Hurra, wir lassen die Ozeanzirkulation kollabieren!

Seite 2: Was sagen wir unseren Kindern 2045?

Und damit kommen wir zur aktuellen Studie, die uns einen drohenden Aspekt des kollektiven Weiter-So in aller Klarheit vor Augen führt. So gehen die Wissenschaftler:innen aus den USA und Australien, die die Forschung durchgeführt haben, davon aus, dass das Schmelzen des Eises um die Antarktis bis 2050 zu einer raschen Verlangsamung der überlebenswichtigen globalen Tiefseeströmung führen wird, wenn die Emissionen nicht drastisch abnehmen.

Das könne in den kommenden Jahrzehnten zum Kollaps der Zirkulation führen. Damit werde das Weltklima für Jahrhunderte verändert und der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt.

Telepolis hatte schon berichtet, dass das Antarktis-Eis in einem noch nie dagewesenen Tempo wegschmilzt. Dadurch dringt Süßwasser in den Ozean ein, wodurch sich der Salzgehalt und die Dichte verringern, die für den Antrieb der "umwälzenden Zirkulation" des Wassers in den Tiefen der Weltmeere erforderlich sind.

Da die Treibhausgasemissionen trotz deutlicher Warnungen von Energie- und Klimaexperten weiter ansteigen, wird sich die Strömung in der Tiefsee bis 2050 voraussichtlich um 40 Prozent verlangsamen, so die in Nature veröffentlichte Studie.

Die Studien-Autoren warnen davor, dass die Tiefsee-Zirkulation, die über tausend Jahre brauchte, um sich zu entwickeln, in wenigen Jahren drastisch verändert werde. Es geschehe zudem viel schneller als zuvor noch erwartet.

Wir sprechen hier über die mögliche langfristige Auslöschung einer erdgeschichtlichen Wassermasse,

sagt Mitautor Matt England gegenüber dem britischen Guardian.

Nicht berücksichtigt in der Studie ist, dass der Ozean aufgrund der Komposition seiner oberen Schichten dann nur noch begrenzt in der Lage wäre, Kohlendioxid zu absorbieren. Warmes Wasser könnte zunehmend in das westantarktische Schelfeis eindringen, was eine Rückkopplungsschleife und ein noch stärkeres Abschmelzen der Gletscher zur Folge hätte.

Die Studie ist insofern "eher konservativ", als sie nicht auf dieses "Katastrophenszenario" eingeht, stellt Alan Mix fest, ein Mitautor des jüngsten Berichts des Weltklimarats (IPCC), gegenüber Al Jazeera.

John Church, emeritierter Professor an der Universität von New South Wales in Australien, fordert angesichts der wissenschaftlichen Befunde ein sofortiges Umsteuern:

Die Welt muss dringend ihre Emissionen drastisch reduzieren, um den Weg hoher Emissionen verlassen zu können, den wir derzeit beschreiten.

Diejenigen, die hierzulande und in anderen Industriestaaten die Politik bestimmen, sind aber weiter nicht bereit (siehe oben), dem fossilen Treiben Einhalt zu gebieten bzw. auch nur den kleinen Finger zu krümmen, um auf die schrillen Rauchmelder-Warnungen der Wissenschaft zu reagieren und den Planeten zu stabilisieren.

Vielmehr ergehen sich in Deutschland nicht nur konservative, wirtschaftsnahe Politiker:innen und Journalisten in Schadenfreude, ihre "Gegner:innen", also jene, die für mehr Klimaschutz eintreten, erneut besiegt zu haben – beim Berliner Volksentscheid, bei der Wärme- und Verkehrswende, bei der schmutzigen Gas-Offensive oder dem Abbaggern von möglichst viel Kohle.

Der Journalist Tilo Jung vom Video-Magazin Jung & Naiv bringt die moralische Komponente derart auf den Punkt:

Wenn mich meine Tochter in 2045 fragt, wieso der Planet brennt und das Klima kollabiert, werde ich ihr zeigen, wie in der deutschen Politik in 2023 mit "Dafür gibt's noch keine Mehrheiten" gegen den umgehenden Stopp der Zerstörung der Lebensgrundlagen argumentiert wurde.

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