Hunger als Waffe: Empörung über Aussagen von Israels Finanzministers Smotrich

Am Rednerpult: Rechtsextremer Smotrich, hier 2017

Am Rednerpult: Rechtsextremer Smotrich, hier 2017. Bild: David Cohen 156, Shutterstock.com

Deutschland, Frankreich und Großbritannien verurteilen Aussagen. Forderungen nach Reaktion unbeantwortet. Lage in Gaza dramatisch.

Mehrere Regierungen haben mit scharfer Kritik auf menschenverachtende Äußerungen des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich reagiert. Der rechtsextreme Politiker hatte angedeutet, die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu könne die Zivilbevölkerung im Gazastreifen gezielt aushungern. So könne der Druck auf die Hamas erhöht werden, um die von ihr verschleppten israelischen Geiseln zu befreien.

Nach dem Überfall der Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober vergangenen Jahres rund 1.200 Menschen getötet wurden, befinden sich zahlreiche Geiseln in der Hand der islamistischen Organisation. Sie meisten von ihnen sind, wie auch die Todesopfer, Zivilisten.

Deutschland und Frankreich mit deutlichen Worten

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, betonte in einer Stellungnahme die entschiedene Ablehnung der deutschen Regierung gegenüber den "inakzeptablen und empörenden Bemerkungen" Smotrichs. Dessen Einlassungen suggerierten, es könne moralisch legitim sein, Bewohner des Gazastreifens verhungern zu lassen, zitiert ihn die israelische Tageszeitung Haaretz.

Dies stehe im klaren Widerspruch zu internationalen Rechtsgrundsätzen und dem Gebot der Menschlichkeit, das den Schutz von Zivilisten im Krieg sowie ihren Zugang zu Wasser und Nahrung forderten.

Kritik auch aus Paris und London

Ähnliche Stimmen kamen aus Frankreich. Das Außenministerium in Paris erklärte am Mittwoch seine "tiefe Bestürzung" über die Kommentare des israelischen Ministers. Dessen Vorschläge wurden als "schändlich" zurückgewiesen.

Frankreich fordert die israelische Regierung auf, diese "unangemessenen Äußerungen" entschieden zu verurteilen. Das Außenamt betont auch, dass Israel nach einem Beschluss des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Januar verpflichtet ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Akte des Völkermordes im Gazastreifen zu vermeiden.

Britischer Außenminister unterstützt Kritiker

Auch der britische Außenminister David Lammy schloss sich der Kritik seiner französischen und deutschen Amtskollegen an und verurteilte die Aussagen Smotrichs. Wie genau sich Lammy gegenüber der israelischen Regierung äußerte, wurde nicht bekannt.

Klar wurde aber, dass seine Position die breite internationale Ablehnung der Bemerkungen des israelischen Ministers stützt.

Kontext der Äußerungen

Die kontroversen Kommentare fielen auf der jährlichen Katif-Konferenz am Montag, auf der sich Smotrich zur Entscheidung Israels, humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen, äußerte.

Das Aushungern von zwei Millionen Menschen in Gaza könne "das Richtige und Moralische" sein, um israelische Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu befreien, sagte er zu diesem Anlass. Er fügte jedoch hinzu, dass die "Welt uns das nicht erlauben wird".

Reaktion Israels noch ausstehend

Bis dato hat die israelische Regierung noch keine öffentliche Stellungnahme zu den Aussagen Smotrichs oder zu den internationalen Reaktionen abgegeben. Die Forderung Frankreichs nach einer klaren Verurteilung durch die israelische Regierung bleiben damit bislang unbeantwortet.

Vertreter der Regierung Netanjahu haben mit Äußerungen über die Palästinenser wiederholt für Skandale gesorgt.

Kurz nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober vergangenen Jahres sagte Verteidigungsminister Yoav Gallant: "Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff. Alles ist geschlossen." Weiter sagte er: "Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln entsprechend:"

UN bestätigen Hungersnot

Die Vereinten Nationen hatten wiederholt auf eine Hungersnot in Gaza hingewiesen. Ende der ersten Juniwoche warnte eine Gruppe unabhängiger Experten vor einer alarmierenden Lage in dem Gebiet. Sie berichten von Todesfällen bei Kindern, die aufgrund von Hunger und Mangelernährung verstorben sind.

Die Experten hatten die Fälle mehrerer verstorbener Kinder in Gaza untersucht. Ihr Tod – trotz medizinischer Versorgung in Zentral-Gaza – lasse keinen Zweifel daran, dass die Hungersnot sich von Norden auch nach Zentral- und Süd-Gaza ausgebreitet hat, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Die von mehreren Organisationen getragene Initiative Integrated Food Security Phase Classification hatte die Einschätzung einer bestehenden Hungersnot in Gaza Anfang Juli zwar relativiert. Diese Position ist aber fachlich sowie politisch umstritten und wird von führenden UN-Gremien offen infrage gestellt.