Hummeln mögen's heiß
Hummeln bevorzugen "warme" Blumen und haben gelernt, diese an der Farbe der Blüten zu erkennen
Bislang ging man davon aus, dass Hummeln bei der Jagd auf Nektar oder Pollen Blumen anfliegen, die davon viel anzubieten haben. Wie Verhaltensbiologen jetzt herausgefunden haben, dient auch die Wärme einer Pflanze als Belohnung - schließlich kostet auch die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur Energie. In der aktuellen Ausgabe von Nature berichten sie von ihren Experimenten.
Schon vor 200 Jahren fand der französische Forscher Jean-Baptiste de Lamarck heraus, dass die Blume Calla (Calla aethiopica) sich während ihrer Blütezeit erhitzt (vgl. Temperature Regulation by Thermogenic Flowers), und dann um satte 35 Grad heißer ist als ihre Umgebung. Das kostet viel Energie, die Calla investiert, um Bestäuber anzuziehen. Doch auch viele andere Blumenarten machen sich mit warmen Blüten attraktiv, sie gehen dabei nur schlauer vor: Sie nutzen z. B. die Struktur der Epidermis der Blütenblätter und lassen sie vom Sonnenlicht erwärmen. Das bringt einen ähnlichen Effekt, verbraucht allerdings keine Energie.
Vor diesem Hintergrund haben sich der Verhaltensbiologe Lars Chittka vom Queen Mary College der Universität London und seine Kollegen Adrian Dyer, Sarah Arnold, Beverley Glover und Heather Whitney vom Department of Plant Sciences der Universität Cambridge gefragt, ob Bestäuber wie Hummeln oder Bienen diese Blütenwärme interessiert, ob sie sie wahrnehmen und ob sie ihr Verhalten daran ausrichten.
Außergewöhnliche Thermoregulierung
Als Probanden für entsprechende Experimente wählten sie die Dunkle Erd-Hummel (Bombus terrestris). Der flauschige Brummer kommt im offenen Gelände, auf Wiesen, Feldern und in Wäldern vor, ist in ganz Europa, Kleinasien und Nordafrika verbreitet.
Er gilt als fleißiger Bestäuber und bildet einen beliebten Modellorganismus: Bombus terrestris lässt sich gut züchten und zählt zusammen mit der Honigbiene zur "Intelligentsia" der Insektenwelt. Doch noch eine weitere Eigenschaft hat die Hummel für die Verhaltensbiologen und ihre Fragestellung prädestiniert: Sie verfügt über eine spektakuläre Thermoregulierung. Denn um fliegen zu können, muss sie ihre Körpertemperatur auf über 30 Grad aufheizen, das schafft sie auch bei Außentemperaturen von nur 5-6° Grad. Sie erreicht das durch Zittern.
Dabei benutzt sie ihre Flugmuskulatur, entkoppelt aber die Flügel von den Muskeln und bedient nur die Muskeln - das kostet Energie. Die Forscher vermuteten also, dass die Hummel, um nicht die gesamte Energie selbst produzieren zu müssen, Wärme einsammelt, indem sie Blüten besucht, die wärmeren Nektar bieten.
Je wärmer, desto besser
Chittka und sein Team ließen ihre Hummeln in einer kleinen Flugarena aus. Dort boten sie ihnen 20-prozentige Saccharose-Lösung aus zwei gleichen Spendern an. Der kleine Unterschied: die Saccharose in dem einen Spender besaß Raumtemperatur (18,5°Celsius), der "Nektar" in der anderen war wärmer: einmal 22,5° C, dann 27° C und schließlich 29,5° C. Dabei stellte sich heraus, dass die Hummeln bevorzugt den Spender mit der wärmeren Zuckerlösung anflogen, am gefragtesten waren Nektarquellen, die um mindestens 4° C über der Raumtemperatur lagen.
Um anschließend zu klären, ob sich die pelzigen Testflieger beim Auffinden einer warmen Nahrungsquelle womöglich an der Blütenfarbe orientieren, setzten die Biologen farbige Kunstblumen ein: vier purpurrote Blumen mit 20 µl 40-prozentiger Saccharoselösung, die 28,8°C warm war, und vier pinkfarbige Blumen mit der gleichen Menge Zuckerlösung, deren Temperatur jedoch nur 20,8°Grad betrug. Sie verteilten die Blumen willkürlich im Raum. Doch die Vorliebe der Hummeln zeigte sich eindeutig: in 58 Prozent der Fälle steuerten sie die Pflanze mit dem wärmeren Nektar an.
Bei weiteren Experimenten, in denen unterschiedlich warmer Nektar willkürlich über gleichfarbige Blüten verteilt war, gerieten die Bestäuber allerdings aus dem Tritt, sie landeten nur noch zufällig auf der wärmeren Nahrungsquelle.
Lernen für den Rest des Lebens
Als Ergebnis halten die Forscher fest, dass Hummeln ganz offensichtlich bevorzugt Blumen mit warmen Blüten anfliegen und lernen, Farbe als Hinweis auf eine zu erwartende Nektarwärme benutzen. Pflanzen wiederum können über ihre Temperatur ihre Attraktivität für Bestäuber erhöhen.
"Dass Hummeln Farben mit Belohnungsmengen assoziieren können, war schon bekannt. Der neue Befund ist, dass sie noch einen weiteren Parameter der Belohnung mitberücksichtigen: die Temperatur. Und sie lernen Blütenfarben flexibel mit Temperatur zu assoziieren. Jedes Tier sammelt individuelle Erfahrungen. Alle Blumen einer bestimmten Art besitzen eine bestimmte Blütenfarbe, eine bestimmte Epidermisstruktur und damit eine bestimmte Temperatur. Diese Assoziation dürfte dann für jede Pflanzenart konstant sein und so von der Hummel gemerkt werden", resümiert Chittka im Gespräch mit telepolis.
Das Erstaunliche daran ist, dass die Hummel relativ wenig Erfahrung braucht. Wenn sie etwa zehn Mal auf einer Blütenfarbe belohnt wird, dann merkt sie sich das für den Rest ihres Lebens. Hummeln sind da schnell und ausdauernd.
Und die genügsamen Hummeln werden weiter durch ihre Flugarena summen: Als nächstes interessiert Chittka und Kollegen, ob sie auch ihren Tastsinn einschalten, um herauszufinden, welche Blütenstruktur zur besten Nektarqualität führt.