Harte Hand gegen Demonstranten
Die Energie- und Klimawochenschau: Während die UNO die Katastrophenopfer zählt und die Verhandlungen weiter stocken, geht Dänemarks Polizei gegen Demonstranten und Journalisten vor
In Kopenhagen ist am Montag der UN-Klimagipfel in seine heiße Schlussphase getreten. Schon am Wochenende waren zahlreiche Umweltminister angereist, was einmalig früh ist. Für gewöhnlich kommen die Minister, wenn überhaupt, erst drei Tage vor Abschluss der Konferenz und überlassen das Verhandeln ansonsten den Beamten. Derweil nutzten Weltmeteorologieorganisation WMO und UN-Umweltprogramm UNEP die Gelegenheit, um auf die vielen Opfer hinzuweisen, die durch extreme Wetterereignisse verursacht werden.
Extremwetter ist nichts Neues in der Geschichte der Menschheit, aber dennoch ein Aspekt des Klimawandels: In einer wärmeren Atmosphäre nimmt die Intensität tropischer Wirbelstürme wie auch der Tiefdruckgebiete in den gemäßigten Breiten zu. Die Folge sind nicht nur stärkere Winde, sondern auch heftigere Winde. Noch nicht klar ist allerdings, ob mit dem Klimawandel auch gleichzeitig die Zahl der tropischen Wirbelstürme zunimmt, denn ihr Entstehen hängt nicht nur von ausreichenden Temperaturen, sondern auch von den jeweiligen Windverhältnissen ab.
Der indische IPCC- Vorsitzende Rajendra Pachauri wies in seiner Stellungnahme vor dem Plenum des Gipfels darauf hin, dass auch in einigen Gebieten, die ansonsten von einer Abnahme der Niederschlagsmenge ausgehen können, mit extremen Niederschlägen zu rechnen ist. Das ist für diese besonders tragisch, denn auf ausgetrocknetem Boden fließt das Wasser schneller ab. Die Gefahr schwerer Hochwasser steigt.
Neben Unwettern und Überschwemmungen werden auch Dürren in manchen Regionen zunehmen. Natürlich muss der Mensch diesen Gefahren nicht schutzlos ausgeliefert sein. Man kann Dämme, Rückhaltebecken, Hochwasser sichere Schutzräume bauen. Die Landwirtschaft kann oft mit dem nötigen Wissen an neue Bedingungen angepasst werden, Dörfer können umgesiedelt werden. Doch für all das ist Kommunikation, Wissen, Fachkräfte und vor allem Geld notwendig. Aus diesem Grund sind die Entwicklungsländer in Kopenhagen so sehr erpicht darauf, dass die Industriestaaten den Anpassungsfonds füllen. Die von den USA und Großbritannien vorgeschlagenen zehn Milliarden US-Dollar jährlich für die nächsten drei Jahre wird als vollkommen unzureichend erachtet. Der Bedarf liegt eher bei 150 Milliarden Dollar jährlich.
Frühwarnsysteme
Die ehemalige EU-Umweltkommissarin Margareta Wahlström, die heute Vertreterin des UN-Generalsekretärs für Fragen des Katastrophenschutzes ist, erläuterte bei der Vorstellung des oben erwähnten UNEP-Berichts, welche herausragende Bedeutung extreme Wetterereignisse haben. 2009 seien drei Viertel der knapp 9000 Todesopfer bei Naturkatastrophen auf das Konto desaströsen Wetters gegangen. Insgesamt wurden 55 Millionen Menschen in der einen oder anderen Form stark betroffen, zum Beispiel, in dem sie obdachlos wurden. 17 von 19 Milliarden US-Dollar an ökonomischen Schäden gingen auf das Konto von Unwettern.
"In diesem Jahr zeigen die Statistiken im Vergleich zu früheren Jahren niedrigere Schadenszahlen", so Wahlström. Während von Januar bis einschließlich November 2009 elf Millionen Menschen unter Hochwassern und Überschwemmungen zu leiden hatten, waren es im Vorjahr 45 Millionen und 2007 gar 178 Million. "Das sind gute Nachrichten, aber Extremwetter bleibt ganz oben auf der Liste der Prioritäten und wird in der Zukunft eine große Rolle spielen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist diesen Risiken ausgesetzt", so die Schwedin.
Dabei seien in den Zahlen die Opfer und Schäden, die von Dürren hervorgerufen werden nicht vollständig erfasst. In Kenia mussten in diesem Jahr zum Beispiel 3,8 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfen versorgt werden, weil die Dürre ihre Ernten und damit ihr Einkommen vernichtet hatte. Auch andere Regionen in Mittelamerika, Kolumbien und im westlichen Sahel hätten unter schweren Dürren gelitten.
WMO-Generalsekretär Michel Jarraud betonte angesichts der Opferzahlen, wie wichtig es sei, in Frühwarnsysteme zu investieren. Aufgrund der gemachten Fortschritte sei in den vergangenen Jahrzehnten zwar die Häufigkeit und der ökonomische Schaden der wetterbedingten Naturkatastrophen erheblich gestiegen, aber die Zahl der Todesopfer konnte um den Faktor zehn reduziert werden. Doch es bleibe noch viel zu tun. Von den 189 Mitgliedsländern der WMO seien 60 Prozent nicht ausreichend ausgestattet, um ihre Bevölkerungen rechtzeitig vor heranziehenden Naturkatastrophen warnen zu können.
Was erreicht werden könnte, zeigten die Beispiele Kuba und Bangladesch. 2008 seien fünf Hurrikane über Kuba hinweg gezogen, aber aufgrund rechtzeitiger Warnungen und Vorbereitungen nur sieben Menschen gestorben. Ein Jahr zuvor hatte die Super-Zyklone Sidr - das gleiche Wetterphänomen wird im Atlantik Hurrikan, im indischen Ozean Zyklon und vor Ostasien Taifun genannt – 3.500 Menschenleben gefordert. Das ist immer noch viel, aber 1970 und 1991 waren bei vergleichbaren Ereignissen 300.000 und 191.000 Todesopfer zu beklagen.
Polizeistaat statt Klimaschutz
Während die Industrieländer auf dem Klimagipfel immer noch wenig Entgegenkommen zeigen (siehe zum Beispiel Röttgen wird Verhandlungsführer in Kopenhagen oder Blockade der Verhandlungen hält an), gehen draußen auf der Straße die Proteste weiter. Dänemarks Polizei erweckt dabei mit ihrem harten Vorgehen gegen friedliche Demonstranten den Eindruck, dass in dem einst für seine Gelassenheit und Freizügigkeit bekannten skandinavischen Land Bürgerrechte nicht mehr viel zählen.
Wie berichtet hatte es am Samstag in der dänischen Hauptstadt die vermutlich größte Demonstration ihrer Geschichte gegeben. 100.000 Menschen hielten den Regierungen entgegen "Bla, bla, bla - act now". Am gleichen Tag kam es auch in verschiedenen australischen Metropolen zu Großdemonstrationen für Klimaschutz. Rund 50.000 sollen sich beteiligt haben. Auch in Indiens Hauptstadt Neu Delhi demonstrierten mehrere Tausend Menschen, um von der dortigen Regierung stärkere Anstrengungen im Klimaschutz zu fordern.
Am Rande der Kopenhagener Demonstration gab es einige Aktionen einer kleinen Gruppe militanter Klimaschützer, die zusammen mit einer nachfolgenden Massenfestnahme von hunderten Demonstranten die internationalen Schlagzeilen dominieren sollten. Die Festnahmen könnten allerdings noch ein Nachspiel haben. Das Climate-Justice-Netzwerk weist daraufhin, dass die Einkesselung in keinem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Zusammenstößen stand. Tatsächlich wurden die allermeisten der 958 am Samstag festgenommenen am darauf folgenden Tag wieder freigelassen, ohne dass Anklagen erhoben worden wären.
Die britische Zeitung Guardian schreibt, dass dänische Menschenrechtsgruppen von ihrer Regierung eine sofortige Untersuchung des Vorgehens der Polizei fordern. Die 300 bis 500 am Samstag Eingekesselten hatte man über zum Teil vier Stunden und mehr gezwungen, auf Matten auf dem Boden zu sitzen, und zwar bei Temperaturen knapp über Null Grad. Ihnen waren dabei die Hände auf den Rücken gefesselt worden, außerdem mussten sie sich in einer Reihe anordnen, die Beine spreizen und sich jeweils gegen den Vordermann lehnen. Betroffene beschreiben die Prozedur im Guardian als sehr schmerzhaft (Bilder hier, hier und hier).
Es ist absolut empörend, dass die Polizei auf diese extreme Art auf eine unglaublich familienfreundliche Demonstration reagiert. Das war eine Verletzung des Rechts zu protestieren und ein Schritt in Richtung des Zusammenbruchs der Demokratie. Es geht um die wichtigste Frage unserer Zeit und die Menschen müssen dazu gehört werden, anstatt sie zu kriminalisieren.
Deborah Doane, Direktorin des World Development Movement
Während rund um den Globus die Schlagzeilen von diesen Verhaftungen und den zerbrochenen Scheiben dominiert wurden, waren zurückgekehrte deutsche Teilnehmer am Sonntag überrascht über die Berichterstattung. Wenn sie nicht in unmittelbare Nähe der Vorfälle waren, hatten sie nichts als eine riesige, friedliche Demonstration gesehen. Oder wie Alex Pasternack es in seinem Treehugger-Blog beschreibt: Wer nicht in Kopenhagen gewesen ist, konnte leicht zu der Annahme kommen, dass es bei der Demo nur um Gewalt und Zorn ging.
Die Proteste gingen unterdessen auch am Sonntag und Montag weiter. Mehrere tausend Teilnehmer besuchten den Alternativgipfel, der schon seit Montag letzter Woche tagt, und lauschten den zahlreichen Vorträgen, in denen es zum Beispiel um "Kubas Energierevolution", die Kritik am Emissonshandel, kommunalen Klimaschutz, die Rolle der Wälder oder um die umstrittene CCS-Technologie ging.
Am Sonntag sollte im Kopenhagener Hafen gegen die Verursacher der Treibhausgasemissionen aus Industrie und Energiewirtschaft demonstriert werden. Doch dazu kam es nicht so richtig. Augenzeugen berichten von erneuten aggressiven Maßnahmen der Polizei. Wiederum wurden rund 200 Menschen "vorbeugend" unter den gleichen entwürdigenden Bedingungen festgenommen. Auch gegen Journalisten wurde mit Pfefferspray vorgegangen, heißt es in einem Bericht. Welch schwere Straftaten die Polizei mit ihrem martialischen Aufgebot zu verhindern weiß, zeigte sich am Freitag, als sie 250 Liter Speiseöl aus einem französischen Bus beschlagnahmen musste, die wahrscheinlich zum Basteln von Brandsätzen oder ähnlichem gedacht gewesen sein müssen.
Ebenfalls am Sonntag sprach Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika, dem seinerzeit für seinen Beitrag im Kampf gegen die Apartheid der Friedensnobelpreis verliehen wurde, auf einer Bühne vor dem Rathaus. Tutu ist einer von zahlreichen hohen religiösen Würdenträgern, die nach Kopenhagen gekommen sind, um die Regierenden zu mehr Klimaschutz zu drängen.
Menschen müssen für etwas bezahlen, was sie nicht verursacht haben. Tausende von Menschen in aller Welt sterben aufgrund von Armut, verursacht durch die Emissionen der reichen Länder. (...) Gebt uns nicht eine politische Resolution (a political agreement), gibt uns ein verbindliches Abkommen. (...) Wir werden entweder alle Gewinner oder alle Verlierer sein.
Desmond Tutu
Der Beitrag der Windenergie
Eigentlich ist die Vorgabe der Wissenschaftler ziemlich klar: Die globalen Treibhausgasemissionen dürfen nur noch bis etwa 2015 weiter steigen. Spätestens 2020 muss wirklich Schluss sein, anders wird nicht einmal das Zwei-Grad-Ziel, das für die kleinen Inselstaaten schon schlimm genug sein wird, erreicht werden. Vorbedingung ist dafür, dass die Industriestaaten, die so genannten Annex-I-Staaten, bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent gemessen am Niveau von 1990 reduzieren. Das ist auch der Hintergrund der entsprechenden Forderungen der Entwicklungsländer an den reichen Norden.
Das ist doch alles gar kein so großes Problem, meinen der Global Wind Eenergy Council (GWEC) und UNEP-Chef Achim Steiner. Der Ausbau der Windenergie könne in den Industrieländern allein schon ein Fünftel zu einer Reduktion von 40 Prozent beitragen. Bei 25 Prozent wären es sogar ein Drittel. Wenn zusätzlich noch die Energieeffizienz erhöht würde - Deutschland hat zum Beispiel gewaltige Potenziale bei der Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung - und andere erneuerbare Energieträger entwickelt würden, dann wären die Ziele durchaus zu erreichen.
Im ehrgeizigsten der durchgerechneten Szenarien könnte Windenergie in den Industrieländern 2020 bereits 2.600 Milliarden Kilowattstunden Strom - etwa das Fünffache des derzeitigen deutschen Verbrauchs, der nach Plänen der Bundesregierung abgesenkt werden soll - liefern, was 1,5 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen einsparen würde.