungsraten beobachtet wurden.

Durch eine Covid-19-Impfung kann auch das Risiko fĂŒr das Auftreten von Post-Covid-Symptomen reduziert werden. Dieser Effekt ist jedoch gering ausgeprĂ€gt, wohl auch deswegen, weil Post-Covid-Symptome nicht immer auf Covid-19 zurĂŒckzufĂŒhren sind. Inwiefern weitere Auffrischimpfungen das Risiko weiter senken können, ist bislang nicht bekannt.

GegenĂŒberstellung von Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-19-Impfung

Da fĂŒr Deutschland keine Modellierungen vorliegen, die den Nutzen der Impfung den impfbedingten Risiken gegenĂŒberstellen, wird an dieser Stelle auf europĂ€ische und weltweit erhobene Daten zurĂŒckgegriffen.

Laut dem WHO-RegionalbĂŒro fĂŒr Europa wurden durch die Covid-19-Impfung im Zeitraum seit ihrer EinfĂŒhrung Ende 2020 bis zum MĂ€rz 2023 in Europa ca. eine Million TodesfĂ€lle verhindert.4 [6]

Der Großteil (95 Prozent) der nach den SchĂ€tzungen verhinderten TodesfĂ€lle entfiel dabei auf die Altersgruppe 60 Jahre und Ă€lter. Es wird geschĂ€tzt, dass in dieser Altersgruppe durch die erste Auffrischimpfung die meisten TodesfĂ€lle verhindert werden konnten (64 Prozent).

UnabhÀngig von den einzelnen europÀischen LÀndern und den Altersgruppen wird angenommen, dass wÀhrend der Omikron-Welle mit gut einer halben Mio. verhinderter TodesfÀlle die meisten Menschenleben verlÀngert werden konnten.

Eine weitere Modellierung des Imperial College London schÀtzte, dass durch die Covid-19-Impfung weltweit im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie (Dezember 2020 bis Dezember 2021) etwa 14,4 Mio. Sars-CoV-2-bedingte TodesfÀlle verhindert werden konnten.5 [7]

Den Effekt der Impfung hinsichtlich der Zahl verhinderter Covid-19-bedingter Hospitalisierungen wurde mittels Modellierung in einer US-amerikanischen Studie untersucht.6 [8]

Es wird geschÀtzt, dass durch das US-amerikanische Impfprogramm im Zeitraum vom Dezember 2020 bis November 2022 120 Mio. Sars-CoV-2-Infektionen, 18,5 Mio. Covid-19-bedingte Hospitalisierungen und 3,2 Mio. TodesfÀlle in den USA verhindert werden konnten.

Allerdings wird im Vergleich dazu im Sicherheitsbericht des PEI fĂŒr den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2022 bei insgesamt 3.023 Verdachtsfallmeldungen fĂŒr einen Todesfall im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ĂŒber das Auftreten von 120 TodesfĂ€llen in Deutschland berichtet, bei denen ein ursĂ€chlicher Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung möglich oder wahrscheinlich erscheint.7 [9]

Ein Vergleich der VerdachtsfĂ€lle mit tödlichem Ausgang im Abstand von 30 Tagen nach der Impfstoffgabe mit den im gleichen Zeitraum statistisch zufĂ€llig zu erwartenden TodesfĂ€llen ergab jedoch fĂŒr keinen in Deutschland zugelassenen Impfstoff ein Risikosignal.

In Anbetracht der im Meldezeitraum verabreichten Impfstoffdosen ist in Tabelle 10 auf S. 29 des Stiko-Artikels8 [10] eine grobe SchÀtzung dargestellt, wie viele Impfstoffdosen in der Bevölkerung verabreicht werden mussten, bis ein Verdachtsfall eines womöglich impfbedingten Todesfalls auftrat. GeschÀtzte Anzahl verabreichter Impfstoffdosen je Verdachtsfall eines wahrscheinlichen oder möglichen impfbedingten Todesfalls betrÀgt 1,5 Mio.

Diese Darstellung ist jedoch auch hier aufgrund der zuvor benannten Limitationen mit Vorsicht zu betrachten.

FĂŒr die Risiko-Nutzen-AbwĂ€gung bei der Impfung ist noch eine Studie aus dem Vereinigten Königreich interessant, die das Sterberisiko nach der Covid-19-Impfung mit dem nach Sars-CoV-2-Infektion bei 12- bis 29-JĂ€hrigen vergleicht.9 [11]

Die Studienpopulation bestand einerseits aus Personen im Alter von 12 bis 29 Jahren, die mindestens eine Dosis Covid-19-Vakzin erhalten hatten und zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 2. Februar 2022 und andererseits aus Personen der gleichen Altersgruppe, die innerhalb von zwölf Wochen nach einem positiven Test auf Sars-CoV-2 verstorben waren.

Diese Studie ergab keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Covid-19-Impfung und einem erhöhten Sterberisiko bei jungen Menschen in der Beobachtungszeit. Im Gegensatz dazu war eine Sars-CoV-2-Infektion mit einem wesentlich höheren Risiko fĂŒr herzbedingte TodesfĂ€lle und TodesfĂ€lle aller Art bei Ungeimpften verbunden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1. Die HĂ€ufigkeit von Verdachtsfallmeldungen ĂŒber schwere Nebenwirkungen und Impfkomplikationen wie anaphylaktische Reaktionen, Thrombosen und Myokarditiden bei der Grundimmunisierung mit den zugelassenen Covid-19-Impfstoffen betrĂ€gt insgesamt etwa 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen entsprechend etwa 300 Meldungen pro 1 Mio. Impfdosen. Das bedeutet, dass diese Nebenwirkungen selten bzw. sehr selten auftreten.

2. Da in Deutschland seit LĂ€ngerem ganz ĂŒberwiegend mRNA-Impfstoffe verimpft werden, geht es bei den schweren Nebenwirkungen (neben anaphylaktischen Reaktionen) vor allem um die Verdachtsfallmeldungen einer Myokarditis/Perikarditis.

3. Das höchste Myokarditis- und Perikarditisrisiko wird bei 18- bis 24-jÀhrigen jungen MÀnnern nach der zweiten Spikevax-Impfstoffdosis verzeichnet und entspricht der HÀufigkeitskategorie selten.

4. Die Verdachtsfallmeldungen von Myokarditis-/Perikarditis nach Auffrischimpfungen mit den neuen bivalenten mRNA-Impfstoffen liegen ebenfalls in der HÀufigkeitskategorie sehr selten und können niedriger sein als nach monovalenten Impfstoffen.

5. Die höchsten Myokarditis-/Perikarditis-Inzidenzen nach der Auffrischimpfung wurden bei den 16- bis 17-JÀhrigen und den 12- bis 15-jÀhrigen mÀnnlichen Jugendlichen gemessen. Die HÀufigkeitskategorien waren selten bzw. sehr selten.

6. Bis zum 6. Juli 2022 hat das PEI insgesamt 472 Verdachtsfallmeldungen eines sogenannten Post-Vac-Syndroms erhalten, bei dem es sich um ein unklares Krankheitsbild handelt, das ebenfalls sehr selten auftritt, wenn man die Gesamtzahl der Impfungen berĂŒcksichtigt (siehe Teil 1 des Artikels [12]).

7. Die analysierten Daten zur Wirksamkeit (EffektivitĂ€t) und Schutzdauer der Covid-19-Impfstoffe zeigen, dass auch unter Zirkulation der Omikron-Variante die verfĂŒgbaren Impfstoffe in allen Altersgruppen gut gegen schwere Covid-19-VerlĂ€ufe und TodesfĂ€lle schĂŒtzen. Bei Vorliegen einer hybriden ImmunitĂ€t (zwei und mehr Impfungen und mindestens eine vorangegangene Sars-CoV-2-Infektion) sind die Probanden zu 97,5 Prozent geschĂŒtzt.

8. Die Schutzwirkung der Covid-19-Impfstoffe vor Sars-CoV-2-Infektionen ist deutlich geringer ausgeprĂ€gt. Studienergebnisse zeigen aber auch hier, dass bei Vorliegen einer hybriden ImmunitĂ€t die Probanden auch ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum von bis zu 9 Monaten gut gegen eine erneute Infektion geschĂŒtzt sind.

9. Beim Vergleich von Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe ist weiter wichtig, dass das PEI fĂŒr den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2022 bei insgesamt 3.023 Verdachtsfallmeldungen fĂŒr einen Todesfall im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ĂŒber das Auftreten von 120 TodesfĂ€llen in Deutschland berichtet hat, bei denen in einer Einzelfallbeurteilung ein ursĂ€chlicher Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung möglich oder wahrscheinlich erscheint.

10. Ferner zeigen die aufgefĂŒhrten Analysen, dass die Covid-19- Impfung vor schweren Covid-19-VerlĂ€ufen schĂŒtzt und eine große Zahl möglicher weiterer TodesfĂ€lle verhindert hat. In dem hier zugrunde liegenden Stiko-Artikel wird auf eindrucksvolle SchĂ€tzzahlen hingewiesen.

11. GrundsÀtzlich ist jedoch anzumerken, dass es sich bei den angegebenen Verdachtsfallmelderaten von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen um relativ "weiche" wissenschaftlichen Daten handelt, die von den etablierten Meldesystemen in Deutschland und anderen LÀndern stammen.

12. Es handelt sich einerseits um retrospektive Meldedaten, die hinsichtlich der wissenschaftlichen Beweiskraft geringer zu bewerten sind als Daten aus prospektiven Studien.

13. Andererseits ergibt sich eine weitere EinschrĂ€nkung bei der Interpretation dieser Daten daraus, dass von einer systemischen Untererfassung ("underreporting") der Meldungen ausgegangen werden muss. Wie groß die Dunkelziffer allerdings tatsĂ€chlich ist, kann derzeit jedoch nicht seriös beantwortet werden.

14. Es ist jedoch zu vermuten, dass schwerwiegende Nebenwirkungen wie eine Myokarditis oder solche, die kurz nach einer Impfung auftreten, eher gemeldet werden als leichte und erst spĂ€t auftretende Nebenwirkungen oder solche, bei denen die Ärztinnen und Ärzte keinen Zusammenhang mit der Impfung herstellen.

15. Deshalb sind die HĂ€ufigkeitsangaben von Nebenwirkungen des PEI nicht in Stein gemeißelt, und es ist grundsĂ€tzlich zu begrĂŒĂŸen, wenn weitere seriöse wissenschaftliche Untersuchungen, auch mit anderen Forschungsmethoden, zur Frage der HĂ€ufigkeit von schwerwiegenden Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen durchgefĂŒhrt, vorgelegt und einer kritischen Diskussion unterzogen werden.

Teil 3: StÀndige Impfkommission: Aktualisierte Impfempfehlung gegen Covid-19 [13]

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt fĂŒr Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt fĂŒr Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik fĂŒr Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer SachverstĂ€ndiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tĂ€tig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte fĂŒr die Verhinderung des Atomkriegs und fĂŒr soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de Der Autor erklĂ€rt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Fußnoten

[14] [1] Mitteilung der StĂ€ndigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Wissenschaftliche BegrĂŒndung der STIKO zur Implementierung der COVID-19-Impfung in die allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023 [15]. In: Robert- Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 21/2023 vom 25. 05. 2023, S. 7- 49.

[16] [2] Bobrovitz N, et al. Protective effectiveness of previous Sars-CoV-2 infection and hybrid immunity against the omicron variant and severe disease: a systematic review and meta-regression. Lancet Infect Dis. 2023 May; 23(5): 556–567

[17] [3] Gao P, et al. Effect of COVID-19 vaccines on reducing the risk of long Covid in the real world: A systematic review and meta-analysis. Int J Environ Res Public Health. 2022;19(19):12422

[18] [4] MeslĂ© JB, et al. Estimated number of deaths directly averted as a result of Covid-19 vaccination, Abstrakt vom 17.04.2023 online verfĂŒgbar unter: European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID) 2023 [19].

[20] [5] Watson OJ, et al. Global impact of the first year of COVID-19 vaccination: a mathematical modelling study. The Lancet Infectious Diseases. 2022;22(9):1293-302.

[21] [6] Meagan C. Fitzpatrick et al., Two Years of U.S. Covid-19 Vaccines Have Prevented Millions of Hospitalizations and Deaths, To the Point (blog), Commonwealth Fund, Dec. 13, 2022.

[22] [7] Mitteilung der StĂ€ndigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Wissenschaftliche BegrĂŒndung der STIKO zur Implementierung der COVID-19-Impfung in die allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023 [23]. In: Robert- Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 21/2023 vom 25. 05. 2023, S. 7- 49.

Kolenda KD.: Zur Sicherheit der fĂŒnf zugelassenen Covid-19-Impfstoffe [24]. Telepolis, 30.10.2022

[25] [8] Mitteilung der StĂ€ndigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Wissenschaftliche BegrĂŒndung der STIKO zur Implementierung der COVID-19-Impfung in die allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023 [26]. In: Robert-Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 21/2023 vom 25. 05. 2023, S. 7- 49.

[27] [9] Nafilyan V, et al. Risk of death following Covid-19 vaccination or positive Sars-CoV-2 test in young people in England. Nature Communications. 2023;14(1):1541


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[16] 
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[20] 
[21] 
[22] 
[23] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/21_23.pdf?__blob=publicationFile
[24] https://www.telepolis.de/features/Zur-Sicherheit-der-fuenf-zugelassenen-Covid-19-Impfstoffe-7323510.htm
[25] 
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[27]