Hilft Moskau der in Belarus inhaftierten jungen Russin?
RyanAir-Affäre: Russische Medien sehen Verhaftung der Freundin des Bloggers Protasewitsch kritischer als dessen Festsetzung. Eine russische Intervention ist aber kaum öffentlich denkbar
Mit Sofia Sapega hat die belorussische Regierung im Zuge ihres RyanAir-Coups auch eine junge Russin verhaftet, deren ungewisses Schicksal nun viele ihrer Landsleute bewegt. Die 23jährige ist politisch bisher kaum in Erscheinung getreten. Der Kreml gerät durch die Unzufriedenheit im eigenen Land mit ihrer wohl längerfristigen Festsetzung in eine Zwickmühle.
Russlands Rolle im RyanAir-Skandal
Als einziges Land steht aktuell Russland der Regierung von Belarus bei, wenn es um die Umleitung eines RyanAir-Flugs in die belorussische Hauptstadt Minsk am 23. Mai geht. Im Zuge der außerplanmäßigen Landung in Minsk wurde der oppositionelle Blogger Roman Protasewitsch verhaftet. Auch in Moskau sind viele überzeugt, dass das Abfangen der Maschine über weißrussischem Luftraum wegen einer vorgeblichen Bombendrohung eine Aktion des Belarus-Geheimdienstes KGB war, um Protasewitsch festsetzen zu können.
Das Schicksal von Protasewitsch, der vielen Russen als prowestlicher Nationalist gilt, geht dabei der Mehrheit der Menschen zwischen Kaliningrad und Kamtschatka nicht sonderlich nahe. Doch ein anderer Umstand bewegt sie wesentlich mehr: Gemeinsam mit Protasewitsch wurde auch seine 23jährige Freundin Sofia Sapega, die russische Staatsbürgerin ist, aus dem Flugzeug heraus in Untersuchungshaft genommen. Auch ihr droht nun eine mehrjährige Haftstrafe.
Anklage gegen Sofia Sapega
Hier kamen schnell Fragen in russischen Zeitungen auf, warum Sapega eigentlich in Minsk einsitzt. Im Gegensatz zu Protasewitsch gehört sie nicht zu den bekannten Gesichtern der belorussischen Opposition und begleitete den Aktivisten auf seiner Reise privat, seit sechs Monaten sind die beiden laut russischen Medienberichten ein Paar. Zwei Tage ließen die weißrussischen Behörden die Öffentlichkeit auch über die Haftgründe im Unklaren. Sapega studiert an einer litauischen Universität und steht dort kurz vor dem Masterabschluss.
Erst am Dienstag kam es erstmals zu einem Kontakt ihrerseits mit der Russischen Botschaft vor Ort und am gleichen Abend wurde von den Behörden bekannt gegeben, warum man sie offiziell festhält. Wie andere zuvor verhaftete Oppositionelle erschien von Sofia Sapega in einem regierungsnahen belorussischen Kanal ein Video, in dem sie bestätigte, Herausgeberin des Social Media Channels "Black Book of Belarus" zu sein, einem Tochterprojekt ihres Lebensgefährten.
Dort habe sie Veröffentlichungen vorgenommen, die eine negative Haltung gegenüber der Regierung in Minsk erzeugen und deren Autorität untergraben, teile eine Pressesprecherin des Russischen Innenministeriums mit. Als Tatzeitraum gelten die Oppositionsproteste in Belarus im August und September 2020. Ähnliche Videos mit Selbstbezichtigungen hat es in Weißrussland bereits nach mehreren Verhaftungen im Zuge der Oppositionsproteste gegeben - sie werden nach Augenzeugen im drohenden Beisein von Vertretern der Staatsmacht gedreht.
Zweifel an Sapegas Haftgründen
Diese Auskunft befriedigte die Zweifler in Russland nicht - denn für viele Russen steht der Verdacht im Raum, dass Sofia Sapega nur einsitzt, um wirksamer Druck auf ihren Lebensgefährten Protasewitsch ausüben zu können. Die Zeitung Kommersant zitierte in diesem Zusammenhang den russischen Juristen Mansur Gilamow, der meinte, dass derartige Handlungen in Russland mit einer Höchststrafe von zwei Jahren bestraft werden würden und eine Untersuchungshaft nach russischem Recht nicht rechtfertigen könnten - die nun schon für zwei Monate angeordnet wurde. Dennoch beschränkte sich die russische Regierung bisher auf die konsularische Unterstützung Sapegas und forderte nicht ihre Freilassung.
Nicht nur Sofia Sapegas privates Umfeld in Russland gibt sich damit nicht zufrieden. Gegenüber dem russischen Dienst der BBC gab Sapegas Mutter Anna Duduitsch an, ihre Tochter habe sich im fraglichen Zeitraum bereits gar nicht in Minsk, sondern in Litauen aufgehalten und konnte sich so nicht an Protestaktionen vor Ort beteiligt haben. Auch der staatlich-russische TV-Sender Rossija24 befragte Frau Duditsch zur Inhaftierung ihrer Tochter. Hier sagte sie aus, ihre Tochter sei an keinen politischen Aktivitäten beteiligt gewesen. Sie habe sich auf ihr Studium konzentriert.
Ihr Vater bezeichnete Sapega im TV-Sender Doschd als unpolitische Person, die eine schwierige private Beziehung mit den oppositionellen Blogger gehabt habe. Auch außerhalb des familiären Umfelds regte sich schnell Solidarität mit der jungen Frau. Eine russische Petition für ihre Freilassung wurde innerhalb kürzester Zeit von 1.400 Menschen unterzeichnet.
Intervention von Putins Menschenrechtsrat
Die widersprüchliche Sachlage führten schließlich dazu, dass sogar der Menschenrechtsrat beim Russischen Präsidenten an Außenminister Sergej Lawrow herantrat und um Unterstützung für die Rückkehr der jungen Frau nach Russland bat. Die Hoffnung darauf ist nicht unbegründet, da auch andere im Zuge der Oppositionsproteste verhaftete Russen nach kurzer Zeit wieder freigelassen wurden.
Der Unmut ging schließlich soweit, dass auch Kreml-Sprecher Peskow auf den Fall Sapega angesprochen wurde. Seine Antwort war sehr zurückhaltend und für die Angehörigen der jungen Frau nicht sonderlich hoffnungsvoll. Peskow forderte nicht die Freilassung seiner Landsfrau, sondern sicherte ihr lediglich konsularische Betreuung zu und äußerte unbestimmte Hoffnung auf eine baldige Freilassung. Das ist insbesondere deshalb eine recht schwache Auskunft, da ein machtvolleres Wort des Verbündeten aus Moskau die Minsker Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer baldigen Freilassung der jungen Russin bewegen würden.
Es ist aber generell unwahrscheinlich, dass ein solches Wort öffentlich fällt. Zu stark hat sich der Kreml bereits auf die öffentliche Unterstützung Lukaschenkos in der Affaire rund um den RyanAir-Flug festgelegt und sichtbarer Druck auf den Verbündeten in Minsk passt da nicht ins Bild. So können die Angehörigen von Sofia Sapega nur hoffen, dass die harte, politisch motivierte Anklage der jungen Frau nicht zu einer langen Haftstrafe in einem belorussischen Gefängnis führen wird. Sollten russische Offizielle hier noch dagegen intervenieren, so wird das aber im aktuellen geopolitischen Klima mit Sicherheit hinter verschlossenen Türen und so unauffällig wie möglich erfolgen.
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