Handelskrieg USA-China: Geht Mexiko als Gewinner hervor?

Mexikanischer Container vor US-Flagge

Mexiko ist zum wichtigsten Handelspartner der USA geworden. US-Handelskrieg mit China könnte langfristig profitabel sein – doch das hat China hat längst antizipiert.

Vergangenen Montag kündigten Wirtschafts- sowie Finanzministerium in Mexiko verschärfte Handelszölle an. Es geht um insgesamt 544 verschiedene Artikel, unter anderem: Textilien, Holz, Keramik, Möbel, Musikinstrumente, chemische Produkte. Betroffen seien laut den beiden Ministerien alle Länder, mit denen Mexiko kein Handelsabkommen abgeschlossen habe – wie beispielsweise China.

Die angekündigten Zölle variieren stark, je nach Art der Ware zwischen fünf und 50 Prozent. Es gehe darum, "Sicherheit und faire Marktbedingungen zu bieten" und die "Entwicklung der nationalen Industrie zu fördern". Der mexikanische Verband der Industriekammern (Concamin) beteuerte, dies sei keine protektionistische Maßnahme. Es gehe darum, "unfaire Praktiken" wie Dumping und Subventionen entgegenzuwirken.

Neuordnung der Wertschöpfungsketten

Mexiko ist längst ein relevanter Player im komplexen Handelskrieg zwischen den USA und China – und versucht dabei, als Akteur zwischen den beiden Großmächten wirtschaftlich zu profitieren.

Sowohl die USA als auch Mexiko befinden sich zudem mitten in der heißen Wahlkampfphase. Erst letzten Freitag mahnte Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Richtung USA: "China und die Vereinigten Staaten sollten Partner und keine Rivalen sein", so Xi zu US-Außenminister Antony Blinken.

Dion Rabouin vom Wall Street Journal resümiert, dass der US-China-Handelskrieg bisher für keine der beiden Seiten besonders erfolgreich verlaufen sei. Profitiert habe jedoch der südliche Nachbar der Vereinigten Staaten. Mexiko sei "der große Gewinner" des Konflikts. Gar eine "Renaissance" der Produktfertigung nennt es der singapurische Sender CNA Insider.

Laut OEC (Observatory of Economic Complexity; Beobachtungsstelle für wirtschaftliche Komplexität) fielen chinesische Exporte in die USA seit Juli 2018 um rund 21 Prozent. Mexiko hingegen konnte alleine im Jahr 2023 seine Exporte in die USA um 4,5 Prozent steigern. Mittlerweile gehen 76,8 Prozent aller Exporte Mexikos in die Vereinigten Staaten.

Die OEC bilanziert, Mexiko habe "China als wichtigsten Warenlieferant überholt". Eine "bedeutende Umkehrung der nordamerikanischen Handelsmuster" sei im Gange. Ausschlaggebend hierfür sei jedoch nicht alleine die vorteilhafte geografische Nähe des Nachbarlands, sondern auch die "Anstrengung Mexikos, radikal zu diversifizieren".

Vor allem medizinische Apparate sowie Elektroautos seien Treiber des mexikanischen Erfolgs. Der Anteil Mexikos an Importen medizinischer Geräte in die USA stieg auf 31,4 Prozent (2023), gegenüber 25,6 Prozent (2018). Viel Geld fließt auch in den Bau von Teslas "Gigafactory 6", in der Nähe der Großstadt Monterrey, im nördlichen Bundesstaat Nuevo León.

Vergangenes Jahr materialisierte sich der Deal, ab 2026 sollen dort die ersten Elektroautos vom Band gehen. Mexiko ist der drittgrößte Lieferant von Elektrofahrzeugen in die USA. Mexiko habe sich mit einer Führungsrolle etabliert, "indem es bestehende Stärken nutzt und neue Möglichkeiten aggressiv verfolgt", so die Analyse der OEC.

Mexiko: Das neue China?

Mexiko erfüllt viele Voraussetzungen für einen idealen Produktionsstandort: Geografische Nähe, stabile Handelsabkommen, geringe Produktionskosten, genügend Arbeitskraft. Bis 2018 erfüllte auch China für die USA all diese Voraussetzungen. Dann begann der Handelskrieg, Zölle wurden massiv erhöht, ein Jahr später erblickte die Coronapandemie in China das Licht der Welt.

Über die letzten drei Jahrzehnte erlebte das Reich der Mitte ein rasantes Wirtschaftswachstum. Damit einher ging dementsprechend auch eine Erhöhung der Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter.

In nur zehn Jahren, von 2012 bis 2022, hat sich der durchschnittliche Jahreslohn im Fertigungssektor Chinas mehr als verdoppelt: Er stieg von 41.650 (2012) auf 97.528 (2022) Yuan. Gut für die Menschen in China – schlecht für ausländische Firmen, die billig produzieren wollen.

Eine logische Konsequenz war demnach die Suche nach neuen Produktionsstandorten. US-Firmen bemerkten – mit viel analytischer Schärfe – dass sich ihr Land zufällig mit einem solchen Standort eine 3.145 Kilometer lange Grenze teilt: Mexiko. Das sogenannte "Nearshoring" (Nahverlagerung) wurde zum attraktiven Modell. Die Idee ist simpel – ein Standortwechsel des produzierenden Gewerbes in ein nahegelegenes Land mit billigen Arbeitskräften und passenden handelspolitischen Bedingungen.

Der offensichtlichste Vorteil: Effizientere Lieferketten. Die Transportzeit von Waren kann massiv gesenkt werden. Zudem sind Löhne im mexikanischen Fertigungsgewerbe mittlerweile geringer als jene in China. Mexiko profitiert also massiv vom US-chinesischen Handelskrieg. 2023 mauserte sich Mexiko zum größten Handelspartner der USA. 15 Prozent aller US-Importe kommen aus Mexiko.

Doch China hat diesen Trend längst bemerkt – und entsprechend gehandelt. Denn China kann sich das mexikanische Nearshoring zunutze machen; indem es einfach selbst Produktionsstätten nach Mexiko verlagert.

Seit 2018 haben chinesische Firmen 8,29 Milliarden US-Dollar in Mexiko investiert, so CNA Insider. Die Ningbo Xusheng Group (Autoteile) etwa investierte knapp 350 Millionen US-Dollar nach Mexiko, das Unternehmen Hisense (Haushaltsgeräte) 260 Millionen. Das gefällt den USA überhaupt nicht, die diese Strategie als Trojanisches Pferd wahrnehmen.

Einige Faktoren machen den Nachbarstaat Uncle Sams aber auch unattraktiv als Standort. Die steigende Kontrolle des organisierten Verbrechens über Politik und Wirtschaft macht Geschäfte, die viel Geld involvieren, zunehmend gefährlicher. Korruption ist allgegenwärtig, verlangsamt Prozesse und schadet der Gesellschaft. Mexiko nimmt beim letzten Corruption Perceptions Index, einem relevanten Korruptions-Rating der Organisation Transparency International, Platz 126 von 180 ein.

Ein Krieg, der seit fast zwei Jahrzehnten das soziale Gewebe der mexikanischen Gesellschaft zerstört, Hunderttausende Tote hinterlassen hat, Geisterdörfer, Verschwundene und Tausende Binnenflüchtlinge verursacht hat, hält ausländische Investoren nicht von ihrer Entscheidung ab, die Produktion nach Mexiko zu verlagern.

Fentanyl als Waffe?

Wenig ist bekannt über den genauen Herstellungsprozess des mexikanischen Fentanyls. Fakt ist, dass es in den letzten Jahren zu einer bedeutsamen Einnahmequelle für die Mafia geworden ist. Die agiert in Mexiko ohnehin längst wie ein modernes Unternehmen: Globalisierte Wertschöpfungsketten und Diversifizierung des "Produktportfolios" mit eingeschlossen.

Die Erpressung von Migrantinnen und Migranten Richtung USA, Zwangsprostitution, Bergbau, Immobilien, Entführungen. Für das potente Schmerzmittel Fentanyl existiert in den USA eine hohe Nachfrage. Seit Big Pharma in Kooperation mit ruchlosen Ärztinnen und Ärzte dort vor vielen Jahren anfing, das – eigentlich für Krebspatienten im Endstadium gedachte Medikament – für alles Mögliche zu verschreiben, wurde ein Monster kreiert. Die mexikanische Drogenmafia ließ sich diese Chance auf Business nicht entgehen.

Der Journalist Luis Chaparro konnte vor einigen Jahren ein Fentanyl-Labor im Bundesstaat Sinaloa besuchen. Im Interview betont er, dass den beiden relevantesten Drogenkartellen des Landes – Sinaloa und Jalisco Neue Generation – Chemiker werden aus China geschickt, um den mexikanischen Drogenköchen die Synthese beizubringen.

Auch die Rohstoffe für das Fentanyl kämen ausschließlich aus China, fänden ihren Weg ins Land über die Häfen Mexikos, bis sie dann in Laboratorien der Drogenmafia zu Fentanyl weiterverarbeitet werden. Chaparro erklärt, dass er jedoch nicht die Herstellung puren Fentanyls sah, sondern die absichtliche Herstellung von mit Fentanyl gestreckten "Percocet"-Pillen (Markenname für Oxycodone mit Paracetamol).

Er mutmaßt, dass die Mengen von der chinesischen Regierung kontrolliert werden, und diese wissentlich die Toten in den USA durch Überdosen in Kauf nehmen. Derartiges gehört jedoch ins Reich der Spekulationen.

Die Vorteile für die Drogenmafia liegen auf der Hand: Der Anbau des rohen Agrarprodukts fällt weg, der Herstellungsprozess ist kürzer und effizienter. Es müssen keine Koka-Blätter geerntet, keine Marihuana-Samen gepflanzt werden.

Kleine Laboratorien in Miethäusern in einer Großstadt reichen aus, um Millionen kleiner Pillen zu pressen. Denn Fentanyl ist bereits in sehr kleinen Dosierungen hochwirksam. Das bedeutet im Umkehrschluss eine höhere Gewinnmarge bei geringem Schmuggelvolumen.