Hetze im Pausenraum: Wann greifen Chefs endlich ein?
Rassismus am Arbeitsplatz bleibt ein brisantes Thema. Chefs sollen klar Stellung beziehen, fordern Gewerkschaften. Auch für die Politik ist es Zeit für Taten.
Millionen Menschen gehen bundesweit für Demokratie und gegen rechte Hetze auf die Straße. Nicht nur in den Parlamenten oder auf Wahlkampfbühnen, auch in den Betrieben ist rechte Hetze ein Problem.
Es geht um rassistische Nachrichten per WhatsApp, Aufrufe zu Pegida-Demonstrationen am Schwarzen Brett in der Kantine oder Parolen im Pausenraum, in denen etwa Abschiebungen als "Remigration" beschönigt wird. Beim Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen in Potsdam war auch Roland Hartwig dabei, der von 1999 bis 2016 Spitzenmanager beim Chemieriesen Bayer war.
Unternehmen gegen Rechts: Strategien und Herausforderungen
Von Managern wird konsequentes Handeln gefordert. Viele fragen sich, "wie sie mit rassistischem und ausgrenzendem Verhalten in ihrer Organisation umgehen können", beschreibt Eva Stock die Situation in Unternehmen. Sie ist Gründungsmitglied der Kampagne #hrespect, die unter dem Motto "Love HR, hate Racism" Personalverantwortliche gegen Rassismus und Rechtspopulismus sensibilisiert und Gegenmaßnahmen erarbeitet.
#hrespect: Gemeinsam stark gegen Rassismus
Während viele Führungskräfte "ihre Organisation als geschützte Räume" betrachteten, zeigten sich Hetze und Rassismus inzwischen auch in den Betrieben. "Es ist nicht leicht, sich gegen die in den letzten Jahren immer lauter und offener betriebene rechte Hetze zu wehren". Die Aggression von rechts werde "immer aggressiver und brutaler. Schweigen ist aber keine Lösung", so Stock.
Es gehe nicht in erster Linie darum, dass sich Betroffene wehren.
Weiße Personen, die nicht von Rassismus betroffen sind, müssen die Speerspitze gegen rassistische Kommentare oder Übergriffe im Unternehmensalltag bilden. Und das unabhängig von der Hierarchiestufe, denn es geht nur gemeinsam. Gemeinsam und entschlossen gegen Rassismus vorzugehen, stärkt eine demokratische Grundhaltung im Unternehmen und verhindert Spaltung.
Eva Stock
Gewerkschaften fordern klare Positionierung gegen rechte Hetze
Auch Gewerkschafter fordern eine klare Positionierung. "Die IG Metall ist offen für alle, außer für Faschisten, Rassisten und andere Reaktionäre", erklärte Christiane Benner bereits vor ihrer Wahl zur Vorsitzenden der IG Metall. Die Umsetzung dieses Anspruchs erfordere Mut.
"Ich erlebe, dass Betriebsräte das Thema AfD lieber nicht anfassen. Aber wir müssen uns in den Betriebsversammlungen damit auseinandersetzen. Wenn wir uns wegducken, vergrößern wir den Nährboden", sagt Sophie Bartholdy, Gewerkschaftssekretärin der IG Metall in Berlin.
"Die aktuelle Öffentlichkeit gegen die monströsen Pläne der AfD ist Anlass und Möglichkeit, die genannten Zusammenhänge jetzt sofort in den Betrieben und Verwaltungen, in Betriebs- und Personalräten sowie auf Betriebsversammlungen anzusprechen und zur Diskussion zu stellen", erklärt die ver.di-Linke NRW, eine Initiative kritischer Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter.
Sollten "Kollegen ihre Arbeitsplätze und ihre soziale Sicherheit durch Migranten bedroht sehen, stellen wir unsere gewerkschaftlichen Forderungen dagegen". Dazu sollten auch Aktivitäten bei den anstehenden Personalratswahlen in NRW genutzt werden. Allein im Betrieb könne die Gegenwehr aber nicht gelingen.
Die Gewerkschafter erinnern an die "Verantwortung der herrschenden Politik": Die ungleiche Verteilung von Reichtum und die sich verschlechternde soziale Lage vieler Menschen schüre Ängste.
Antidiskriminierungsbeauftragte fordert Handeln
Konkret helfen könnte ein Verbandsklagerecht gegen Diskriminierung, sagt die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman. Nach ihren Änderungsvorschlägen könnten Gewerkschaften und Betriebsräte gegen Unternehmen klagen, die Rassismus im Betrieb dulden.
Ataman hat klare Forderungen an den Gesetzgeber: "Während Millionen Menschen im Land Solidarität zeigen, kommt von der Bundesregierung und demokratischen Parteien fast nichts, außer ein paar Lippenbekenntnisse". Viele Betroffene hätten "den Eindruck, dass die Politik nichts für sie tut und ihre Ängste und Sorgen nicht ernst nimmt", so die Beauftragte.
Dies zeige sich auch bei den Antidiskriminierungsmaßnahmen. Die Bundesrepublik habe eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa. Gemeint ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, das seit 2006 in Kraft ist.
Es soll gegen Rassismus wirken und Benachteiligungen etwa wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder einer Behinderung verhindern und beseitigen. Ideen für eine Novellierung gibt es schon lange.
Auch die Bundesregierung hat eine Überarbeitung versprochen. Laut Koalitionsvertrag will die Ampel-Koalition handeln: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten".
Im "Bündnis AGG Reform – Jetzt!" arbeiten zivilgesellschaftliche Organisationen vom Deutschen Behindertenrat (DBR) bis zur Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) zusammen und fordern wirksamere Regelungen.
Die Vorschläge von Ataman liegen seit Sommer letzten Jahres vor. Sie umfassen sowohl grundlegende Änderungen als auch punktuelle Neuerungen, wie ein Verbot diskriminierender Wohnungsanzeigen. Die veraltete Formulierung "aus Gründen der Rasse" soll durch "aufgrund rassistischer Zuschreibungen" ersetzt werden.
Wichtig ist die Erweiterung der Rechte der Betroffenen. Regelt das AGG bisher nur Diskriminierungen im Arbeitsleben oder etwa bei Vermietungen, soll der Geltungsbereich auf staatliches Handeln ausgeweitet werden.
"Der Staat ist Vorbild. Es kann nicht sein, dass an ein Wirtschaftsunternehmen oder einen Supermarkt höhere Maßstäbe angelegt werden als an Ämter, Polizei oder Justiz", so Ataman. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen soll erleichtert werden – und zwar durch ein Verbandsklagerecht, mit dem Verbände oder Gewerkschaften die Rechte einzelner Betroffener durchsetzen können.
"Das AGG macht es Menschen, die Diskriminierung erfahren, schwer, dagegen vorzugehen und sich zu wehren", sagte Ataman. "Gerichtsverfahren sind oft langwierig und teuer." Mit besseren Klagemöglichkeiten läge die Prozesslast nicht mehr allein bei den Diskriminierten. Die Fristen, innerhalb derer Ansprüche wegen Diskriminierung geltend gemacht werden können, sollen deutlich verlängert werden.
Atamans Vorschläge liegen Bundesjustizminister Marco Buschmann vor, der bislang noch keinen Gesetzesentwurf vorgelegt hat. "Anfragen von Antidiskriminierungsverbänden blockt er offenbar ab", bemängelt Ataman. "Sogar jetzt, wo Millionen Menschen auf die Straße gehen und Gesicht zeigen für Minderheitenschutz". Ataman sieht die Bundesregierung insgesamt gefordert.
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