Haftbefehl aus Den Haag: Israels Premier Netanjahu wird zum Gesuchten
Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Israels Premier Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Gallant. Auch Hamas-Militärchef Deif wird gesucht.
Nach monatelangen Beratungen hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag am Donnerstag Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Israels ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant erlassen.
Den beiden Politikern werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas vorgeworfen.
Haftbefehl gegen Netanjahu, Gallant und Deif
In einer Erklärung des Gerichts heißt es, es gebe "hinreichende Gründe" dafür, dass Gallant und Netanjahu "vorsätzlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen lebenswichtige Güter vorenthalten haben, darunter Lebensmittel, Wasser, Medikamente und medizinische Hilfsgüter sowie Treibstoff und Strom". Dies sei nur ein Teil der Anklagepunkte, hieß es weiter.
Das Gericht wies auch zwei israelische Anfechtungen seiner Zuständigkeit zurück. Es könne seine Gerichtsbarkeit "auf der Grundlage der territorialen Zuständigkeit Palästinas" ausüben, ohne die Zustimmung Israels einholen zu müssen.
In einer separaten Erklärung teilte der IStGH mit, dass auch gegen Mohammed Deif, den langjährigen Anführer des bewaffneten Flügels der Hamas, der Qassam-Brigaden, ein internationaler Haftbefehl vorliege.
Auch ihm werden mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf dem Territorium Israels und des Staates Palästina seit mindestens dem 7. Oktober 2023 zur Last gelegt.
Zu den ihm vorgeworfenen Verbrechen zählen der Raketenbeschuss israelischen Territoriums und die Angriffe vom 7. Oktober, bei denen mehr als 1.000 Israelis getötet wurden. Israel behauptet, Deif bei einem Luftangriff im Juli dieses Jahres getötet zu haben.
Bei dem Angriff waren Zelte, in denen vertriebene Palästinenser untergebracht waren, sowie eine Wasseraufbereitungsanlage getroffen worden. Dabei starben mehr als 90 Menschen starben und 300 wurden verletzt.
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die Richter erklärten, es gebe "hinreichende Gründe" dafür, dass die drei Männer die "strafrechtliche Verantwortung" für mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges zwischen Israel und der Hamas tragen.
Sowohl Israel als auch die Hamas haben die Vorwürfe zurückgewiesen.
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Es liegt nun an den 124 Mitgliedstaaten des IStGH – zu denen weder Israel noch die Vereinigten Staaten, aber Deutschland gehören – zu entscheiden, ob sie die Haftbefehle vollstrecken oder nicht. Der Haftbefehl rückt auch die Waffenlieferungen an Israel durch dessen Verbündete in ein neues Licht.
Vorangegangene Beeinflussungsversuche
Im Mai hatte der IStGH-Ankläger Karim Khan Haftbefehle gegen Netanjahu, Gallant, Deif und zwei weitere Hamas-Führer beantragt, die seitdem getötet wurden: Ismail Haniyeh und Yahya Sinwar. Obwohl Israel davon ausgeht, dass auch Deif getötet wurde, konnte die Kammer seinen Tod nicht bestätigen.
Israel hat seit Beginn des Verfahrens versucht, mit geheimdienstlichen Methoden Einfluss auf den Prozess zu nehmen. Dabei seien laut Chefankläger Khan Versuche unternommen worden, "die Beamten des Gerichts zu behindern, einzuschüchtern oder unangemessen zu beeinflussen", berichtet der Guardian.