zurück zum Artikel

Hitze in der Stadt: Es droht eine Gesundheitskatastrophe

Hitze insbesondere in Städten nimmt zu. Bild: geralt / Pixabay

Energie und Klima – kompakt: Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Allein in Deutschland gibt es jährlich bis zu 20.000 Hitzetote. Warum sich Städte dringend auf heißeres Klima einstellen müssen.

Der europäische Kontinent erwärmt sich zweimal so stark wie der globale Durchschnitt. Das berichtet die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) am Montag in Dublin in einer per E-Mail ausgesendeten Pressemitteilung.

Die im Schweizer Genf ansässige UN-Organisation stellt den Dachverband der nationalen Wetterdienste dar und organisiert unter anderem seit vielen Jahrzehnten den mehrmals täglichen Datenaustausch zwischen den Ländern. Dadurch werden sowohl Wettervorhersagen als auch Klimastatistiken erst ermöglicht.

Europa würde sich schneller als alle anderen Kontinente erwärmen. Zum Beispiel sei 2022 von Waldbränden, extremer Hitze und Waldbränden gekennzeichnet gewesen, die hohe menschliche, ökonomische und Umweltkosten verursacht hätten. Das gehe aus dem Zustandsbericht für das europäische Klima 2022 [1] hervor, den die WMO gemeinsam mit dem Copernicus-Klimawandeldienst der Europäischen Union veröffentlicht hat.

Der Bericht wurde am Rande der in der irischen Hauptstadt abgehaltenen sechsten European Climate Change Adaptation Conference veröffentlicht, der Konferenz über die Anpassung an den Klimawandel. Diesbezüglich werden die Aufgaben in der Tat immer dringender.

So erwähnt der Bericht die deutliche Übersterblichkeit während der Hitzewellen des letzten Sommers. Große Hitze ist besonders für Ältere und Kleinkinder ein erhebliches Problem und kann zum Tod führen.

Notwendig wäre, dass unter anderem das Gesundheitssystem, aber auch die Schulen und Altenheime besser darauf vorbereitet werden. Immerhin möchte Gesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt einen Hitzeschutzplan aufstellen, wie tagesschau.de berichtet [2]. "Wir müssen feststellen, dass wir in Deutschland gegen den Hitzetod nicht gut aufgestellt sind", wird der SPD-Politiker zitiert.

Jedes Jahr würden hierzulande zwischen 5.000 und 20.000 Menschen an der Hitze sterben. Der Minister will dafür demnächst Fachleute aus der Pflege und den Krankenhäusern an einen Tisch holen.

Die Deutsche Allianz für Klima und Gesundheit, ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Verbänden aus dem Gesundheitssektor, hatte letzte Woche gefordert [3], den Hitzeschutz gesetzlich zu verankern. Hitze sei derzeit das größte durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko in Deutschland.

2022 habe es 4.500 hitzebedingte Todesfälle gegeben. Neben Älteren und Säuglingen seien Schwangere, Menschen mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Obdachlose und Menschen, die Freien arbeiten müssten, besonders gefährdet. Jana Luntz, Präsidiumsmitglied Deutscher Pflegerat dazu:

Machen wir weiter so wie bisher, werden wir die Klimakatastrophe in vollem Ausmaß erleben und parallel dazu auch eine Gesundheitskatastrophe. Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegenden. Wir müssen endlich ins Handeln kommen. Das heißt auch, den professionell Pflegenden Mitspracherecht und Handlungsautonomie zu geben. Ihre Kompetenzen gilt es auszubauen und zu nutzen.

Hitzeschutz hieße allerdings auch, die Städte besser an die Hitze anzupassen, mehr Grünflächen zu schaffen, Versiegelung der Böden, wo möglich, aufzubrechen, mehr Möglichkeiten für das Regenwasser zu bieten, direkt in der Stadt zu versickern.

Verdunstung von Wasser kühlt das örtliche Mikroklima merklich. Daher ist das Fehlen von Grünflächen und die Versiegelung einer der Gründe, weshalb Städte sich mehr als das Umland und insbesondere mehr als Wälder aufheizen.

Paris sollte Vorbild werden

In Paris hat man das verstanden. Anfang Juni wurde dort der Plan "Paris passt sich an" vorgestellt, wie die Zeitung Liberation berichtet [4]. Weiß gestrichene Dächer, Springbrunnen und Begrünung sollen die Seine-Metropole in eine "Oasenstadt" verwandeln, verspricht Dan Lert, der in der französischen Hauptstadt für die "Transition écologique", also den "ökologischen Übergang" verantwortlich ist. Es soll mehr Schatten, mehr Zugang zum Wasser und mehr Frische geben.

Der Zugang zur Seine ist in den letzten Jahren ohnehin bereits erheblich verbessert worden, indem viele Straßen entlang des Flusses für den Autoverkehr gesperrt und zu Fahrradwegen wurden. Auf diese Fahrrad-Politik angesprochen, bezeichnete Berlins ehemalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) solche Konzepte als "Bullerbü", die an der Spree nicht möglich seien. Ihre Stadt sei schließlich keine Kleinstadt.

Entsprechend hat ihr neuer Koalitionspartner von der CDU in einer der ersten Amtshandlungen den Ausbau des Berliner Radwegenetzes gestoppt. Selbst der Ausbau von Tempo-30-Zonen soll stark eingeschränkt werden.

In Paris will man derweil die Dächer weiterer Kindertagesstätten und Bibliotheken weiß streichen, soweit sie nicht zu begrünen sind. Mit einigen Versuchen hatte man im vergangenen Jahr bereits gute Erfahrungen gemacht. Auch sollen vermehrt temporäre Holzdächer und sogenannte Nebelbrunnen aufgestellt werden, die Wasser versprühen.

Entsprechende Anregungen kommen von Städten wie Tunis und Sevilla. Auch Innenhöfe sollen vermehrt begrünt werden.

Dan Lert erwartet, dass im Jahr 2050 das Pariser Klima dem des heutigen Sevilla in Südspanien gleichen wird. Es werde durchschnittlich drei Wochen Hitzewellen in der Stadt geben und dreimal so viele tropische Nächte, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad Celsius sinkt, im Vergleich zu heute. Lert erinnert daran, dass die Île-de-France im Jahr 2022 eine Übersterblichkeit wegen Hitzewellen von 21 Prozent gesehen habe.

Im April hatten die Pariser Behörden einen Anpassungsplan verabschiedet. Demnach sollen bis 2050 40 Prozent der öffentlichen Flächen entsiegelt werden. Außerdem sollen zusätzliche Grünflächen im Umfang von 300 Hektar geschaffen werden.

Lert kann sich mit seiner Prognose auf eine Studie [5] der Eidgenossenschaftlichen Hochschule in Zürich berufen. Diese hatte 2019 Prognosen für das Klima zahlreicher Städte im Jahre 2050 entwickelt.

Danach werden Europas Metropolen um das Jahr 2050 im Sommer durchschnittlich 3,5 und im Winter 4,7 Grad Celsius wärmer sein. Für Berlin wird erwartet, dass es künftig das derzeitige Klima der Hauptstadt Australiens, Canberra, haben und der wärmste Monat des Jahres um 6,1 Grad Celsius wärmer wird.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9192568

Links in diesem Artikel:
[1] https://climate.copernicus.eu/esotc/2022
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lauterbach-hitzeschutzplan-100.html
[3] https://www.klimawandel-gesundheit.de/gesundheitsorganisationen-fordern-hitzeschutz-bundesweit-gesetzlich-verankern/
[4] https://www.liberation.fr/environnement/climat/pour-sadapter-a-la-chaleur-cet-ete-paris-veut-la-jouer-comme-seville-20230606_VP5JRXBPR5FJBJTJLAMILGIBN4/
[5] https://crowtherlab.pageflow.io/cities-of-the-future-visualizing-climate-change-to-inspire-action#210428