IEA-Chef Birol: Gänzlich andere Energiewelt in Sicht
Öl- und Gasüberschüsse in Sicht. IEA sieht Wendepunkt für fossile Energien. Doch was bedeutet das für die globale Energiezukunft?
Die Welt steht vor einem neuen "Zeitalter der Elektrizität", in dem fossile Brennstoffe an Bedeutung verlieren. Dies geht aus dem neuen World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Die Nachfrage nach Öl und Gas wird demnach noch in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen.
Überschüsse bei Öl und Gas erwartet
Die IEA prognostiziert, dass es in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu einem Überangebot an Öl und Flüssiggas (LNG) kommen könnte. "Die Aussicht auf ein größeres oder sogar überschüssiges Angebot würde uns in eine gänzlich andere Energiewelt führen", sagte IEA-Chef Fatih Birol. Das könnte die Preise drücken und Mittel für Investitionen in saubere Energien freisetzen.
Allerdings sei die weitere Entwicklung mit großen Unsicherheiten behaftet. Dafür sorgen laut IEA vorwiegend geopolitische Spannungen, etwa im Nahen Osten und in Russland. Hinzu kommen 2024 Wahlen in Ländern, die für die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs stehen. Kurzfristig könnten Konflikte auch zu Engpässen in der Ölversorgung führen.
Rekord bei Erneuerbaren – fossile Nachfrage vor Peak
Trotz dieser Risiken schreitet die Entwicklung sauberer Energien rasch voran. Im Jahr 2022 ging weltweit eine Rekordmenge an sauberer Energie ans Netz, darunter mehr als 560 Gigawatt an erneuerbarer Stromerzeugungskapazität.
Die weltweite Ölnachfrage erreicht nach dem IEA-Szenario auf Basis der aktuellen Politik noch vor 2030 mit knapp 102 Millionen Barrel pro Tag ihren Höhepunkt. Danach sinkt sie bis 2035 wieder auf das Niveau von 2023, hauptsächlich wegen der sinkenden Nachfrage im Transportsektor durch die zunehmende Verbreitung von Elektroautos.
Erneuerbaren-Ausbau muss beschleunigt werden
Um den Übergang zu einer sicheren und sauberen Energieversorgung zu beschleunigen, sind laut IEA jedoch noch stärkere politische Maßnahmen und höhere Investitionen – vorwiegend in Stromnetze und -speicher – erforderlich. Derzeit fließen von jedem Dollar, der in erneuerbare Stromerzeugung investiert wird, nur 60 Cent in die dafür notwendige Infrastruktur.
"In der Energiegeschichte haben wir das Kohlezeitalter und das Ölzeitalter erlebt – und jetzt bewegen wir uns mit großen Schritten auf das Stromzeitalter zu", betont IEA-Chef Birol. Dieses werde künftig das globale Energiesystem prägen – und zunehmend auf sauberen Stromquellen basieren.