Hawaiianischer Quirl am Meeresgrund
Eine unterirdische Bergkette und "interne Wellen": die Motoren für die Durchmischung der sauerstoffreichen Oberflächenschicht der Weltmeere
Welche Kraft bringt tiefes Meerwasser an die Oberfläche? 19 Wissenschaftler von sechs Forschungsstätten stellen ihre Lösung in Science vor. Ihr Konzept ist eine "tides-to-turbulence cascade", nämlich das periodische Wechselspiel, an dem die Gezeiten, sowie Wellen, die unter der Oberfläche lange Strecken zurücklegen, und zusätzliche regionale Effekte ihren Anteil haben. Den natürliche Quirl schafft die zerklüftete Oberfläche des "Hawaiian Ridge".
Die Hawaiische Inselkette, gebildet aus den Kuppen von Vulkanen, folgte im stumpfen Winkel dem Rücken der Emperor-Seamounts, einer rund 1000 bis 2000 Meter hohen, untermeerischen Bergkette.
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Meeresforscher haben die Region als einer der Stellen ausgemacht, in der Oberflächen- und tiefes Wasser quasi gerührt werden. "Weit draußen im Meer verhindert die "thermocline" (Verschiebe- oder Sprungschicht) die Vermischung des kalten mit dem warmen Wasser. Wir schätzen den Austausch auf weniger als 10 Prozent," erklärt Thomas B.Sanford, Leiter des Hawaii Ocean-Mixing Experiment. "Anders in Küstennähe. Hier wandert die Thermocline näher zur Oberfläche. Deshalb haben wir schon vor mehr als 10 Jahren mit dem Gedanken gespielt, daß es thermodynamische Kräfte sind, die wie ein Motor die Durchmischung antreiben."
Die "Hawaiian Ridge" hat eine bemerkenswert zerklüftete Oberfläche. Zwischen den Inseln liegen felsige Berge, Sandbänke und Kanäle. Im Unterschied zu vielen kontinentalen Küsten, an denen die Gezeiten die Wellen gegen die Küste treiben, entstehen zwischen den Inseln zahlreiche Wirbel, weil die von Nordosten kommenden Wellen gebrochen werden und in unterschiedlicher Richtung und sich gegenseitig überlagernd weiterziehen. "Das ist aber nur der eine Aspekt, der die Durchmischung im Vergleich zum weiten Ozean 1000fach verstärken kann," erklärt Thomas B.Sanford. "Hinzu kommt ein bemerkenswertes zweites Phänomen, nämlich die internen Wellen (internal waves). Im Unterschied zur sichtbaren Strömung bleiben sie unter der Oberfläche verborgen. Um sie zu erkennen, bedarf es zahlreicher Meßstationen, die regelmäßig ein Profil aus Geschwindigkeit, Temperatur und Salzgehalt erstellen."
14 Meßstellen zeigen, daß die internen Wellen von der Inselkette nach beiden Seiten hin ablaufen. Der mittlere Flux (energy flux) liegt bei 5-10 Kilowatt pro Meter und kann bei kräftiger Flut an einigen Stellen auf das 5-8fache ansteigen. Die internen Wellen reichen in eine Tiefe von mehreren hundert Metern, und der Wellenabstand liegt zwischen 30 bis 300 Metern. Das in den 80er Jahren abgeschlossene Mid-Ocean Dynamics Experiment ließ bereits erkennen, dass die internen Wellen über große Distanzen ziehen. Dabei kommt es zu Umformungen und Verwerfungen der Wasserschichten, weil der anfänglich geordnete Ablauf durch vielerlei Ursachen gestört werden kann. Ein Hügel, ein Krater, ein Bergrücken: die Wellen sind danach nicht mehr, was sie vorher waren. Dennoch erklären solche Auswirkungen nicht die beachtliche Durchmischung in der Nähe der Inselkette.
Auf der Suche nach wirksamen Turbulenzen fuhren die Wissenschaftler mit einem 50-kHz Doppler-Sonargerät das Meer um die Inseln ab. Die Expeditionen bestätigten zum einen mehrfache Verwirbelungen, und zum anderen die Ausdünnung mit größerem Abstand von der Inselkette. Danach folgten weitere detaillierte Beobachtungen mit vier ins Wasser gelassenen Meßsystemen. Nunmehr besteht kein Zweifel am Aufwirbeln. Womit im Wasser gilt, was Lewis F. Richardson 1922 für die Luft formulierte: "Große Wirbel bestehen aus kleinen Wirbeln, die ihre Geschwindigkeit erhöhen. Kleine Wirbel haben noch kleinere Wirbel, bis es viskös wird." Modellhaft (Navier-Stokes Gleichung) kann das Energiegefälle für die "tides-to-turbulence cascade" berechnet werden. Die Forscher glauben, dass ihre Meßdaten in guter Übereinstimmung mit der Theorie stehen.
Der Mischeffekt wirkt sich nah und fern aus: im Bereich des vulkanischen Gebirges und fortgetragen von den internen Wellen in weiter Ferne. Ähnliche Vorgänge werden anderswo ebenso wirksam, am Mendocino Escarpment vor Kalifornien oder im mittleren Atlantik. Reichen die Informationen von den Satelliten nicht? "Nein," erwidert Thomas B.Sanford, "die Mächtigkeit der internen Wellen haben wir erst erkannt, seitdem wir die Wellen bis in die Tiefe untersuchen. Das betrifft ebenso die Turbulenzen. Brauchbare Werte verlangen einen enormen Aufwand."
Gezeiten, die Massenbewegungen des Meeres, kommen durch das Zusammenwirken von Schwer- und Fliehkräften zustande, die bei der Bewegung des Mondes um die Erde und bei der Bewegung der Erde um die Sonne entstehen. Wer an der Küste wohnt, kennt die kräftigen Springtiden bei Neu- und Vollmond, und den geringen Tidenhub bei Halbmond. Auf der nördlichen Hemisphäre kommt noch ein winterliches Plus dazu. Ob dieser Kreislauf einen Pumpeffekt bewirkt?