Hollywood süchtig nach Computerspielen

"Dungeons & Dragons" eröffnet die zweite Welle der Videospielverfilmungen

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Eigentlich sollte die Zahl für sich sprechen und doch erklärt es, warum Recycling und Ideenarmut in Hollywood Konjunktur haben: 30.000 Drehbücher werden jedes Jahr bei den Filmstudios eingereicht und nur knapp 500 werden schließlich auf Celluloid umgesetzt. Dabei sind im Verdrängungskampf des Blockbusterzeitalters die Verkaufsbilanzen von jedem Medium wichtiger geworden als die eigentlich Idee für ein gutes Drehbuch. Das Genrekino selbst ist in vielen Bereichen bereits ausgereizt und so findet manch ein Produzent beim Blick ins Spielzimmer seiner Kinder den vielleicht besseren Plot.

In der Wühlkiste der Jugendkultur griff man gerade erst wieder zu den Comicverfilmungen: nach Brian Singers "X-Men" folgt Sam Raimies "Spider-Man", Johnny Depp in "From Hell" oder eine immer wahrscheinlicher werdende Interpretation vom "Hulk" durch Ang Lee. Doch wer sich die Mediencharts genauer anschaut, wird ein anderes, wiederbelebtes Sub-Genre entdecken: Videospiele im Kinoformat. Gähnend und schaudernd erinnert man sich an Verfilmungen von "Mario Brothers" (mit Bob Hoskins als Mario) oder "Street Fighter" (mit Kylie Minoque und Jean-Claude van Damme) und selbst "Mortal Kombat" sowie "Wing Commander" waren eine mittlere Zumutung.

Angelina Jolie in "Tomb Raider", dem Film zum Game, deutscher Filmstart 26.6.2001

Spiele haben kommerziell gleichgezogen

Kamen diese Filme noch in der Steinzeit der Gamekonsolen zur Welt, hat sich technisch und optisch mittlerweile einiges geändert. Die Gesamtumsätze der Videospielindustrie sind praktisch gleich mit denen der Kinowirtschaft. Nahezu jedes neue Videospiel auf Dreamcast, PlayStation 2, GameCube oder X-Box wird wie ein Kinofilm inszeniert, bekommt eigene Trailer und kostenintensive Werbekampagnen.

Die für das Jahr 2004 erwarteten 45 Millionen Konsolen weltweit treiben den Marketingstrategen die Höchstzahlen in ihr Excel-Sheet und das ruft nach Konsequenzen für die Themen der aktuellen Drehbücher.

Versuchte man früher, mit den Videospielumsetzungen der Filme noch ein paar Mark aus der großen heiligen Merchandizing-Kuh zu schneiden, basiert der umgekehrte Weg auf genau der gleichen Kalkulation. Wenn Millionen Fans von Lara Croft oder Jill Valentine das Spiel und seine diversen Fortsetzungen gekauft haben, werden fast genauso viele ins Kino gehen. Und so haben die Verkaufszahlen der besten Game-Titel in Hollywood erstaunliche Produktionsbudgets locker machen können. Die jetzt in den Kinos anlaufende Verfilmung von "Dungeons & Dragons" ist nur das erste Werk aus einer ganzen Reihe von Videospielverfilmungen.

Wenig Zauber bei D&D

Drache aus "Dungeons & Dragons"

Jungregisseur Courtney Solomon (30) drehte in Prag und inszenierte für 35 Millionen Dollar den Film zum Brett- und Videospiel, das seit 1974 von insgesamt 25 Millionen Fans gekauft wurde und dessen Prinzipien und Ideen das gesamte Genre der Rollenspiele geprägt haben. In 107 Minuten Laufzeit sieht man davon allerdings sehr wenig: Neben wenigen Minuten des Helden in einem mit Fallen und Hindernissen gespickten Labyrinth und einer abschließenden Drachenschlacht wird man nur den grotesken Jeremy Irons als Magier Profion entdecken, der den überdrehten Jungdarsteller das Fürchten vor dem Altern und dem Blue-Screen lehrt. Für Solomon geriet der Trend zu Videospielverfilmungen und Fantasywerken dabei zum glücklichen Zufall, war er doch Jahre zuvor nach dem Vorschlag einer Verfilmung bei der Herstellerfirma noch ausgelacht worden. Im Interview offenbart Solomon dann auch das alt bekannte Prinzip der Trittbrettfahrer:

In Hollwood funktioniert das im wie beim Domino-Prinzip: Einer fängt an und dann folgt eine ganze Kettenreaktion. Die Filme der Scream-Reihe haben dieses Prinzip bestens vorgeführt. Diese Slasher-Movies hätte man vor Jahren einfach nicht drehen können und jedes Studio hätte dankend abgelehnt. Bis zu Clint EastwoodŽs "Unforgiven" konnte man in Hollywood auch keine Western-Filme mehr drehen, danach folgten eine ganze Welle von Western. Mit Fantasyfilmen war es nicht anders und jetzt kommt "Harry Potter" oder "Herr der Ringe" ins Kino. Und mit "Moulin Rouge" kommt seit langer Zeit wieder ein Musicalfilm ins Kino und bei einem Erfolg werden bestimmt andere folgen!

Courtney Solomon

Resident Evil

Pressefoto zu "Resident Evil"

Auch eines der wohl populärsten Videospiele kann dem Trend nicht entgehen und bietet sich eigentlich durch seine cineastischen Handlungsstrang an. Die fünf Versionen des Capcom-Spiel "Resident Evil" wurden 16 Millionen mal verkauft und unter der Regie von Paul Anderson ("Mortal Kombat", "Event Horizon", "Soldier") wird seit Mitte März in Berlin eine jugendfreundliche Version des Zombie-Themas inszeniert. In dem von der deutschen Firma Constantin Film produzierte Werk wird Milla Jovovich ("Das fünfte Element") als Alice die Stadt Racoon City aufräumen und gegen den T-Virus ankämpfen. Neben Michelle Rodriguez oder Eric Mabius wird sogar Heike Makatsch in einer kleinen Rolle einer Sekretärin auftreten. Ein vielversprechender Drehbuchentwurf von George Romero verschwand allerdings in der Schublade und seitdem schauen echte RE-Fans auf dieses Projekt mit großer Skepsis, die sich auch in blumigen Webseitentiteln wie www.ihatecapcom.com ausdrückt.

Lara Croft im Film

Lukrativer Nebenschauplatz: Spielefiguren zu Tomb Raider

Dank ihrer Formen und Verwertungsmöglichkeiten hat es auch die Eidos-Figur Lara Croft auf das Zelluloid geschafft. Oskar-Preisträgerin Angelina Jolie darf in "Tomb Raider"www.tombraidermovie.com/ (deutscher Filmstart 26.6.01) die weibliche Version von Indiana Jones mimen. Der Kinozuschauer wird lernen, dass Lara als Tochter des Archäologen Lord Henshingly Croft (dargestellt von John Voight) schon früh das abenteuerliche Ausgraben gelernt hat. Während ihr Vater auf einer Expedition nicht mehr aufzufinden ist, entwickelt sich des Vaters Berater Powell (Iain Glen) Jahre später zum Gegenspieler von Lara Croft. Nach 20 Wochen Drehzeit in Kambodscha, Island und den Pinewood Studios in London werden Medienhype, Spezialeffekte und die Actiontricks von Regisseur Simon West ("Con Air") schon dafür sorgen, das der Kassenerfolg eintritt.

Die Website zum Film ist dabei nur ein Vorgeschmack dessen, was an multimedialer Verwertung noch möglich sein wird. Die nächste Single der Rockgruppe U2 namens "Elevation" wird der Titelsong zum Film und das passende Video garantiert die Heavy-Rotation mit nahezu kostenloser Werbung zum Film. Wie schon bei anderen Blockbustern wurde ein eher ungewöhnlicher Ort zur Quelle für neue Informationen zum Film: Auf der letzten New Yorker Spielzeugmesse waren die Actionfiguren zum Film die Attraktion und verrieten mehr als Trailer und Pressephotos.

Für Eidos selber kommt der diesjährige Filmstart fast noch zu früh. Wurde schon der vierte und letzte Teil der Lara Croft-Serie wegen mangelnder Innovation und durchschnittlicher Grafik in der Fachpresse getadelt, wird die erste PlayStaion2-Version vom komplett neuen "Tomb Raider" erst 2002 herauskommen.

Final Fantasy

Hauptfigur "Aki" in "Final Fantasy - The Spirit Within", deutscher Filmstart 23.08.2001

In den Erwartungen von Spiel- und Kinofans ganz anders gehandelt wird die Verfilmung der Final Fantasy-Reihe, von denen die japanischen Firma Square bisher 26 Millionen Exemplare verkaufen konnte. Zusammen mit Sony/Columbia Pictures schloss man einen Vertrag über insgesamt drei Filmumsetzungen und für "Final Fantasy - The Spirit Within" (deutscher Filmstart 23.08.2001) wurden immerhin 70 Millionen Dollar Budget ausgegeben. Der Film selber spielt im Jahr 2065 und zeigt in düsteren Bildern die komplett digitale Umsetzung des Überlebenskampfs der Hauptfigur Aki in einem verrotteten New York, das von den außerirdischen Phantoms heimgesucht wird.

Beim diesjährigen Australian Effects & Animation Festival wurden auch schon einige technische Fakten des Films bekannt: Von den insgesamt 1372 Einstellungen besteht eine durchschnittliche Szene aus etwa 30 verschiedenen Schichten, bei den sehr komplex animierten Szenen können es sogar bis zu 498 Schichten sein. Etwa ein Viertel der gesamten Rechenzeit wurde für die Hauptfigur Aki aufgebracht. Neben den bereits sehr beeindruckenden Teasertrailern wurden auf der diesjährigen ShoeWest-Konferenz insgesamt 17 Minuten Filmausschnitte gezeigt, die viele Zuschauer mehr als nur überzeugten.

Regisseur Hironobu Sakaguchi, der gleichzeitig auch Chef von Squaresoft ist, vertraut für einen Kassenerfolg neben den photorealistischen Animationen zum Teil dann doch auf Talente aus Hollywood: Die Stimmen der Hauptcharaktere kommen von Alec Baldwin (Grey), Steve Buscemi (Ryan), Ving Rhames (Neil), Donald Sutherland (Dr.Sid) oder James Wood (General Hein). Der Film ist bisher zu 90% fertig gestellt und lediglich der von Elliot Goldenthal eingespielte Sountrack muss noch in London aufgenommen werden.

Auch an die Verwertung nach dem Kinostart hat man bei Square schon gedacht: Eine spezielle PlayStation2-Version der DVD wird es möglich machen, über interaktive Elemente verschiedene Kamerawinkel und Rederingprozesse auszuwählen, was dem Begriff Multimedia eine wirklich neue Bedeutung verleihen würde.

Noch mehr Game-Kino-Trash

Duke Nukem

Die Liste der Verfilmungen ist dabei noch lange nicht zu Ende: Als Animationsfilm mit 90 Minuten Länge bringt Sega das epische Spiel "Shenmue" in die Kinos und Yu SuzukiŽs Spiel mit den Abenteuern des Helden Ryo wird dieses Jahr noch mit einer Fortsetzung in die Läden kommen. Dimension Films gab Ende März bekannt, dass es von Threshold Entertainment das Projekt "Duke Nukem: The Movie"www.thethreshold.com/DukeNukem/ übernommen hat und als Produzent darf hier Larry Kasanoff (True Lies, Mortal Kombat) auftreten. Laut Presseinfo wird Duke Nukem im Film als amerikanischer James Bond auftreten, allerdings in der Version eines "extra terrestrial assassin with an immeasurable amount of pride for his country". Bisheriger Wrestling-Star und Muskelprotz The Rock bekam nach seiner Rolle in "The Mummy Returns" hier den Zuschlag. Die gleiche Filmfirma kaufte dieses Jahr auch die Filmrechte an "American McGeeŽs Alice", bei der niemand geringeres als Wes Craven Regie führen soll und John August das Drehbuch schreibt.

Die französische Firma Le Studio Canal erwarb letztes Jahr die Rechte an dem Konami-Spiel "Nightmare Creatures", das im London des 17. Jahrhunderts spielt und in der Handlung das alte Frankensteinmotiv multipliziert. Auch hier war es nicht schwer, einen Regisseur mit entsprechender Digitalerfahrrung zu finden: Ralph Zondag, der uns mit Disney sprechende Dinosaurier brachte, wird das Drehbuch von Matt Cirulnick interpretieren. "The House Of The Dead", ein Zombie-Shooter auf der Dreamcast, soll von Regisseur Jesse Dylan nach einem Drehbuch von Mark Verheiden im Herbst abgedreht werden und Castle Rock Entertainment will zusammen mit dem Drehbuchschreiber Trey Callaway eine Filmversion vom Horrorspiel "Clock Tower" etwa 2002 oder später umsetzen. Im Angesicht des Erfolges von "Crouching Tiger & Hidden Dragon" war ein Spiel geradezu prädestiniert für eine Martial-Arts-Filmumsetzung: Unter der Regie von Corey Yuen (er leitete die Kampfaufnahmen in "X-Men") ist die Verfilmung von "The Legend of Tekken" bereits im Kasten.