Handelskrieg: Transatlantische Treue oder Chancen in China?

Uwe Kerkow
Zwei mit US und chinesischern Farben bemalte Container quetschen  die Weltkugel zwischen sich ein

Sowohl die USA als auch China drängen die EU, sich in ihrem Handelskrieg zu positionieren. Wem werden die Europäer mehr zuneigen?

Auch wenn in den letzten Tagen aus Washington und Peking Hinweise auf Ausnahmen im Zollstreit gekommen sind, tobt der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskrieg zwischen den USA und China dennoch praktisch unvermindert weiter. Nachdem der Austausch vor allem von Waren zwischen den Kontrahenten nun tiefgreifend gestört ist, versuchen beide Parteien jetzt, die Europäische Union auf ihre Seite zu ziehen.

Laut einem Bericht des Wall Street Journal planen die USA, die anstehenden Zollverhandlungen mit den betroffenen Staaten zu nutzen, um China zu isolieren. Jedes Land, das ein Handelsabkommen mit den USA abschließen wolle, müsse sich demnach von Peking distanzieren, heißt es aus Washington. Insbesondere US-Finanzminister Scott Bessent gilt als Vertreter dieser Linie.

Diese Forderung wird auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten treffen. Die zeigen sich selbstverständlich offen für US-Positionen, äußern derzeit aber noch Vorbehalte. Allerdings hatte Brüssel bereits in den letzten Jahren eine Strategie des "De-risking" gegenüber China verfolgt.

Vom De-risking zur US-Gefolgschaft?

Es ist also durchaus möglich, dass die EU-Kommission weiter daran arbeitet, den Handel der EU-Staaten mit China empfindlich einzuschränken, zumal wenn Brüssel von Washington dazu gedrängt wird.

Derweil bemüht sich Peking, die Europäer auf seine Seite zu ziehen. Wie die South China Morning Post berichtet, warf Chinas Spitzendiplomat Wang Yi den USA in Gesprächen mit den Außenministern Großbritanniens und Österreichs vor, Zölle als Waffe zu missbrauchen und gegen WTO-Regeln zu verstoßen. Dies schade den Interessen anderer Volkswirtschaften und sei nicht nachhaltig.

China stelle sich dem nicht nur entgegen, um die eigenen Rechte und Interessen zu schützen, sondern auch um die internationalen Regeln und das multilaterale Handelssystem zu verteidigen. China werde an einem hohen Maß an Öffnung festhalten, eine beiderseitig vorteilhafte Zusammenarbeit mit allen Ländern fortführen und Entwicklungschancen teilen.

China will an offenen Märkten festhalten

Für die EU ist die Lage kompliziert, da sie wirtschaftlich eng mit beiden Seiten verflochten ist. Wie naked capitalism vorrechnet, sind die USA insgesamt der wichtigste Handelspartner der EU. Lediglich bei Warenimporten ist China für die Europäer bedeutender als die Vereinigten Staaten. In allen anderen Bereichen – Warenexporte, Handel mit Dienstleistungen sowie Direktinvestitionen – sind die Beziehungen zwischen der EU und den USA deutlich intensiver als die zu China.

Allerdings hat sich die Abhängigkeit der EU von China in den letzten Jahren weiter verstärkt, während die USA und China ihre Lieferketten für Importe diversifiziert haben. Dies wirft die Frage auf, inwieweit diese schrumpfenden Abhängigkeiten mit indirekten Abhängigkeiten erkauft worden sind.

Denn mittlerweile gehen viele chinesische Exporte zunächst nach Mexiko oder in die EU, werden dort in andere Produkte eingearbeitet, um dann schließlich doch in die USA exportiert zu werden.

Chinesische Exporte über Drittstaaten

Eine wirtschaftliche Abkopplung von China hätte also gravierende Folgen für die EU. In vielen Bereichen wie Pharmazeutika, kritischen Rohstoffen, aber auch Maschinen und Chemikalien ist die Abhängigkeit von China sehr hoch. Für einzelne Produkte liegt die Importquote bei über 90 Prozent. Ein Ende dieses Handels wäre ein schwerer Schlag für die europäische Industrie und könnte zu Versorgungsengpässen führen.

Dennoch scheint es wahrscheinlich, dass sich die EU letztlich den USA anschließen wird. Zum einen sind die transatlantischen Beziehungen trotz aller Differenzen immer noch von überragender Bedeutung. Zum anderen dürfte der Druck aus Washington weiter zunehmen, sich im Systemwettbewerb mit China klar zu positionieren.

Eine mehr oder weniger offene Konfrontation mit ihrem wichtigsten Verbündeten werden die Europäer wohl scheuen.

Zusätzliche Risiken

Allerdings birgt eine auf Drittländer ausgedehnte wirtschaftliche Konfrontation mit China auch für die USA zusätzliche Risiken. Zwar haben die Vereinigten Staaten ihre direkte Abhängigkeit von China verringert, doch dafür ist die indirekte Abhängigkeit von Drittländern wie Mexiko und der EU gestiegen.

Sollten diese Länder nun den Wünschen Washingtons folgen und ihrerseits den Handel mit China einschränken, dürften zusätzliche Engpässe in den USA zu bemerkbar werden.