Hoch-energetische Neutrinos auf ihren Ursprung zurückführen

Ein Teleskop, tief eingegraben in die Eisschicht am Südpol, liefert grandioses Bild des Neutronensternhimmels

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"AMANDA ist ein wundersames Teleskop, weil wir nicht nach oben, sondern nach unten schauen," erzählen die Astrophysiker von der Universität von Wisconsin-Madison. AMANDA (Antarctic Muon and Neutrino Detector Array) gehört zum Projekt IceCube: ein nationales Projekt mit internationaler Beteiligung, das vornehmlich von der National Science Foundation (NSF) und der US Regierung gefördert wird. AMANDA II hat die Bewährungsprobe bestanden. Francis Halzen zeigt der Welt bestes Bild vom Neutronensternenhimmel auf der Tagung der International Astronomical Union. Obgleich am Südpol aufgenommen, ist es ein Abbild des Sternenhimmels über der nördlichen Halbkugel.

Neutronensternenhimmel aus der Sicht von AMANDA II (Bild: Francis Halzen, University of Wisconsin-Madison)

"Die Fähigkeit, hoch-energetische Neutrinos darzustellen und auf ihren Ursprung zurückzuführen, ist eine der großen Herausforderungen der modernen Astrophysik", erklärt Francis Halzen.

Bislang gibt es nichts Vergleichbares und dennoch ist die Karte nur der Beweis dafür, dass die Detektoren funktionieren. Das Projekt ist zunächst auf sieben Jahre angelegt. 250 Millionen Dollar sind bisher bewilligt. Die weitere Zukunft der Untersuchungen werden wir frühestens in 4 Jahren erörtern können.

Der Bau von IceTube braucht mehrere Jahre, weil die für Menschen erträgliche Arbeitssaison am Südpol nur 8 Wochen beträgt (Bild: Francis Halzen, University of Wisconsin-Madison)

Das Teleskop wird tief in die Eisschicht der Antarktis eingelassen. Bis der Detektor voll funktionsfähig ist, müssen 80 Bohrlöcher bis zu 2,5 km tief in die Eisschicht eingebracht und mit Photomultiplier Röhren bestückt werden. Zwei Monate jährlich haben die Techniker Zeit, die "Bohrlöcher" einzuschmelzen. Dazu dient nahezu kochendes und mit Alkohol versetztes Wasser, das über Rohre (3x3 inch) das Eis schmilzt, wobei die Rohre wiederum konzentrisch in einem mächtigen Schlauchwagen aus Titan angeordnet sind. Pro Arbeitssaison werden 16 Löcher gedrillt und ausgebaut. Folglich ist die volle Kapazität erst mit der endgültigen Ausbaustufe erreicht.

Die in Eis eingelassenen Photomultiplier Kugeln (Bild: Francis Halzen, University of Wisconsin-Madison

Das Herz des Observatoriums sind 677 Glasmodule in der Größe von Bowlingkugeln, die umgekehrt zu Glühlampen funktionieren: sie detektieren und fangen die schwachen und flüchtige Lichtstrahlen auf, sobald Neutrinos in das Eis einschlagen. Neutrinos sind Elementarteilchen ohne Ladung und unsichtbar. Hinsichtlich der Masse sagen die einen, Neutrinos seien masselos, andere vermuten eine geringe Masse. Auf jeden Fall passieren die Neutrinos sowohl Sterne, Magnetfelder und Galaxien, ohne vom Weg abgebracht zu werden. Beim Zusammenprall mit einem Proton entsteht ein Myon, ein geladenes Teilchen, das bläuliches Licht erzeugt, und dessen Richtung der des Neutrinos folgt. Für die Wissenschaftler bietet dieser Effekt die Chance, den Weg des Neutrinos zurückzuverfolgen.

Warum wird der Südpol als Messstelle gewählt? "Die Erde soll wie ein Filter alle störenden hoch-energetischen Ereignisse herausfiltern, so dass idealerweise nur noch die Neutrinos den Detektor erreichen", erklärt Francis Halzen.

Die jetzigen Ergebnisse bestätigen unsere Erwartungen. Wir haben Neutrinos detektiert, die bis zum 100fachen der Energie besitzen, die mit den Beschleunigern auf der Erde bisher erreicht wurden.

Die Forscher sind davon überzeugt, dass die aufwändige Technik hält und Bestand hat, und nicht das Schicksal erleidet wie das unterirdische japanische Super-Kamiokande Oberservatorium, dessen in einer Kuppel aufgehängten Photomultiplier im November 2001 in einer Kettenreaktion explodierten.

Mit dem Nachweis der Neutrinos und der Chance, deren Weg zum Ursprung zurückzuverfolgen, erhoffen sich die Wissenschaftler Informationen über die Endphase im Leben von Sternen und weitere Aufschlüsse zur Kollision Schwarzer Löcher.