Wird der Hausarzt zum Auslaufmodell?

Christoph Jehle
Ärztin mit weißem medizinischen Mantel berät Patientin im Klinikbüro, während beide am Glasschreibtisch sitzen. Die Ärztin hört zu und macht Notizen. Medizinkonzept

(Bild: Volha_R / Shutterstock.com)

Investoren kaufen Hausarztpraxen auf, um Profite zu maximieren. Patienten und Ärzte sind besorgt um die medizinische Versorgung.

Die hausärztliche Versorgung leidet in Deutschland zunehmend unter einem Mangel an Ärzten, die das Risiko einer Praxis als Selbstständige tragen wollen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich die Arbeits- und Abrechnungsbedingungen für die Mehrheit der Patienten, die in der großen Mehrheit Kassenpatienten sind, aus politischen Erwägungen immer wieder verändert und für engagierte Ärzte erschwert.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht wirklich verwunderlich, dass sich Ärzte, die wie Rechtsanwälte oder Architekten zu den freien Berufen zählen, gegen die Übernahme einer eigenen Arztpraxis entscheiden und ihre berufliche Zukunft in der Rolle eines Angestellten mit festen Arbeitszeiten und Urlaubsanspruch sehen.

Andere Länder, andere Optionen

Während Deutschland bislang mehrheitlich auf die im Westen traditionelle medizinische Versorgung durch selbstständige Hausarztpraxen setzt und das östliche System der Polikliniken nicht weiter forciert hatte, sondern mit den Medizinischen Versorgungszentren den privatisierten Klinikkonzernen und ihren Investoren die Möglichkeiten zur Akutversorgung geöffnet hat, sieht die grundlegende medizinische Versorgung der Bevölkerung in Thailand grundsätzlich anders aus.

In dem Schwellenland sichert der Staat in jedem Dorf eine Arztpraxis für die Grundversorgung der einheimischen Bevölkerung. Dazu gibt es in den Städten auch jenseits der Ballungsgebiete private Arztpraxen, die der Patient aus eigener Tasche bezahlt.

Krankenversicherungen, wie sie beispielsweise für Ausländer zwingend vorgeschrieben sind, können bestimmte Krankheiten ausschließen und dann muss man bei einer entsprechenden Diagnose die Kosten vollumfänglich selbst tragen. Wenn das Vermögen aufgezehrt ist, winkt das Ende, weil es keine Behandlungspflicht gibt.

Finanzinvestoren haben die medizinische Betreuung als Geschäftsfeld entdeckt

Inzwischen entsteht den klassischen Arztpraxen jedoch eine wachsende Konkurrenz durch Laborketten, die Hausarztsitze aufkaufen, und Pharmaunternehmen, die onkologische Praxen übernehmen. Aktuell warnt der Bayerische Hausärzteverband davor, dass Investoren in Arztpraxen eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung darstellten.

"In unserem Gesundheitssystem haben sich leider längst investorengesteuerte Arztpraxen etabliert, die rein gewinnorientiert Operationen vornehmen, die völlig unnötig wären", lässt sich Verbandschef Wolfgang Ritter in der Augsburger Allgemeinen zitieren. So würden in München große Laborketten Hausarztsitze aufkaufen. Damit breite sich eine medizinische Versorgung aus, die nicht mehr den chronisch kranken Menschen begleiten und unterstützen will, sondern ausschließlich gewinnmaximiert handele.

Was die Ampel nicht lösen konnte, soll die neue Regierung regeln

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte bereits im Dezember 2022 angekündigt, gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf profitorientierte Ketten von Arztpraxen ergreifen zu wollen. Seitdem ist jedoch nichts passiert und nicht einmal ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor.

Private-Equity-Gesellschaften dominieren weiterhin die ambulante Versorgung, indem sie Arztpraxen zu Ketten zusammenfügen, was in einigen Regionen Deutschlands inzwischen zu monopolartigen Strukturen geführt hat, welche die Patientenversorgung beeinträchtigen, weil mangels Auswahl eine freie Arztwahl faktisch nicht mehr gegeben ist.

Die künftige Bundesregierung will mit dem Primärarztmodell dagegen vorgehen, bei dem der Hausarzt zwingend die erste Anlaufstation vor dem Facharzttermin sein soll. Dieses Modell schließt jedoch alle Vorsorgetermine grundsätzlich aus. Für die Vorsorge kann sich jeder Patient direkt um einen Termin bei einem Facharzt bemühen. Der Patient darf zudem auch in Zukunft ohne Überweisung direkt zum Zahn- oder Augenarzt. Auch Frauen können ohne Weiteres zum Gynäkologen gehen.

Da stellt sich die Frage, ob der Weg über den Hausarzt in diesen Fällen die Patientenversorgung wirklich verbessert oder nur die Hausarztpraxis mit zusätzlicher und unvergüteter Arbeit beaufschlagt.

Hausärztemangel aufgrund des überkommenen Vergütungsmodells?

Um mehr angehende Mediziner für die Allgemeinmedizin zu begeistern, forderte Ritter eine bessere Bezahlung. Es sei aus seiner Sicht ein Unding, dass Radiologen aufgrund ihrer gerätebasierten Untersuchungen zu den bestbezahlten Ärzten gehören, während Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin, die sich ganzheitlich um Patienten kümmern und die etwa das soziale Umfeld mitberücksichtigen und jemanden über Jahre begleiten müssten, bei der Vergütung nur im unteren Drittel lägen.

Solange die Hausärzte jedoch pro Patienten nur eine fixe Vergütung pro Quartal bekommen, die faktisch unabhängig von der Zahl der Praxisbesuche des jeweiligen Patienten ist, dürfte die Leidenschaft der Hausärzte in solchen Fällen doch sehr begrenzt sein.

Hilfreich scheinen hauptsächlich bei der Behandlung von Chronikern derzeit nur die besonderen Programme von Gesetzlichen Krankenkassen, die einen zusätzlichen Betrag für den behandelnden Arzt anbieten, wenn der Patient seine Teilnahme an den jeweiligen Programmen erklärt und sich an die Vorgaben hält. Dies hat im Übrigen nichts mit der umstrittenen elektronischen Patientenakte zu tun.