"Guten Morgen aus Lützerath": Räumungsbeginn im Braunkohlerevier
Zerreißprobe für die Grünen: Die "Erwachsenen" lassen räumen, ihr Parteinachwuchs wird geräumt. Gruppen der Klimabewegung wollen weitere Braunkohlenutzung verhindern. Eskaliert die Auseinandersetzung mit der Polizei?
"Guten Morgen aus Lützerath. Die Polizei rückt mit unzähligen Hundertschaften an, aber der Protest ist vielfältig und entschlossen", twitterte kurz nach 9 Uhr der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus und zeigte sich auf einem Foto mit erhobener Faust.
Die polizeiliche Räumung des von Umwelt- und Klimagruppen besetzten Dorfes im Rheinischen Braunkohlerevier hat an diesem Mittwochmorgen begonnen – und wird von Spitzenpolitikern der Grünen wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Amtskollegin im Land NRW, Mona Neubaur maßgeblich mitverantwortet.
Hintergrund sind deren Absprachen mit dem Energiekonzern RWE zum "beschleunigten Kohleausstieg" und zur "Stärkung der Versorgungssicherheit" – insgesamt ein Deal, der auch ein beschleunigtes Verfeuern von Braunkohle und die Erweiterung des Tagebaus vor Lützerath im "schwarz-grün" regierten Land NRW einschließt.
Die Jugendorganisation der Grünen steht dagegen an der Seite von Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände, der "Letzten Generation" und anderen außerparlamentarischen Gruppen sowie ökosozialistischen Mitgliedern der Partei Die Linke. Sie alle haben sich vorgenommen, "Lützerath unräumbar" zu machen, damit die Braunkohle unter der Ortschaft nicht mehr abgebaggert wird und die Pariser Klimaschutzziele eingehalten werden.
Gewaltvorwürfe der Polizei
An verschiedenen Stellen gibt es Sitzblockaden, auch Barrikaden wurden errichtet – und die Polizei, die mit mehreren Hundertschaften, Wasserwerfern und Pferden im Einsatz ist, wirft einem Teil der Aktivisten vor, Steine und Brandsätze geworfen zu haben. "Unterlassen Sie sofort das Werfen von Molotow-Cocktails. Verhalten Sie sich friedlich und gewaltfrei", twitterte ein Social-Media-Team der Polizei NRW.
Bisher haben sich mehrere der am Protest beteiligten Gruppen klar für Gewaltfreiheit ausgesprochen, teilweise sogar gegen beleidigende Sprache, auch gegenüber Polizeibeamten. Diese Verhaltensregeln wurden auch in Aktionstrainings etwa von Extinction Rebellion vermittelt und bei bisherigen Aktionen eingehalten.
Aber die Bewegung ist nicht homogen – die große Gemeinsamkeit aller beteiligten Gruppen ist zunehmende Verzweiflung über eine Politik, die eine Begrenzung der emissions- und systembedingten Erderwärmung selbst auf zwei Grad immer unwahrscheinlicher macht, nachdem im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart wurde, eine Begrenzung auf 1,5 Grad anzustreben. Darüber, welche Formen des Widerstands gegen diese Politik angemessen sind, können sich einzelne Gruppen durchaus streiten.
Der Bundessprecher der Grünen Jugend empfiehlt jedoch den Medien, Polizeimeldungen nicht ungeprüft zu übernehmen: "Ich war bei einer der Szenen dabei, die für größere Aufmerksamkeit gesorgt haben, von der aber letztendlich nur Ausschnitte in den sozialen Netzwerken zu sehen waren", sagte Dzienus am Dienstag laut einem Bericht des Portals watson. "Die Polizei sprach im Nachhinein davon, dass Steine geworfen wurden, das habe ich anders erlebt." Er selbst befürchtet auch viel Polizeigewalt gegen Protestierende.