Hoher Klimaschutzfaktor: Wiedervernässung der Moore

Moore speichern große Mengen an Kohlendioxid. Doch weltweit ist ein Großteil aller Moore zerstört. Wegen ihrer hohen Klimaschutzwirkung sollen Moore im großen Stil renaturiert werden.

Einst bedeckten Moorlandschaften mit 1,5 Millionen Hektar hierzulande ursprünglich 4,2 Prozent der Landesfläche. Heute sind 95 Prozent der Moorflächen tot – entwässert, abgetorft, bebaut, landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt. So gehen jedes Jahr rund ein Prozent der Moorflächen durch menschlichen Einfluss verloren.

Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, an der das Niederländische Institut für Meeresforschung sowie die Universitäten Utrecht, Groningen, Radboud und Greifswald beteiligt waren. Die Forscher bezeichnen die weltweiten Feuchtgebiete als kohlenstoffspeichernde Hotspots. Vor allem beschäftigte sie die Frage, wie verloren gegangene Feuchtgebiete wiederhergestellt werden können.

Obwohl Feuchtgebiete nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie 20 Prozent des globalen organischen Kohlenstoffs. So verfügen Salz- und Seegraswiesen sowie Mangrovenwälder und Torfgebiete über eine enorme Speicherkapazität von Kohlendioxid. Im Verhältnis zu ihrer Größe übersteigen die Kohlenstoffvorräte in Feuchtgebieten sogar noch die in Wäldern und Ozeanen.

Der Grund dafür ist ein perfektes Zusammenspiel der verschiedenen Lebensformen des Ökosystems Moor, abar auch gegenseitige Wechselwirkungen zwischen Organismen und Landformen, weiß Ralph Temmink vom Copernicus Institute of Sustainable Development der Universität Utrecht. Demnach sorgen so genannte biogeomorphe Rückkopplungen dafür, dass sich Wachstum der Pflanzen und die Ablagerung von Kohlenstoff im Boden gegenseitig stimulieren.

In Hochmooren verhalten sich Torfmoose wie Schwämme: Gemeinsam saugen sie enorm viel Regenwasser auf. So werden Starkregenereignisse durch Moore abgepuffert. Gleichzeitig treiben sie ihr eigenes Wachstum an. Unter den lebenden Torfmoosen sammeln sich die Reste abgestorbener Torfmoose. Doch weil diese bis zu zehn Meter dicke Schicht permanent unter Wasser steht, zersetzen sich die abgestorbenen Pflanzen kaum.

Das tote Pflanzenmaterial mit seinen oberirdischen Stängeln, Blättern und Wurzeln kann wegen des Sauerstoffmangels nicht vollständig zersetzt werden und bleibt im Untergrund zurück. Die Nährstoffe, die aus dem organischen Abfall freigesetzt werden, sorgen dafür, dass die Pflanzen noch besser wachsen.

Die Rückkopplung zwischen der Aufnahme abgestorbener Organismen und Pflanzenwachstum verdickt im Hochmoor die Bodenschicht. Auf diese Weise häuft sich immer mehr Biomasse an. Es bildet sich Torf, der in den tieferen Bodenschichten große Mengen an Kohlendioxid speichert.

Vom Kohlenstoffspeicher zur Emissionsquelle

Pflanzen, die in den Mooren wachsen, brauchen Kohlendioxid zum Leben. Sterben die Pflanzen ab, wird das Klimagas im Boden gespeichert. Damit ist es dem Klimakreislauf entzogen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Werden Moore trockengelegt oder Torf verbrannt, gelangt das zum Teil Jahrtausende alte Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre.

Etwa fünf Prozent der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland entstammen aus Mooren. So wurden in der ehemaligen DDR über so genannte Meliorationsmaßnahmen Böden landwirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Dazu gehörte auch die Entwässerung von Feuchtgebieten. Maßnahmen wie diese führten dazu, daß heute jährlich bundesweit 44 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus entwässerten Moorböden emittiert werden.

Dabei machen landwirtschaftlich genutzte Moorböden gerade mal sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche aus. Allein durch deren Nutzung werden 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr emittiert. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein zählen mit über 600.000 Hektar zu den moorreichsten Bundesländern. Allein in Brandenburg gab es einst 260.000 Hektar Moorlandschaft. Heute sind gerade mal noch fünf Prozent davon intakt. Bis vor wenigen Jahren noch wurden Moore deutschlandweit trockengelegt und somit noch mehr Treibhausgase emittiert.

Wiederbelebung abgetorfter Moore ist langwierig und schwierig

Inzwischen erkennt man die enorme Klimaschutzwirkung von Mooren. Lebendige Moore wachsen nur langsam durch Torfbildung, jährlich um etwa einen Millimeter. Das entspricht lediglich zehn Meter Höhenwachstum innerhalb von 10.000 Jahren. Die zehn Hektar großen Rehwiese bei Oranienburg etwa zur wurde bis zur deutsch-deutschen Wende von einer LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), später vereinzelt als Kuhweide genutzt. Seit 2015 wird die Wiese immer feuchter, denn das Wasser staut sich in den Entwässerungsgräben.

"Wäre das Moor nicht wiedervernässt worden, wäre der hier vorhandene Torf über die Jahre als Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre gegangen", erklärt Martin Szaramowicz von der Flächenagentur Brandenburg. Ist der Wiedervernässungsprozess in den nächsten Jahren abgeschlossen, wird die Rehwiese wieder mehr Kohlendioxid binden. 6.800 Tonnen soll das neue Moor dann speichern, rechnet der Experte vor.

Oppenweher Moor (Sachsen). Bild: TineWelli / CC-BY-SA-4.0

Menschen, die ihren CO2-Ausstoß kompensieren wollen, können sogenannte Moorfutures erwerben. Ein Zertifikat kostet 64 Euro und entspricht einer Tonne eingespartem Kohlendioxid oder einer Autofahrt von 5.000 Kilometern. Ähnliche CO2-Kompensations-Projekte gibt es auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Die wenigen gut erhaltenen Moore müssen streng geschützt werden und die entwässerten, degradierten Moore möglichst schnell wiedervernässt und restauriert werden, fordert Hans Joosten, Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald. Heute weiß man immer besser, wie das auch auf großen Flächen gelingt.

So arbeitet etwa der Nabu seit über 20 Jahren im nordöstlichen Emsland in Niedersachsen an der Wiederbelebung und Renaturierung des Hochmoors Theikenmeer, das zwischenzeitlich als tot galt. Auch am Ostrand des Steinhuder Meers bei Hannover ist man seit 25 Jahren um die Rettung des Hochmoors bemüht.

Moore sind nicht nur Kohlenstoffspeicher und Wasserpuffer, sie sind auch Hotspots der Artenvielfalt. So wurde im Himmelmoor bei Quickborn nördlich von Hamburg 150 Jahre Torf lang abgebaut. Erst 2018 wurde der Torfabbau beendet. Seither sind moortypische Pflanzen wie de Sonnentau zurückgekehrt. Für Insekten und Reptilien wie Kreuzotter und Schlingnatter wurde das Moor zu einem wichtigen Refugium. In den Sommermonaten schwirren zahllose Libellen und Schmetterlinge über Moor- und Wollgräser.

Moorbeweidung mit Wasserbüffeln

Aktuel sind gerade mal ein paar Hundert Hektar Moorlandschaften wiedervernässt worden. Das Problem ist, dass die meisten Flächen, die für Renaturierungsmaßnahmen in Frage kommen, landwirtschaftlich genutzt werden – deutschlandweit sind das etwa 1,2 Millionen Hektar. Im Fall einer Wiedervernässung werden die meisten Landwirte die Nutzung ihrer Wiesen und Felder aufgeben, denn um diese weiter normal bewirtschaften zu könnnen, ist der Boden zu feucht und zu sauerstoffarm.

Wie renaturierte Moore trotzdem bewirtschaftet werden können, zeigt Sebastian Petri vom Moorhof Kremmen nördlich von Berlin. Auf seinen Wiesen grasen 35 Wasserbüffel. Die Tiere, die an feuchte Standorte angepasst sind, kommen mit dem Grasbestand gut zurecht und sind relativ einfach im Umgang, erklärt der Tierhalter.

Ein zweites Standbein ist der Verkauf von Pferdefutter: Das moorliebende Gras, das besonders viele Ballaststoffe enthält, wächst auf den Feuchtwiesen ohne Dünger und Pestizide. Das Rohrglanzgras etwa ist für die meisten Weidetiere unbekömmlich, wird jedoch von Pferden gut vertragen.

Für die Ernte auf den nassen Moorböden nutzt er eine umgebaute Pistenraupe mit breiten Ketten, die nicht einsinken können. Die Nachfrage ist groß: Der Bauer erntet das Heu im Sommer und verkauft es im Winter direkt an Pferdebesitzer. Allerdings ist der Tierhalter auf finanzielle Förderung durch das Land Brandenburg angewiesen.

Deutschlandweit gibt es etwa 20 ähnliche Pilotprojekte. Wer seine Flächen wiederverwässern lässt, soll weiterhin von seiner Arbeit leben können, wünscht sich Petri. Dafür sollte es mehr finanzielle Anreize geben.

Produkte aus Moorpflanzen sollen Torf ersetzen

Wissenschaftler des Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam forschen seit einigen Jahren, wie die kargen Moor-Gräser am besten genutzt werden können. Denn, so ihr Argument, würden moortypische Gräser wie Seggen, Schilf und Rohrkolben sinnvoll genutzt, wäre der Abbau von Torf unnötig.

So untersuchen die Forscher, ob die Biomasse der Gräser langfristig die Nutzung von Torf als Bodenveredler für Gärten und Balkonkästen ersetzen kann. Ihr Ziel ist es, ein Verfahren zur Herstellung von Fasern aus Paludibiomasse für Torfersatz, Einstreupellets oder Plattenwerkstoffe zu entwickeln."Dabei setzen wir auf unsere umfangreichen Erfahrungen bei der Verarbeitung verschiedener Pflanzenfasern wie Hanf oder Nessel", erklärt Ralf Pecenka vom Leibniz-Institut.

Industrieller Torfabbau in Lettland. Bild: Андрей Щербаков / CC-BY-SA-4.0

Man könne bereits vielversprechende Versuchsergebnisse mit Produktmustern aus Paludikulturbiomasse vorweisen. Untersucht wird zudem, wie regionale Wertschöpfungsketten etwa im Bereich von Fasern für Papierprodukte oder Dämmstoffe aussehen könnten. So könnten ökologische Verpackungen, die bisher aus Pappe oder Papier auf Holz-Basis hergestellt wurden, bald von Moorpflanzen kommen.

Bis die Produkte aus dem Moor in die Läden kommen, kann es noch eine Weile dauern. Noch fehlt es an Material, denn bisher wagen nur wenige Landwirte eine Bewirtschaftung wiedervernässter Mooren.

Hierzulande wird bis heute in einigen Mooren – etwa in Bayern – Torf gewonnen, vor allem als Pflanzensubstrat (Pflanzerde) für den industriellen sowie im hobbymäßigen Gemüse- und Blumenanbau. Der größte Teil der rund zehn Millionen Kubikmeter Torf wird im professionellen Gartenbau verwendet. Hobby-Gärtner nutzen immerhin rund 2,5 Millionen Kubikmeter Torf.

Der Torf in handelsüblicher Blumenerde stammt hauptsächlich aus baltischen oder russischen Hochmooren. So kommen zwei Drittel aller Importe aus Estland, Lettland und Litauen. Niedrige Arbeitslöhne und lasche Naturschutzgesetze machen den Torfabbau im Osten zu einem lukrativen Geschäft.

Der Bund Naturschutz fordert ein Verbot für den Einsatz von Torf in Privatgärten. Längst gibt es umweltfreundliche Alternativen wie etwa Holzfasern aus heimischen Rohstoffen, Rinden- oder Grünschnittkompost. Wer torffrei gärtnern will, findet hier nützliche Hinweise.