Hass auf Israel: Antisemitismus und Antizionismus in der Charta der Hamas

Demonstration zum 25. Jahrestag der Hamas, 2012. Bild: farsnews.ir, CC BY 4.0 DEED

Feindschaft gegen Juden prägt auch islamistische Diskurse. Charta der Hamas fordert Palästinenserstaat – und ruft zur Tötung von Juden auf. Eine Fallstudie.

Armin Pfahl-Traughber hat diesen Text bereits im Jahr 2011 auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht. Später veröffentlichte die Hamas eine weitere Charta, worauf auch Telepolis-Autorin Karin Leukefeld verweist. Das hier behandelte Grundsatzdokument wurde damit jedoch nicht verworfen.


Die Feindschaft gegenüber den Juden und der Zerstörungswille gegenüber Israel prägen zahlreiche islamistische Diskurse. Hierbei handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen. Neu hingegen ist die kritische Aufmerksamkeit in der westlichen Öffentlichkeit für solche Positionen.

Anhand der programmatischen Charta der "Hamas" soll aufgezeigt und untersucht werden, wie sich judenfeindliche Positionen im islamistischen Diskurs wiederfinden. In dem Text von 1988, der mittlerweile auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt, findet man die grundlegenden Auffassungen und Ziele der Organisation.

Hierzu gehören auch Kommentare zu den Juden und Israel, welche als erklärte Feinde der "Hamas" gelten. Hier sollen dazu zwei Fragen beantwortet werden: Aus welchen geistigen und kulturellen Traditionen leiten sie sich ab? Und: Welche Konsequenzen verbinden sich damit bei einer Umsetzung für die Juden und den Staat Israel?

Die Hamas als islamistische Organisation

"Hamas" steht in der arabischen Sprache für "Eifer" oder "Engagement". Gleichzeitig handelt es sich um eine Abkürzung für "Harakat al-muqawama al-islamiya" ("Bewegung des islamischen Widerstandes").

Das Emblem der Organisation zeigt u.a. eine Karte vom heutigen Israel mit dem Gaza-Streifen und Westjordanland, was vollständig für das zukünftige Palästina beansprucht wird. Damit artikuliert sich bereits eine politische Grundposition der Organisation, die als palästinensischer Zweig der "Muslimbruderschaft" erstmals 1987 unter ihrer heutigen Bezeichnung öffentlich auftrat.

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber ist Politikwissenschaftler und Soziologe.

Zunächst beschränkte man sich auf soziale Arbeit und religiöse Propaganda. Erst nach der ersten Intifada ging die "Hamas" zur Gewaltanwendung über, was sich auch in zahlreichen Selbstmord-Anschlägen zeigte. Bei den Wahlen 2006 erhielt man als Partei die absolute Mehrheit der Mandate im palästinensischen Legislativrat.

Der Text der Hamas-Charta als Quelle

Bei der am 18. August 1988 erstmals veröffentlichten Charta der Hamas handelt es sich um einen Text, der in der hier zitierten deutschsprachigen Übersetzung zwanzig eng bedruckte Seiten umfasst.

Die mit Kapitelhinweisen und Seitenzahlen im Folgenden belegten Zitate entstammen folgender Übersetzung: Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas (aus dem Arabischen von Lutz Rogler [Redaktion INAMO, Berlin]), in: Helga Baumgarten, Hamas. Der politische Islam in Palästina, München 2006, S. S. 207-226.

Zwischen der Präambel und dem Schlusswort finden sich fünf Kapitel mit 34 einzelnen Artikeln. Dabei entspricht die formale Stringenz der Strukturierung des Textes aber nicht unbedingt auch einer inhaltlichen Stringenz, d. h. entgegen der Ankündigung in den einzelnen Überschriften findet man darunter auch Positionen zu ganz anderen politischen Fragen.

Der Text der Charta der Hamas steht unabhängig vom Ausmaß seiner Verbreitung für das politische Selbstverständnis der Organisation.

Das Bild von Israel und Palästina im Text

Die "Hamas" postuliert, "dass das Land Palästinas ein islamisches Waqf-Land für die Generation der Muslime bis zum Tag der Auferstehung ist". Dies meint, dass es sich bei Palästina um eine Art fromme Stiftung, um ein islamisches Land handelt.

In dieser Perspektive steht die Region vollständig im Besitz der Muslime, und zwar als Ergebnis einer göttlichen Vorgabe. Dies bedeutet für die "Hamas" denn auch: "Weder darf es oder ein Teil von ihm aufgegeben werden noch darauf oder auf einem Teil von ihm verzichtet werden ..." (S. 212, Artikel 11).

Dazu seien weder Organisationen, Regierende noch Staaten berechtigt. Jede Abweichung von diesem Grundprinzip deutet man als Verstoß gegen Gottes Willen. Dies meint auch, dass ein Existenzrecht Israels niemals anerkannt werden kann, da es in dieser Sicht gegen die diesbezügliche Deutung des Islam spreche. Als tagespolitische Konsequenz ergibt sich aus dieser Auffassung die Ablehnung jeglicher Friedenslösungen und -verhandlungen.

Die gewaltsame Zerschlagung Israels als Ziel

Das beschriebene Bild von Israel und Palästina bedingt aber nicht nur eine Ablehnung von Friedensgesprächen, sondern auch die Grundposition zur Zerschlagung des Staates Israel. Dies deutet sich in der Charta bereits bei der Skizzierung des exklusiven Selbstverständnisses an: "Die Islamische Widerstandsbewegung ist eine einzigartige palästinensische Bewegung, die Gott ihre Treue gibt, den Islam zur Lebensweise nimmt und dafür wirkt, Gottes Banner auf jedem Fußbreit Palästinas zu hissen" ... (S. 210, Artikel 6).

Im Kontext dieser Auffassungen findet man im Text auch immer wieder die Forderung nach einem "Dschihad", wobei hiermit der Aufruf zum gewalttätigen Kampf gemeint ist. So heißt es etwa: "Der Patriotismus ist aus Sicht der Islamischen Widerstandsbewegung ein Teil des religiösen Glaubens, und es gibt im Hinblick auf den Patriotismus nichts Weit- und Tiefgehenderes, als wenn, nachdem der Feind seinen Fuß auf das Land der Muslime gesetzt hat, der Dschihad gegen ihn zu führen" (S. 213, Artikel 12) ist.

Die antisemitische Dimension der antizionistischen Positionen

Die vorgenannten Auffassungen und zitierten Passagen sind keineswegs lediglich antizionistisch gegen Israel. [vgl. Artikel "Antizionistischer Antisemitismus" im Dossier Antisemitismus; Anm. d. Redaktion]

Sie sind auch antisemitisch gegen die Juden gerichtet. Als ein erstes Indiz dafür kann schon die Wortwahl gelten, benennt der Text die feindlichen Akteure doch gerade nicht als "Israelis" und nur selten als "Zionisten".

Vorherrschend ist die Formulierung "Jude" für den jeweiligen Feind. Ferner heißt es an einer Stelle: "Israel ist mit seinem jüdischen Charakter und seinen Juden eine Herausforderung für den Islam und die Muslime" (S. 222, Artikel 28).

Auch direkte Aufforderungen zur Gewaltanwendung im Text lassen deren antisemitischen Charakter erkennen: "Der Gesandte Gottes ... sagt: 'Die Stunde (der Auferstehung) wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen.

Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: Muslim, Oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn', außer der Gharqad-Baum, denn er ist ein Baum der Juden" (S. 211, Artikel 7).

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