Historische Anklage gegen Trump birgt Gefahr des Bürgerkriegs

Seite 2: Mögliche Folgen eines Schuldspruchs

Dem 76-jährigen Trump drohen diverse andere Verfahren, u.a. wegen Behinderung von Wahlen und Anstiftung zum Angriff auf den Kongress am 6. Januar 2021, Versuchen, das Wahlergebnis 2020 im Bundesstaat Georgia zu kippen, Aufbewahrung geheimer Unterlagen, wegen unterschiedlicher geschäftlicher Aktivitäten und einer Verleumdungsklage der Schriftstellerin Elizabeth Jean Carroll hinsichtlich einer angeblichen Vergewaltigung, die Trump bestreitet.

Es gibt aber durchaus auch Bedenken von Trump-Kritikern, die auf die Folgen eines Schuldspruchs hinweisen. So sei zwar zweifelsfrei aus rechtlichen Gründen geboten, den Ex-Präsidenten vor Gericht zu stellen, so Linguist, politischer Kommentator und Dissident Noam Chomsky im Interview mit Telepolis vor einigen Monaten. Doch die Auswirkungen müssten bedacht werden:

Beim derzeitigen Zustand, dem gesellschaftlichen Kollaps und der chaotischen Verhältnisse, der nicht zuletzt auf den neoliberalen Angriff zurückzuführen ist, könnte ein Schuldspruch durchaus zu einem verheerenden Bürgerkrieg führen. Die Optionen – Verurteilung ja oder nein – sind beide schlecht. Die Frage, die man sich stellen muss, ist, welche die weniger schlechte ist.

Auch der ehemalige Arbeitsminister in der Regierung von Bill Clinton, Robert Reich, sieht diese Gefahren. So sagte Trump in seiner ersten Wahlkampfrede im texanischen Waco letzten Samstag vor Tausenden von Anhänger:innen:

Sie sind nicht hinter mir her, sondern hinter Euch. Aber Ihr werdet Recht bekommen und stolz sein.

Trump arbeite, so Reich, zunehmend daran, sich und seine Fans zu einer "Wir"-Einheit zusammenzuschweißen – und jeden, der dagegen sei, als "Die" zu brandmarken.

Aber Trump lässt sich auf diese Fusion nicht ein, um als Präsident wiedergewählt zu werden. Selbst wenn es ihm helfen sollte, die Nominierung der Republikaner zu gewinnen, wird er damit die Parlamentswahlen verlieren, denn es wird alle Republikaner, die sich auf reale Themen konzentrieren oder die befürchten, dass er verrückt ist, abschrecken, und es wird die Unabhängigen zur Flucht bewegen.

Es ginge ihm um etwas anderes: "Das schmutzige kleine Geheimnis von Trumps dritter Präsidentschaftskampagne – das die Medien bisher ignoriert haben – ist, dass er nicht Präsident der Vereinigten Staaten werden will, zumindest nicht der Vereinigten Staaten, wie sie jetzt organisiert sind."

Vielmehr wolle er Führer einer faschistischen Nation werden. Solange aber die US-Ökonomie nicht in tiefe Rezession falle oder Joe Biden wegen Gesundheitsproblemen nicht antreten könne, werde ihm das nicht gelingen, glaubt Reich.

Trump will und erwartet einen Bürgerkrieg um seine Person, einen endgültigen Zusammenstoß zwischen Amerikanern, die ihn lieben, und Amerikanern, die ihn verabscheuen – zwischen seinen egomanischen Ansichten von Gut und Böse. Ein Bürgerkrieg ist zwar unwahrscheinlich, aber die nächsten anderthalb Jahre werden angespannt sein – ein weiterer Stresstest für die amerikanische Demokratie.

Ex-Staatsanwältin Annemarie McAvoy sagte dem ARD-Studio New York, dass Trump für die laufende Anklage für vier Jahre ins Gefängnis kommen könnte. Aber, auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist und von den Republikanern wohl nicht geduldet würde, könnte er theoretisch von dort aus für das Präsidentenamt kandidieren.

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