zurück zum Artikel

Hier sieht's aus wie im Schweinestall

Zur Ästhetik von MySpace-Seiten

Im Zeitalter des interaktiven Graswurzel-Internets 2.0 mit einem weltweit ständig wachsendem Anteil von Breitband-Flatline- Usern scheint auf den Cyberspace eine Umweltkatastrophe [1] bisher ungeahnten Ausmaßes zuzurollen. Die ästhetische Ordnung des digitalen Mietrechts muss wohl dringend verschärft werden und MySpace hat ja anscheinend bereits auch leicht übereifrig [2] damit begonnen.

Die Idee des Credos „Anyone can do it“ fasziniert kulturbeflissene und basisdemokratisch-progressiv denkende Zeitgenossen spätestens seit der mythischen Punkrock-Explosion von 1976/77. Da aber aus „Anyone can do it“ im Internet-Zeitalter ein „Anyone must view it“ geworden ist, sieht man sich heutzutage auch einer rapide wachsenden Zahl zweifelhafter digitaler Genüsse [3] ausgesetzt. „Mehrheit ist der Unsinn“, wusste schon der alte Libertär Friedrich Schiller kritisch anzumerken.

Gerade die Homepage-Sammelstelle MySpace [4] stellt heute im Second Life vieler Internet-User neben Chat-Räumen und Foren einen zentralen Bezugspunkt dar. Auch klassische Medien zollen dem Phänomen ihren Tribut. In der Juni-2006-Ausgabe des US-Playboy gab es bereits fleischgewordene "Women of MySpace" [5] zu bestaunen und auch ein Film namens "MySpace The Movie" [6] wurde abgedreht.

Was darin zu sehen ist erfreut das Auge jedoch zweifellos mehr als die digitalen EinRaum-Wohnungen vieler Erdenbürger. Gemäß dem alten Motto „Lieber zuviel als zuwenig“ des legendären Indie- Labels ZickZack versuchen ambitionierte UserInnen zum Teil ihre ganze Welt in Bildern auf eine Seite zu packen. Und befeuert durch diverse Spezialseiten wie Pimp MySpace [7] oder Bigoo.ws [8] mit Tools für MySpace- Amateure gelingt es ihnen meist nicht über eine krude Messie- Mischung aus Poesiealbum und chaotischem Jugendzimmer hinauszukommen. Selbst gestandene 45-jährige Frauen erweisen sich manchmal auch im Cyberspace als allzu junggebliebene [9] Gänseblümchen-Zupfer und Konkurrentinnen pubertierender Töchter.

Es geht auch anders: Diese reife glamouröse MySpace-Matrone zeigt dem geneigten Besucher in aller Ausführlichkeit [10] wo die Melonen wachsen. Wer es noch etwas reifer mag bzw. sich für Gruftie-Schwarzkittel interessiert, die offensichtlich jahrzehntelang gut konserviert in Grüften verbracht haben (man vergleiche Alter und Foto), der begeistert sich für solch skurrile Seiten [11]. Eine andere dunkle Lady überträgt ihre Lebenseinstellung bei der Gestaltung der MySpace-Seite [12] fast zu sehr true to herself. Wenn man nur etwas sehen könnte....

Aber auch Männer haben so ihre Schwierigkeiten mit finsteren Neigungen. Manche zeigen sich – vermutlich nach dem Genuss von viel zuviel albanischem Gangster-Rap – unverblümt als spinnerte Waffennarren erster Güte [13] und stellen eine imposante Galerie von der Größe mittlerer UCK-Arsenale ins Netz. Da bleibt („I hate readin´“) fürs Lesen der Waffenscheine natürlich keine Zeit mehr. Ähnlich abseitigen Missbrauch von MySpace-Webspace findet man bei diesem morbiden Liebhaber von Frauenfüßen [14]. Da gibt es doch bestimmt ansprechender aufgemachte und strukturierte Spezialseiten für mittelalterliche Barfußdoktoren!

Mehr sleazy Chaos verbreitet diese Liebhaberin von japanischen Hentai-Porno-Comics [15] bei der sogar ein hardcoriges Bildchen bisher ungestraft durchgeht. Noch mehr Hardcore, aka HipHop-Obszönitäten, pflastern die Seite juveniler Deliquentinnen [16] zu. Da geben sich gereifte 45-jährige Oldschool-Flygirls [17] schon deutlich seriöser. Mit dieser betont schlampigen Zeitgenossin scheint dagegen der Pulp-Fiction- Maniac [18] schon gehörig durchgegangen zu sein.

Einen der Höhepunkte des kreativen MySpace-Chaos dürfte jedoch die Seite dieser Anhängerin der ostdeutschen Geisterbahn-Rocker Rammstein [19] darstellen. Man könnte sich auch vor einen Turm aus Marshall-Verstärkern und Monitoren stellen. Ahnungslos im Internet surfende Senioren und sonstige physisch labile Personen sollten tunlichst den Ton am PC herunterdrehen! Sonst droht unweigerlich Shock and Awe.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3410474

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,469972,00.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Bart-Simpson-Child-Fucker-3410461.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Die-Buehnen-des-Mobs-und-der-Wichtigtuer-3409816.html
[4] http://www.myspace.com/
[5] http://www.playboy.com/girls/sex/features/girlsofmyspace/
[6] http://www.davidlehre.com/myspace/play.htm
[7] http://www.pimpmyspace.org/
[8] http://www.bigoo.ws/
[9] http://www.myspace.com/fpobi
[10] http://www.myspace.com/chipsyqueen
[11] http://www.myspace.com/violetdrug
[12] http://www.myspace.com/66ladybathory66
[13] http://www.myspace.com/alexshqiptare
[14] http://www.myspace.com/erdgeist
[15] http://www.myspace.com/girlfromhell
[16] http://www.myspace.com/thareal1982
[17] http://www.myspace.com/missshakur01
[18] http://www.myspace.com/ueberschlampe
[19] http://www.myspace.com/hexerammstein