Höhlen auf dem Mars

Lebensraum für Mikroorganismen?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Mobilroboter Sojourner kriecht auf der Oberfläche des roten Planeten umher. Am meisten interessiert natürlich, ob es auf dem Mars einmal Leben gegeben hatte oder sogar noch immer gibt. Indizien für Wasser auf der Oberfläche hat man aus den Bildern von Sojourner bereits gefunden. Angeblich soll ein Stein, den man im letzten Jahr auf der Erde gefunden hat, vom Mars stammen und Spuren mikrobakteriellen Lebens zeigen. Neue Erkenntnisse haben gezeigt, daß Bakterien auf der Erde auch unter extremen Hitze- und Kältebedingungen leben können. Wenn es denn unter der Marsoberfläche tatsächlich, wie vermutet wird, eine dicke Eisschicht geben sollte, dann könnte dort auch ein Lebensraum für primitive Organismen vorhanden sein.

In allen Spekulationen wurde aber bislang eine weitere Möglichkeit völlig übersehen: die Existenz von Höhlen vulkanischen Ursprungs, die auch ohne das Vorhandensein von Wasser oder Eis eine Nische für bakterielles Leben - oder vielleicht noch höhere Organismen - sein könnte.

Herbert W. Franke, Physiker, Medienkünstler und SF-Autor, ist auch ein leidenschaftlicher Höhlenforscher, der sich mit geologischen Vorgängen, die zur Höhlenbildung führen, bestens auskennt. Angesichts des Rummels um den Mars stellt er in Telepolis die eigentlich naheliegende, bislang allerdings vernachlässigte Hypothese von Höhlen auf dem Mars als mögliche Lebensräume vor.

Viking-Aufnahme: Erosionsformen an der Marsoberfläche, die nur durch die Annahme von abströmenden Wasser eine befriedigende Erklärung finden. Aufnahme DLR, Berlin

Die Bildung von Höhlen ist am ehesten zu jener Zeit zu erwarten, als sich eine feste Kruste gebildet hatte und das Klima auf dem Mars warm und feucht war. Offenbar gab es damals auch größere Wassermengen, die man als die Ursache für die in den Sondenaufnahmen erkennbaren Tal- und Canyonsysteme ansieht. Außerdem bestand die im Vergleich zu heute viel dichtere Marsatmosphäre zum größten Teil aus Kohlendioxid, und damit waren die Voraussetzungen für Lösungsvorgänge gegeben. Oberflächlich führen sie zu Karsterscheinungen, unterirdisch zu Höhlen.

Allerdings wird die Existenz von Meeren allgemein bezweifelt, und somit fehlt auch der Kreislauf, der das Wasser über Verdunstung und Regen wieder zur Oberfläche zurückführt. Dagegen können sich lokale oder regionale Kreisläufe durchaus ausgebildet haben, und das auch noch zur Zeit des bald einsetzenden Permafrosts, einer ständig gefrorenen Bodenschicht unter der Oberfläche. Durch Einschläge von Meteoriten und durch vulkanische Aktivitäten wird in der Tiefe lagerndes Eis aufgeschmolzen und zur Oberfläche gedrückt. Durch seinen Kohlendioxidgehalt ist es aggressiv und löst auf seinem Weg, besonders in der Tiefe, Hohlräume aus. Spuren davon sind in vielen Marsaufnahmen von Einbruchsregionen zu erkennen, wie sie auch für Karstgebiete auf der Erde typisch sind. Erscheinungen dieser Art werden als Thermalkarst bezeichnet.

Auf der Erde kommt noch eine weitere Art der Höhlenbildung vor, die vulkanischen Ursprungs ist: In frisch abgelagerten Lavamassen entstehen Röhren, in denen die flüssigen Massen auch dann noch abfließen, wenn das Gestein außen schon zu erkalten und zu erstarren beginnt. Nachher bleiben sie als Hohlräume zurück. Manche von ihnen sind begehbar und mehrere hundert Meter lang. Man darf annehmen, daß diese Art der Höhlenbildung, die auf der Erde hinter jener der Karsthöhlen zurücktritt, auf dem Mars vorherrschend ist. Dafür sorgen die weitaus stärkeren vulkanischen Aktivitäten und die geringere Schwerkraft.

Aus diesen Überlegungen heraus darf man die Existenz von ausgedehnten Höhlensystemen auf dem Mars als sicher annehmen, und damit ergibt sich auch die Örtlichkeit, in der man dort nach Leben zu suchen hat. Diese Annahme wird auch durch Erfahrungen, die man auf der Erde gemacht hat, erhärtet. Höhlen sind nicht nur reiche Fundstätten von Fossilien, sondern in ihnen können über Jahrmillionen hinweg Organismen überleben, für die der Aufenthalt im Freien tödlich wäre. Erst vor wenigen Jahren wurde in Rumänien eine von Schwefellösungen und -dämpfen erfüllte Höhle entdeckt, in der eine ganze Reihe von bisher unbekannten Tierarten lebt - Hundertfüßler, Blutegel, Würmer u.a. Am Beginn der Nahrungskette steht eine Bakterienart, die die Verbrennung von Schwefel als Energiequelle nutzt.

Wenn es auf dem Mars Leben gegeben hat - und das ist mehr als wahrscheinlich -, dann befinden sich sicher noch fossile Reste in den Höhlen des Planeten. Und da seine vulkanische Aktivitäten noch immer anhalten und somit eine Energiequelle zur Verfügung steht, gibt es sogar eine echte Chance, dort noch etwas Lebendiges zu finden.

Herbert W. Franke: Mars-Astronauten als Höhlenbewohner?