Halo, Home und Hula-Hoop
Was bald an Spielen kommt
Die Zukunft der Videogames besteht aus mehr als dem Spiel. Was sonst noch zu machen ist, deuteten die drei Konsoleros auf der E3 (Electronic Entertainment Exhibition) in Santa Monica an: Microsoft betont seine Exklusivität und Coolness in Sachen harter Marken, Sony werkelt an der megatreuen Community-Farm und Nintendo bindet klassische Körperaktivitäten ins Spiel ein.
Die E3 macht Ernst: Lästig wurde Entwicklern und Herstellern das aufwändige Buhlen um die Gunst der Verbraucher. In der zwölfjährigen Messegeschichte wuchs die E3 zum unkontrollierbaren Spielhöllenmoloch heran. Dem musste ein Ende gesetzt werden, da hier die PR-Weichen für die wichtigste Verkaufsphase des Jahres gestellt werden. Seit diesem Jahr werden nur noch Fachbesucher aus Presse, Handel und Sponsoring Einblick in bald kommende Produkte und Zukunftsprojekte haben. So mussten Fans vom 11. bis 13. Juli in die Röhre gucken. In zwar aufgeblähten Pressekonferenzen präsentierten die großen Drei ihr Portfolio aus attraktiven, wenn auch größtenteils längst bekannten Games - fast wichtiger erschienen die Strategien, mit denen der Krieg um die Marktherrschaft ausgetragen werden würde.
Kriegerisch im klassischen Sinne der letzten Generation (PlayStation 2, Xbox, GameCube), zog Microsoft in die Schlacht und spielte mit offenen, dafür extrem hohen Karten seine sechsjährige Business-Erfahrung aus. Vizepräsident für interaktive Unterhaltung, Peter Moore, zeigte zunächst anhand ausgewählter Statistiken die Vorherrschaft der bereits seit 2005 erhältlichen Xbox 360, die mit 5,6 Millionen die größte Basis installierter Konsolen in der Zielgruppe hat.
Dann wurden schwere Geschütze aufgefahren: Mit "Halo 3", "Madden NFL 2008" und "Grand Theft Auto IV" würden in diesem Jahr die drei Serien-Blockbuster schlechthin teils exklusiv auf Xbox 360 fortgeführt werden. Der direkten Konkurrenz PlayStation 3 hat Microsoft besonders mit dem Exklusiv-Vertrag zu „Grand Theft Auto IV“ ein Schnippchen geschlagen.
So werden Besitzer beider Konsolen ab 19. Oktober zwar gleichsam den neuen Teil der Erfolgsreihe spielen dürfen; zusätzliche Inhalte in Form von episodischen Abenteuern werden jedoch (vorerst?) nur via Xbox Live zum Download angeboten.
Die hauseigene Halo-Reihe wird es allerdings ganz sicher nur für Xbox 360 geben. Der exklusive Science-Fiction-Shooter hat sich zu einem der erfolgreichsten Spiele des laufenden Jahrzehnts entwickelt. Vor allem in den USA, wo gut gemachte Onlinemodi schon längst den Reiz der eigentlichen Single-Player-Kampagne übersteigen, wird „Halo 3“ (Release hier zu Lande am 26. September) herbeigesehnt wie ein neues Apple-Gadget.
90 Verbindungsstellen für Mimik
Mit dem Ende der Geschichte um Hauptfigur Master Chief tritt das Halo-Universum in ein neues Zeitalter ein und würde bald gern mit Star Wars und Star Trek verglichen werden. Während Hollywood-King Kong Peter Jackson unbedingt den Halo-Film als Leinwandgroßereignis realisiert sehen will, tüftelt die Age of Empires-Entwickler-Crew am ersten Halo-Strategiespiel: "Halo Wars" soll 2008 erscheinen.
Dass die Xbox 360 aber nicht nur für erwachsene Spieler ist, zeigt eine lange Liste kommender familientauglicher Titel, wie „Viva Pinata: Party Animals“, in dem sich die bunten Tierchen aus der Zeichentrickserie Minispiele und Rennen gegeneinander leisten oder das Musikspiel "Rock Band", das, ähnlich wie "Guitar Hero", rhythmische Anforderungen zu Songs wie Nirvana's „In Bloom“ an den Spieler stellt.
Mindestens ebenso schlagkräftige Argumente in Sachen Exklusivität stellte Jack Tretton, Präsident von Sony Computer Entertainment America, vor: Der technische Vorsprung der PlayStation 3-Hardware vor der Konkurrenz scheint langsam erkennbar zu werden. "Ratchet & Clank Future" ist die Weiterführung der Action-Adventure-Serie auf zeichentrickähnlichem Niveau: Der fuchsähnliche Mechaniker Ratchet hat allein im Gesicht 90 Verbindungsstellen für Mimik - was mehr ist als sein ganzer Körper im letzten Teil. Sein Waffenarsenal reicht von herkömmlichen Schusswaffen bis zu abgedrehten Spezialwaffen, die die Gegner in Pinguine verwandeln oder unter Diskokugeln zu „Stayin' Alive“ tanzen lässt.
Es darf gequatscht werden
Trotz weiterer vielversprechender Games wie „Echochrome“, ein Puzzlespiel, dessen Einrichtung ein von MC Escher inspiriertes Gerüst ist, auf dem ein Dummy durch dreidimensionales Drehen des Bildes an Hindernissen vorbei patrouilliert werden muss, sowie "Heavenly Sword" (Herbst) oder "Uncharted: Drake's Schicksal" (2008), die sich anschicken grafische Highlights zu werden, erregte Sony Aufsehen mit seinem ab November erhältlichen Community-Service "Home": PlayStation 3-Besitzer bewegen sich mit ihrem persönlichen Avatar frei in einer virtuellen Welt, ähnlich der von „Second Life“. Sie besuchen Warenhäuser, Bars, Sportcenter, Kinos oder Spieleshops, gehen einkaufen, unterhalten sich oder gucken Filme, Videoclips und Spieletrailer.
„Home“ ist so was wie das internationale Zuhause aller PS3-Spieler, man diskutiert über Games, Gott und die Welt oder lädt Bekannte in sein individuell eingerichtetes Domizil ein, um dort Bilder, Privatvideos oder Mitschnitte aus Spielszenen vorzuführen - eine Plattform, die noch fehlte, um das ohnehin schon treue Fanfundament der Marke PlayStation zu festigen und auszubauen. Die namenlosen Stimmen hinter dem Voice-Chat bekommen so ein Gesicht, präsentieren Gleichgesinnten ihre Spielerfolge etc. - der Beginn einer Selbstdarstellungsorgie im Stile von MySpace-meets-Onlinerollenspiel.
Ein Fitnessprogramm
Das abwechslungsreichste und innovativste Angebot an Neuigkeiten stellte erneut Nintendo vor, ein Line-Up, das trotz limitierter Grafikmöglichkeiten originell wie original ist: Sei es eine eigens für die Wii entwickelte Version der Sims, genannt "MySims" (September), das allererste Mario-Abenteuer auf der Wii, "Super Mario Galaxy (November), der Wettkampf zweier Spielikonen in „Mario & Sonic at the Olympic Games” (Winter) oder das Rennspiel „Mario Kart Wii“, das erstmals online geht und standardmäßig eine Lenkradvorrichtung für die bewegungssensitive Steuerung enthält. Und wie bei Einführung der ausgefallenen Konsole zu erwarten war, treibt die Fantasie der Entwickler noch ganz andere Blüten.
Ein Fitnessprogramm ist der neueste Geniestreich aus dem Hause Nintendo. „Wii Fit“ wird mit einem Balance-Brett ausgeliefert, eine viereckige bewegungssensitive Platte auf der der Spieler vier verschiedene Arten sportlicher Übungen vom Bildschirm nachahmt: Yoga, Aerobic, Gleichgewichts- und Muskeltraining. Das Balance Board errechnet das Idealgewicht des Spielers, der seine Fortschritte in einer Statistik über Wochen und Monate verfolgen kann. Ob Hula-Hoop, Liegestütze, Tanzschritte oder Tore schießen per Kopfball - heimische Sportaktivitäten machen allein oder mit Freunden Spaß.
Wer sich bis jetzt nicht für eine Next Gen-Konsolen entscheiden konnte, dem hat die E3 gezeigt, wo die Reise hingeht.