Hannover Messe zeigt KI-Lösungen für die Industrie
(Bild: Smile Studio AP / Shutterstock.com)
Hannover Messe präsentiert unter dem Leitthema "KI in der Industrie" neueste Technologien. Doch nicht alle teilen die Euphorie der Aussteller.
Mit dem Leitthema "KI in der Industrie" wurde die Hannover Messe eröffnet, die weltweit bedeutendste Industrieschau. Die Aussteller wollen zeigen, wie KI-Lösungen in der Praxis umgesetzt werden können. Eine interaktive, webbasierte Tour soll zu praxisnahen Anwendungen führen.
Siemens zum Beispiel verspricht, mit seinem KI-gestützten Industrial Copilots den gesamten industriellen Prozess abzudecken – von Design und Planung über Entwicklung hin zu Betrieb und Service.
Dies hat auch Auswirkungen auf die Beschäftigten. Bedeutete Controlling in der Vergangenheit, die Gewinnerwartung zu ermitteln und Kostenrechnung zu betreiben, soll heute jeder Arbeitsablauf mit aktuellen Zahlen verfolgt werden.
Die Dokumentation und Verwaltung von Beschäftigtendaten mithilfe moderner Technik ist von besonderer Bedeutung – denn sie liefern Vorgesetzen Daten zur Kontrolle. In "Echtzeit", wie es heute heißt, indem sofort nach einzelnen Arbeitsschritten etwa das Arbeitstempo überwacht wird.
Data Scientists: Die neuen Datenexperten
Neu ist der Job des "Data Scientist": Eine Mischung aus Analyst, Entwickler und Berater. Denn es fallen immer mehr Zahlen an, ob in Produktion oder Verwaltung. Der Umgang mit diesen Daten muss in Unternehmen organisiert werden. "Noch vor zwei Jahrzehnten war Datenanalyse bestenfalls ein Teilbereich der Marktforschung – heute ist sie Herzstück strategischer Entscheidungen in nahezu jedem Unternehmen", erläutert Fred Eichwald für das Portal Arbeits-ABC.
Die neue Technik stellt eine Herausforderung für Unternehmen dar. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben Schwierigkeiten bei der Einführung von KI und zögern deshalb, erklärt Marco Hussong, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. "Sie fragen sich, welche Technik geeignet ist, welche Voraussetzungen und Kompetenzen nötig sind, welche Kosten und welche wirtschaftlichen Vorteile zu erwarten sind."
KI-Einführung: Herausforderung für den Mittelstand
Das Vorhaben "KI4KMU-RLP" soll die Brücke zwischen Forschung und Industrie schlagen. Angeboten wird eine KI-Potenzialanalyse mit nachfolgender Umsetzung von KI-Anwendungsfällen. Unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" werden viele Produktionsprozesse miteinander vernetzt. "In vielen Betrieben liegen heute schon große Mengen an produktionsbezogenen Daten digital vor, die eine KI als Arbeitsbasis nutzen kann."
Neue Technologie betrifft nicht nur die Produktionsabläufe in der Industrie. Im Marketing findet KI vielfältige Einsatzmöglichkeiten und unterstützt bei der Erstellung von Inhalten. "Angefangen bei der Ideenfindung und der Generierung von Content Outlines über den effizienten Einsatz verschiedener Formate durch gut geschulte Mitarbeiter bis zum praktischen Kollaborationstool, das die Arbeit eines Teams vereinheitlicht und zusammenführt", berichtet die Haufe Akademie. Unternehmen hoffen so auf Einsparpotenziale durch das Nichtbesetzen freier Arbeitsplätze.
Auch beim Kundenservice spielt Technik eine Rolle. Die aktuelle "Trend-Studie Contact Center" zeigt, wie weit die Automatisierung durch KI in Callcentern ist. Laut Trend-Studie ergreifen 71 Prozent der Befragten KI-Maßnahmen – 44 Prozent setzen Voicebots ein, die Sprache erkennen und eine Beantwortung von Kundenanfragen ohne Einsatz von Arbeitskräften ermöglichen.
"Das klingt eigentlich gut. Doch dieselbe Umfrage zeigt leider auch, wie wenig bzw. quasi gar nicht sich die Verantwortlichen mit dem EU AI Act beschäftigt haben – und das ist echt dramatisch angesichts der Tatsache, dass hohe Strafzahlungen drohen und die Regeln zum Teil bereits in kraft sind", bemängelt Rainer Holler, CEO des Technologieunternehmens VIER.
EU-AI-Act: Neue Pflichten für Unternehmen
Denn nicht nur müssen Kunden wissen, dass mit dieser Technik gearbeitet wird und die Datensicherheit gewährleistet ist. Vielmehr haben Unternehmen die Pflicht, Beschäftigte zur KI-Kompetenz zu qualifizieren – so schreibt es Artikel 4 der EU AI Act vor.
Nach Art. 3 Nr. 56 EU AI Act bezeichnet KI-Kompetenz "die Fähigkeiten, die Kenntnisse und das Verständnis, die es Anbietern, Betreibern und Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Verordnung ermöglichen, KI-Systeme sachkundig einzusetzen sowie sich der Chancen und Risiken von KI und möglicher Schäden, die sie verursachen kann, bewusst zu werden".
Holler trübt auch die Hoffnung auf einfache Effizienzgewinne durch KI. "Denn KI kann zwar riesige Mengen an Daten sekundenschnell analysieren, Prozesse automatisieren und Routinen übernehmen. Aber KI ist nicht empathisch und kann falsche Entscheidungen nicht korrigieren. Und einem Bot tun Fehler auch nicht leid". Für eine gute Kundenbindung "brauchen Menschen den Menschen. Kein Unternehmen sollte daher die gesamte Kundenkommunikation blauäugig der KI überlassen", warnt er.
Grenzen der KI-Automatisierung
Dass die Erwartungen vieler Unternehmen an KI zu hoch sind, zeigt ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Sieht die Unternehmensberatung McKinsey KI als "Produktivitätsbooster" und errechnete im Juni 2023 einen Produktivitätszuwachs von jährlich 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar für die Weltwirtschaft, kommt das IW zu einem weniger optimistischen Schluss.
Die Produktivität wird mithilfe von KI zwar steigen, doch sei in den nächsten Jahren nicht mit einem "Produktivitätswunder" zu rechnen. Für die Jahre 2025 bis 2030 halten die deutschen Forscher eine jährliche Produktivitätssteigerung von 0,9 Prozent und ab 2030 von 1,2 Prozent hierzulande für machbar.
In den USA melden sich ebenfalls Skeptiker. Junge Investmentbanker kritisieren den KI-Einsatz. Zwar werden Börsendaten zunehmend mit KI aufbereitet. Finanzmodellierung und Dateneingabe sind die Stärken der Technik. Branchenneulinge sorgen sich jedoch um ihr Fachwissen.
"Die Routinearbeit ist mehr als nur ein Initiationsritus, sie hilft Anfängern, die Grundlagen zu erlernen. Analysten bauen so über die Jahre das nötige Selbstvertrauen auf, um sich später gegenüber Kunden zu behaupten", meldet Bloomberg. Viele befürchten auch Wissenslücken aufgrund mangelnder Routine. Auch hier ist der Mensch unersetzbar.