Hochhäuser - Das Ende einer Kultur

Die Anschläge vom 11. September waren eine Katastrophe für die Technik und die Stadt

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Jede Meinung hat eine Funktion, und so dauerte es nicht lange, bis der Schock und der Schrecken der Selbstmordanschläge auf die Wolkenkratzer New Yorks sich in Äußerungen niederschlugen, die nicht, wie jeder sagte, die Erinnerung an Pearl Harbour wachriefen, sondern an den Untergang der Titanic. Die Stärke dieser Ähnlichkeit liegt im Gegensatz zu den verschiedenen anderen Vergleichen nach Eintritt des Ereignisses in der Erkenntnis, dass dies über den tragischen Verlust von Menschenleben hinaus nicht nur eine technische Katastrophe war, sondern auch eine Katastrophe für die Technik.

Das Drama mag einige Elemente mit früheren geschichtlichen Ereignissen gemein haben, beispielsweise mit der Sprengung des Kampfschiffs Maine, das den spanisch-amerikanischen Krieg 1898 auslöste, oder dem Absturz der Concorde in Paris im Jahr 2000, aber es handelte sich ebenso wenig um den ersten Krieg des 21. Jahrhunderts, wie US-Präsident Bush erklärte, als wenn Tschernobyl der letzten Krieg des 20. Jahrhunderts gewesen wäre

Aus der Entfernung von 15 Jahren können wir an Tschernobyl sehen, dass dadurch die Weiterentwicklung der Atomkraft gelähmt und sie soweit reduziert wurde, dass es in Europa vielleicht bald zu Energieengpässen kommen kann, die sich auch von einer schnell wiederbelebten Atomindustrie nur tödlich langsam überwinden ließen. Stellt man, auch wenn dies eigentlich unmöglich ist, die erschreckenden menschlichen Kosten der Zerstörung des World Trade Center einmal beiseite, so wird dieses Ereignis den Fortschritt von Hochhausbauten lange Zeit behindern, was wiederum das ganze Konzept einer hoch verdichteten Urbanisierung bedroht und das Interesse an verstreuten ländlichen Siedlungsformen als einzig gangbarer Alternative fördert.

Es ist diese Konsequenz, die besonders Architekten interessieren sollte. Noch bevor sich ganz real der Staub gelegt hatte, sprangen manche Kommentatoren auf dieses neue Pferd der Verwundbarkeit aller herausragenden Turmgebäude durch ein mit Treibstoff gefülltes Flugzeug, das mit einer Geschwindigkeit von Hunderten von Stundenkilometern von einer Gruppe von Selbstmordentführern gesteuert wird, auf und galoppierten in den Druck mit der Forderung nach einem Baustopp für alle hohen Gebäude.

Die 110-Stockwerke hohen Türme des World Trade Center wurden, wie allgemein bekannt ist, lange nach dem Sturz eines Flugzeugs in das Empire State Building entworfen. Behauptungen, wie sie jetzt gemacht werden, dass Minoru Yamasakis Türme dem Aufprall einer Boeing 747 standhalten sollten, wurden durch die Erinnerung an dieses Ereignis ausgelöst, das mit der zeitgleichen Einführung des neuen Flugzeugs auf dem Markt einherging. Doch die Möglichkeit einer Napalm-ähnlichen Kombination eines 300-Tonnen-Flugzeugs in hoher Geschwindigkeit mit einer vollen Ladung Treibstoff an Bord wurde niemals berücksichtigt. Auch wenn daher die beiden Türme selbst nach dem Aufprall der Flugzeuge zunächst weiter stehen blieben, konnte doch keiner der ungeheuerlichen Hitze standhalten, die durch die Verbrennung von 34.000 Litern Treibstoff erzeugt wurde. Sie weichte den Stahlkern auf und führte zu einem voranschreitenden Zusammenbruch.

Das Argument, dass ein solcher Zusammensturz für die Gebäude mit einer Technik zur Brandvermeidung beim Entwurf hätte ausgeschlossen werden können oder sollen, entbehrt der Berechtigung. Kein Brandexperte hatte vorausgesehen, dass solche riesige Mengen an Treibstoff auf zusammenhängende obere Stockwerke gelangen könnte, und auch die Sicherheitsüberprüfung, die dem Bombenanschlag auf dieselben Gebäude im Jahr 1993 folgte, bezog eine solche Möglichkeit ein. Terroristen hatten bislang Autos und Lastwagen in Bomben verwandelt, aber niemand stellte sich vor, dass Männer mit Taschenmessern ein mit Passagieren gefülltes Flugzeug in eine gewaltige Brandbombe und bevölkerte Bürotürme in Todesfallen umfunktionieren würde, bis dies wirklich geschah.

Nur aus Rückblick scheint es ein Mangel zu sein, dass jeder World Trade Center Turm zwar 250 Lifte, aber nur 3 Nottreppen für 25.000 Menschen besaß, oder ist alarmierend, dass es 1993 vier Stunden dauerte, bis das Gebäude evakuiert war. Gebäude wie diese liegen wie die Kathedralen des Mittelalters jenseits aller Kritik. Sie stellten die höchste Leistung einer Kultur dar, die nun trotz aller Proteste für immer diesem Weg den Rücken zukehren und den Weg einer nicht-urbanen elektronischen Verstreuung einschlagen wird.

Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer