Hitze, Stürme, Klimawandel: Ungemütliche Alpen?

Frank Jödicke
Überschwemmung in den Alpen

Foto: AleMasche72, Shutterstock

Der Klimawandel macht sich im Tourismus bemerkbar. Städte wie Athen gelten schon als zu heiß. Da sind die Alpen attraktiver – aber auch hier steigen die Temperaturen.

Unweit des Wiener Stephansdomes probte am Sonntag ein französischer Jugendchor. Plötzlich brach eine der Sängerinnen zusammen, andere Jugendliche begannen zu hyperventilieren. Ein Großeinsatz der Wiener Feuerwehr mit 13 Fahrzeugen folgte, weil man einen Kohlenmonoxid-Unfall vermutete. Aber es war nur die Hitze.

Die jungen Sängerinnen und Sänger, gut bei Stimme und voll jugendlicher Widerstandsfähigkeit, hatten zu wenig getrunken und die Hitzebelastung in der Stadt unterschätzt.

Wer diese Tage in einen Wiener U-Bahnschacht hinabsteigt, hat das Gefühl durch eine Wolldecke atmen zu müssen. Einige der Züge werden runtergekühlt, aber auf den Bahnsteigen steht die Luft. Überall zeigt sich, dass Wien dem Klimawandel baulich nicht gewachsen ist.

Für andere Klimate gebaut

Die Stadt wurde schlicht für eine andere Klimazone gebaut. Die Altbauten müssten mit Außenjalousien versehen werden, wie in Neapel oder Palermo. Aber das widerspricht den Denkmalschutzrichtlinien. Auf dem berühmten Michaelerplatz, zwischen Hofburg und Graben, sollen jetzt Bäume gepflanzt werden, um Schatten zu spenden.

Die waren allerdings in 18. Jahrhundert nicht vorgesehen. Der Ensembleschutz und das Bedürfnis nach Kühle spießen sich.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig betont in einer Aussendung, dass sich der Grünanteil der Stadt bereits drei Prozent erhöht hat und tatsächlich werden in allen Bezirken neue Grünflächen angelegt. Auf dem mitgelieferten Pressefoto sieht der Herr Bürgermeister ziemlich angegriffen aus, auch ihm scheint die Hitze zuzusetzen. Das Problem, dass Wien historisch gesehen einer, der am dichtesten bebauten Städte der Welt ist, lässt sich nicht innerhalb weniger Jahre aus der Welt schaffen.

Südliches Flair mit Konsequenzen

Es macht den Charme der Wiener City aus, dass alles so nah beieinanderliegt. Das hat aber eben auch zur Folge, dass Besucher ständig von sehr viel Stein, Beton und Asphalt umgeben sind und der heizt sich eben auf. Die 36 Grad im Schatten, die Mitte Juli erreicht wurden, scheinen auch an etwas kühleren Tagen noch aus den Wänden abzustrahlen.

All das bedeutet nicht, dass die Stimmung im Keller ist. Die Museen werden runtergekühlt und am Donaukanal treffen sich am Abend hunderte Jugendliche, um abzufeiern. Das Italo-Disko-Revival hat Wien erreicht – man kann sehr unterschiedlich auf die Hitzekrise reagieren.

Das südländische Flair tut der Stadt durchaus auch gut. In nahezu jeder Gasse gibt es jetzt Außengastronomie. Die Fernseher von der Fußball-EM hat man nicht weggeräumt und die Alten sitzen jetzt abendlich im Gastgarten und schauen ihre Krimis. Wer Wien im Sommer bereisen will, muss nun allerdings wie für den Besuch einer südländischen Metropole planen: Viel Trinkwasser bereithalten und das Sightseeing-Programm reduzieren.

Hitze, der stille Killer

Katstrophenstimmung nützt niemanden etwas, gleichwohl hilft es auch nicht, die Probleme zu leugnen. Die Hitze ist der "unterschätzte Killer". Während Stürme und Überschwemmungen spektakuläre Bilder liefern, ist der Tod durch Überhitzung still und wird oftmals medizinisch nicht diagnostiziert.

Noch vor zwanzig Jahren waren die Sommernächte in Österreich meist empfindlich kühl. Heute sind "Tropennächte" viel häufiger geworden, bei denen die Temperaturen auch in der Nacht nicht unter zwanzig Grad sinken. Die Belastungen für den Kreislauf sind hoch, die Gefahren von Infarkten steigen.

Wenn die Hitze zunimmt, steigt die Energie im Wettersystem. Stürme werden heftiger, die Intensität der Regenfälle nimmt zu, einfach weil die warme Luft mehr Wasser aufnehmen kann.

Auf die Hitze folgt der Sturm

In der ersten Julihälfte waren einige Stürme so stark und so plötzlich, dass Schwimmer, Surfer und Tretbootfahrer die rettenden Ufer nicht mehr erreichen konnten und von den Booten der Seerettung eingesammelt werden mussten. Das lässt sich nur schwer mit dem Bild beschaulicher, Kärntner Bergseen in Verbindung bringen. Ein bisschen viel Action für den Badeurlaub.

Auch dieses Wochenende war das Bundesland Kärnten wieder Einsatzort für den Zivilschutz. Stromausfälle, unterspülte Straßen und abgeschnittene Ortschaften. Glücklicherweise keine Personenschäden. Das ist die neue Normalität eines österreichischen Sommers.

In der Schweiz, Bayern, Südtirol oder aktuell Slowenien, überall kam es diesen Sommer in den Alpen bereits zu Starkregen, Überschwemmungen, Murenabgängen und unterspülten Straßen. Hier zeigt sich das nicht mehr zu leugnende Bild des Klimawandels: Nicht nur die Häufigkeit der Extremwetter erhöht sich signifikant, auch die betroffenen Ortschaften ändern sich in bezeichnender Weise.

Häufigere und größere Schäden

Früher waren meist neue Siedlungsgebiete von Überschwemmungen und Gerölllawinen betroffen. Dabei mag ein gewisses Maß an Unvernunft mitverantwortlich gewesen sein, weil die Neubauten an einer ungünstigen Stelle errichtet wurden.

Heute hingegen "erwischt" es immer häufiger alte Siedlungen. Wenn ein Haus vier Jahrhunderte von Muren verschont wurde, dann weil es am rechten Fleck errichtet worden war. Mittlerweile scheint aber kaum ein Haus mehr vollständig sicher zu sein.

Die Bodenversiegelung müsste bekämpft werden

Das Problembewusstsein in Österreich steigt jedenfalls. Laut aktueller Studie des WWF sind eine deutliche Mehrheit der Menschen in Österreich für eine Eingrenzung des Bodenverbrauchs. Ob sie damit allerdings eher die Nachbarn meinen oder auch die eigenen Baupläne, wird sich erst zeigen müssen.

Weide- und Ackerland in Bauland zu verwandeln, war in den letzten Jahrzehnten der Austrian Way of Life. Wer nur irgendwie die Spargroschen aufbringen konnte (z. B. durch ein Erbe) baute sich sein "Eigenheimglück" am Land. Ein Kulturwechsel wird schwer durchsetzbar sein. Auch im hereinbrechenden Zeitalter der Klimakatastrophe bleibt das eigene Auto und das eigene Haus Statussymbol.

Dass alle Menschen in dieser Gesellschaft aufgefordert sind, nach Kräften den weiteren Temperaturanstieg zu verhindern, ist längst eine Binsenweisheit. Auch Urlauben kann nachhaltig und ressourcenschonend gestaltet werden. Das heißt nicht notwendig, dass kategorisch Flugreisen ausgeschlossen werden müssen.

Das Risiko tragen die Konsumenten

Aber vielleicht beim nächsten Kurztrip überlegen, ob es wirklich ein Flug sein muss? – Okay, sowohl die Deutsche Bahn, als auch die Österreichischen Bahnen machen einem in diesem Sommer mit zahlreichen Störungen und Zugausfällen die Entscheidung schwer, dennoch bieten sie das ökologisch sinnvollere Produkt.

Ähnlich wie der Wintersport, schlittert auch der Sommerurlaub in den Alpen längst in eine gewisse Krise (die Nächtigungszahlen sind allerdings wieder auf Vorpandemieniveau), denn die neuen Wetterlagen machen den Urlaub ein wenig zur Lotterie.

Die Anpassungsmaßnahmen, wie Überdachung der Kärntner Badeseen mittels "Badehäusern" ist längst verworfen und war wohl schlicht zu kurios. Meist soll die Kultur bei Schlechtwetter einspringen (Burgenbesichtigung!), zur Not hilft der Abstieg in die Tropfsteinhöhle.

Guter Rat für Urlauber teuer

Und wenn es das Schlechtwetter zur Katastrophe wird? Dann ist guter Rat für Urlauber leider teuer. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich genießen Konsumenten nur Schutz vor dem Reiseantritt und auch nur dann, wenn offizielle Reisewarnungen ausgegeben werden.

Wen der Sturm, die unerträgliche Hitze oder die Überschwemmung am Urlaubsort trifft, hat leider Pech gehabt. Soll der Tourismus der bedeutende Wirtschaftsfaktor bleiben, der er ist und auch weiterhin diese große gesellschaftliche Bedeutung haben, dann wird dies wohl politisch bearbeitet werden müssen.