Halloween-Spektakel am Nachthimmel: Kometen aus der Oortschen Wolke sichtbar
Zwei Kometen aus der Oortschen Wolke nähern sich der Erde. Sie werden um Halloween am Nachthimmel sichtbar sein. Doch woher kommen diese geheimnisvollen Besucher?
Für den menschlichen Verstand mag es schwer vorstellbar sein: eine kosmische Wolke, die so riesig ist, dass sie die Sonne und acht Planeten umgibt und sich über Billionen von Kilometern in den Weltraum erstreckt.
Die als Oortsche Wolke bekannte kugelförmige Hülle ist praktisch unsichtbar. Ihre Teilchen sind so fein verteilt und so weit vom Licht der Sterne, einschließlich der Sonne, entfernt, dass Astronomen die Wolke einfach nicht sehen können, obwohl sie uns wie eine Decke umgibt.
Sie ist auch theoretisch. Die Astronomen gehen von der Existenz der Oortschen Wolke aus, weil sie die einzige logische Erklärung für die Ankunft einer bestimmten Klasse von Kometen ist, die sporadisch unser Sonnensystem besuchen. Wie sich herausstellt, ist die Wolke in Wirklichkeit ein riesiges Reservoir, das Milliarden von eisigen Himmelskörpern beherbergen kann.
Zwei von ihnen werden in den Tagen vor Halloween die Erde passieren. Tsuchinshan-ATLAS, auch bekannt als Komet C/2023 A3, wird nach dem 12. Oktober, dem Tag seiner größten Erdnähe, für ein bis zwei Wochen am hellsten und wahrscheinlich mit bloßem Auge sichtbar sein – man braucht nur kurz nach Sonnenuntergang in den westlichen Himmel zu schauen. Im Laufe der Tage wird der Komet schwächer und wandert höher am Himmel.
Der zweite Komet, C/2024 S1 (ATLAS), der erst am 27. September entdeckt wurde, sollte etwa Ende Oktober sichtbar sein. Die größte Erdnähe erreicht der Komet am 24. Oktober – kurz vor Sonnenaufgang tief am Osthimmel. Nachdem er die Sonne umrundet hat, könnte der Komet um Halloween herum wieder am westlichen Nachthimmel auftauchen. Es ist aber auch möglich, dass er sich ganz oder teilweise auflöst, wie es manchmal passiert, wenn Kometen vor der Sonne vorbeifliegen – und sich unserem Stern bis auf 1,6 Millionen Kilometer nähert.
Als Planetenastronom bin ich besonders neugierig auf die Oortsche Wolke und die Eiskörper, die sie enthält. Die Bewohner dieser Wolke könnten ein Grund dafür sein, dass sich auf der Erde Leben entwickelt hat. Diese Eiskörper, die vor Äonen auf unserem Planeten einschlugen, könnten zumindest einen Teil des für alles Leben notwendigen Wassers geliefert haben. Gleichzeitig stellen diese Objekte eine allgegenwärtige Bedrohung für den Fortbestand der Erde – und unser Überleben – dar.
Milliarden von Kometen
Wenn ein Objekt aus der Oortschen Wolke seinen Weg ins innere Sonnensystem findet, verdampft sein Eis. Dabei entsteht ein Schweif aus Trümmern, der als Komet sichtbar wird.
Einige dieser sogenannten langperiodischen Kometen haben Umlaufzeiten von Hunderten, Tausenden oder sogar Millionen von Jahren, wie Tsuchinshan-ATLAS. Im Gegensatz dazu stehen die sogenannten kurzperiodischen Kometen, die die Oort-Wolke nicht besuchen und relativ schnelle Umlaufbahnen haben. Zu ihnen gehört der Halleysche Komet, der sich etwa alle 76 Jahre einen Weg durch das Sonnensystem bahnt und die Sonne umkreist.
Der niederländische Astronom Jan Oort, der im 20. Jahrhundert lebte, war von den langperiodischen Kometen fasziniert und schrieb 1950 einen Aufsatz über sie. Er stellte fest, dass etwa 20 dieser Kometen einen durchschnittlichen Abstand von mehr als 10.000 Astronomischen Einheiten von der Sonne hatten.
Das war erstaunlich, denn nur eine Astronomische Einheit entspricht dem Abstand der Erde von der Sonne, das sind etwa 150 Millionen Kilometer. Wenn man 150 Millionen mit 10.000 multipliziert, stellt man fest, dass diese Kometen aus einer Entfernung von mehr als einer Billion Kilometer kamen. Außerdem, so Oort, waren sie nicht unbedingt die äußersten Objekte der Wolke.
Fast 75 Jahre nach Oorts Veröffentlichung können Astronomen diesen Teil des Universums noch immer nicht direkt abbilden. Sie schätzen jedoch, dass sich die Oortsche Wolke bis zu 16 Billionen Kilometer von der Sonne entfernt erstreckt, was fast der Hälfte der Entfernung zu Proxima Centauri, dem nächsten Stern, entspricht.
Die langperiodischen Kometen verbringen die meiste Zeit in diesen riesigen Entfernungen und kommen der Sonne nur kurz und schnell nahe, wenn sie sich ihr aus allen Richtungen nähern. Oort schätzt, dass die Wolke 100 Milliarden dieser eisigen Objekte enthält. Das könnten so viele sein, wie es Sterne in unserer Galaxie gibt.
Wie kamen sie dorthin? Oort vermutete, und moderne Simulationen haben dies bestätigt, dass diese eisigen Körper ursprünglich in der Nähe von Jupiter, dem größten Planeten des Sonnensystems, entstanden sein könnten. Möglicherweise wurden die Umlaufbahnen dieser Objekte um die Sonne durch Jupiter gestört – ähnlich wie Raumschiffe der NASA, die zu Zielen von Saturn bis Pluto unterwegs sind, normalerweise an dem Riesenplaneten vorbeifliegen, um ihre Reise nach außen zu beschleunigen.
Einige dieser Objekte hätten das Sonnensystem endgültig verlassen und wären zu interstellaren Objekten geworden. Andere hätten Bahnen wie die der langperiodischen Kometen angenommen.
Bedrohungen für die Erde
Langperiodische Kometen stellen ein besonderes Gefahrenpotenzial für die Erde dar. Weil sie so weit von unserer Sonne entfernt sind, werden ihre Bahnen durch die Schwerkraft anderer Sterne leicht verändert.
Das bedeutet, dass die Wissenschaftler nicht wissen, wann und wo ein solcher Komet auftauchen wird, bis er plötzlich auftaucht. Bis dahin ist er in der Regel näher als Jupiter und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von mehreren zehntausend Meilen pro Stunde. Tatsächlich kam der fiktive Komet, der im Film "Don't Look Up" die Erde zum Untergang verurteilte, aus der Oortschen Wolke.
Ständig werden neue Kometen aus der Oortschen Wolke entdeckt, in den vergangenen Jahren etwa ein Dutzend pro Jahr. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen mit der Erde kollidiert, ist äußerst gering. Aber es ist möglich. Der jüngste Erfolg der NASA-Mission DART, die die Umlaufbahn eines kleinen Asteroiden veränderte, zeigt einen plausiblen Ansatz zur Abwehr dieser kleinen Körper. Diese Mission wurde jedoch erst nach jahrelangen Untersuchungen des Zielobjekts entwickelt. Ein Komet aus der Oortschen Wolke hat vielleicht nicht so viel Zeit – vielleicht nur Monate, Wochen oder gar Tage.
Oder gar keine Zeit. 'Oumuamua, das seltsame kleine Objekt, das 2017 unser Sonnensystem besuchte, wurde nicht vor, sondern erst nach seiner größten Annäherung an die Erde entdeckt. Auch wenn 'Oumuamua ein interstellares Objekt ist und nicht aus der Oortschen Wolke stammt, gilt die These: Eines dieser Objekte könnte sich uns nähern, und die Erde wäre schutzlos.
Eine Möglichkeit, sich auf diese Objekte vorzubereiten, besteht darin, ihre grundlegenden Eigenschaften wie Größe und Zusammensetzung besser zu verstehen. Zu diesem Zweck arbeiten meine Kollegen und ich an der Charakterisierung neuer langperiodischer Kometen.
Der größte bekannte Komet, Bernardinelli-Bernstein, der erst vor drei Jahren entdeckt wurde, hat einen Durchmesser von etwa 120 Kilometern. Die meisten bekannten Kometen sind viel kleiner, zwischen einem und einigen Kilometern, und einige der kleineren sind zu schwach, um von uns gesehen zu werden. Doch neuere Teleskope helfen uns dabei. Insbesondere die zehnjährige "Legacy Survey of Space and Time" des Rubin-Observatoriums, die 2025 beginnen soll, könnte die Liste der bekannten Kometen in der Oortschen Wolke von derzeit etwa 4.500 verdoppeln.
Die Unberechenbarkeit dieser Objekte macht sie zu einem schwierigen Ziel für Raumfahrzeuge, aber die Europäische Weltraumorganisation bereitet eine Mission vor, die genau das tun soll: Comet Interceptor. Die Sonde soll 2029 starten und im All parken, bis ein geeignetes Ziel in der Oortschen Wolke auftaucht. Die Untersuchung eines dieser alten und unberührten Objekte könnte den Wissenschaftlern Hinweise auf die Ursprünge des Sonnensystems liefern.
Bei Kometen, die sich heute in Erdnähe befinden, ist der Blick nach oben erlaubt. Anders als der Komet im DiCaprio-Film werden sie nicht auf der Erde einschlagen. Der uns am nächsten kommende Tsuchinshan-ATLAS ist etwa 70 Millionen Kilometer (44 Millionen Meilen) entfernt, C/2024 S1 (ATLAS) etwa 130 Millionen Kilometer (80 Millionen Meilen). Das klingt nach einer großen Entfernung, aber im Weltraum ist das eine winzige Distanz.
James Wray ist Professor für Erd- und Atmosphärenwissenschaften am Georgia Institute of Technology.
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel. Übersetzer: Bernd Müller