Idriss Déby: Diktator und notorischer Schlächter mit internationalen Ehren beerdigt
Der Tod des Präsidenten von Tschad: Zum Staatsbegräbnis kam auch Macron. Bei den Machthabern im Tschad handelt es sich nicht um "irgendein" korruptes Autokratenregime
Dieses Mal konnte die Schutzmacht Frankreich ihn nicht retten. Mehrfach hatte die französische Armee ihm in der Vergangenheit quasi den Kopf aus der Schlinge gezogen. Doch am vorgestrigen Dienstag verkündeten die Militärs im mittelafrikanischen Wüstenstaat Tschad, nun sei es um den 68jährigen Präsidenten des Landes geschehen.
Auch in Frankreich sandten die wichtigsten Sender alsbald Nachrufe auf den Staatschef Idriss Déby, der häufig im Kampfanzug auftrat, ebenso wie in den traditionellen Kleidern oder im Diplomatenkluft.
Die Nachricht wurde zwar am Dienstag dieser Woche bekannt, doch kam der seit dem 1. Dezember 1990 ununterbrochen amtierende Staatspräsident wohl bereits am vorigen Wochenende bei Kämpfen im Sahara-Gebirgszug Tibesti ums Leben. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass er selbst mit einer Waffe im Sand lag wie ein Fußsoldat, doch befehligte er mutmaßlich die Kämpfe im Feld von einem Gefechtsstand aus. Dabei wurde er tödlich getroffen.
Die nackte Gewalt des Regimes
Kurz zuvor hatte sich Idriss Déby im Laufe einer neuerlichen Wahlfarce triumphal an die Spitze des Landes für eine sechste Amtszeit "wiederwählen" lassen. Die Präsidentschaftswahl fand am 11. April statt. Acht Tage später wurde das amtliche Ergebnis verkündet, Idriss Déby erhielt demzufolge offiziell 79,32 % der abgegebenen Stimmen.
An eine wahrhaftige und freie Wahl glaubte dabei ernsthaft niemand. Wollte jemand ernsthaft als Gegenkandidat zu Idriss Déby antreten, bekam er alsbald die nackte Gewalt des Regimes zu spüren. Etwa sein Verwandter Yaya Dillo. Dieser meldete im Februar dieses Jahres zunächst eine Kandidatur an.
Daraufhin wurde sein Haus durch Sicherheitskräfte belagert, ein Panzer fuhr fort, schließlich wurde sein Domizil gestürmt und seine Mutter dabei getötet. Yaya Dillo gilt seither als flüchtig, und das tschadische Regime setzt alles daran, ihn aufzugreifen. Deswegen standen bei der Wahl auch nur Idriss Déby und alternativ ein paar Sparringspartner zur Wahl, sämtliche ernst zu nehmenden Oppositionskräfte riefen jedoch zum Urnenboykott auf.
Kurz nach der Wahl, die keine war, rückten die 2016 gegründete Rebellengruppe FACT vergangene Woche von der libyschen Grenze her in den Norden des Tschad ein. Das Regime der rund 1.000 Kilometer weit südlich gelegenen Hauptstadt N’Djamena spielte das Geschehen zunächst herunter, doch offenkundig zu Unrecht. Denn für den Militärpräsidenten Idriss Déby hatte die Auseinandersetzung nun fatale Konsequenzen.
40.000 verschwundene Menschen
Bei den Machthabern im Tschad handelt es sich nicht um "irgendein" korruptes Autokratenregime, von denen es in seiner Region mehrere gibt. Idriss Débys Amtsvorgänger Hissène Habré, in dessen Regierungszeit von 1982 bis 1990 rund 40.000 Menschen "verschwanden", wurde 2017 vor einem internationalen Gericht im westafrikanischen Dakar wegen "Verbrechen gegen die Menschheit" rechtskräftig zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Der jetzt zu Tode gekommene Präsident Idriss Déby Itno putschte ihn zwar im Dezember 1990 aus dem Amt, war jedoch selbst an Habrés Verbrechen beteiligt und dessen Generalstabschef in den Jahren von 1982 bis 1989. Auch unter ihm gingen Folter und Ermordung politischer Widersacher weiter, wenn auch mit geringerer Intensität als zuvor.
Politische Gegner und gesellschaftliche Dissidenten werden nun mitunter auch mal eingebunden und mit finanziellen Lockangeboten integriert. Sogar auf Gewerkschaften wurde hin und wieder zugegangen. Infolge einer Vereinbarung von Ende Oktober 2018 bspw. wurden die Löhne im öffentlichen Dienst seit dem 1. Februar 2019 auf einen Schlag um 35 Prozent erhöht, was allerdings auch ausdrückt, wie tief sie zuvor lagen.
Idriss Déby war ein Diktator und auch ein notorischer Schlächter - beispielsweise wurde am 12. Dezember 2018 Oumar Hissein gefoltert und ermordet; nachdem jedoch Fotos davon auf Facebook publik wurden, ließ das Regime daraufhin einen Polizeioffizier festnehmen.
Sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron - er hielt sich zuletzt im Dezember 2018 in Tschads Hauptstadt N’Djamena zum Staatsbesuch auf, hatte angekündigt, am Staatsbegräbnis teilzunehmen.
Frankreichs Militärinterventionen in das Nachbarland Libyens
Zuletzt hatte Frankreich in den Jahren 1969, 1972, 1983/84, 1986, im Februar 2008 und zuletzt vom 03. bis 06. Februar 2019 unmittelbar militärisch im Tschad eingegriffen. Seit den achtziger Jahren, als Libyen unter seinem damaligen langjähriger Staats- und "Revolutions"führer Muammar al-Qadhafi (eingedeutscht al-Gaddafi) im nördlichen Tschad eindrang und dort einen Wüstenkrieg führte, in dem es mit Frankreich konfrontiert war, ist die französische Armee dort dauerhaft stationiert; bereits zuvor unterhielt sie jedoch Stützpunkte.
Bei der bislang letzten (offenen) Intervention, 2019, bombardierten Kampfflugzeuge vom Typ Mirage 2000 der französischen Streitkräfte Pick Up-Kolonnen der Rebellentruppe "Union der Kräfte des Widerstands" (UFR), die damals ebenfalls von der libyschen Grenze her vorrückten. Die UFR, die über rund fünfhundert Kombattanten in Waffen im Wüstenkrieg verfügt, wurde geschlagen. 150 bis 200 ihrer Kämpfer wurden gefangen genommen, das tschadische Regime stellte sie unter Terrorismus-Anklage.
Die Rebellengruppen
Nicht alle Rebellengruppen gleichen sich dabei. Im Falle der "Union der Kräfte des Widerstands" (UFR) waren die Feinde des Menschenfeinds Idriss Débsind sicherlich selbst keine ausgemachten Menschenfreunde: Deren Anführer ist Timan Ardimi ( oder auch Erdimi aus dem Arabischen transkribiert), ein Neffe des Diktators, welcher wohl zu gerne dessen Platz eingenommen hätte. In seinen Methoden geht es etwa um den Umgang mit Dissidenz in den eigenen Reihen, steht er seinem nun verblichenen Onkel kaum nach.
Doch es gibt auch eine zivile, demokratisch ausgerichtete Opposition im Tschad, welche über einige Vertreter im Parlament verfügt. Diese übten allerdings ihrerseits 2019 ebenfalls heftige Kritik am militärischen Eingreifen Frankreichs. Max Kemkoye von der "Union der Demokraten für Entwicklung und Fortschritt" (UDP) bezeichnete es als "unangemessen", Mahamat Ahmat Alabo von der "Partei für Freiheitsrechte und Entwicklung" (PLD) als "Verletzung internationalen Rechts" und Einmischung in einen "inneren Konflikt".
Ardimis (respektive Erdimis) "Union" entstand während des Bürgerkriegs niedriger Intensität der Jahre 2005 bis 2010, in deren Verlauf mehrfach Rebellengruppen die Hauptstadt N'Djamena angriffen, aus dem Zusammenschluss von acht Gruppierungen. In ihnen sind vor allem die Zaghawa präsent.
So heißt die Ethnie des Präsidenten, die laut offiziellen Zahlen 4,5 Prozent der Bevölkerung des multiethnisch zusammengesetzten Landes ausmacht - in Wirklichkeit vielleicht weniger - und deren Angehörige in aller Regel privilegiert sind; etwa einen erleichterten Zugang zu Grundstücken und Handelslizenzen haben.
Einige unter den Zaghawa fühlen sich allerdings noch unterprivilegiert und würden gerne einen noch größeren Anteil für sich reklamieren. Noch bis im Jahr 2013 wurde die UFR durch den Diktator im Nachbarland Sudan, Omar el-Béchir, seit 1989 an der Macht und bis absoluter Gewissheit kein Menschenfreund - inzwischen selbst in Khartum im Gefängnis - protegiert. Danach ließ das sudanesische Regime diese Rebellengruppe jedoch fallen und zog es vor, sich an die tschadische Staatsführung anzunähern.
Ardimi seinerseits lebte seit 2010 im katarischen Exil. Die zeitweilige politische und territoriale Zerrissenheit im nördlichen Nachbarland Tschads, Libyen, in den Jahren seit 2011 und verstärkt seit 2014 eröffnete jedoch neue Perspektiven für Rebellengruppen, um sich dort anzusiedeln.
Im Süden Libyens sind nicht allein die Mitglieder der UFR aktiv, sondern auch andere tschadische Rebellen wie die 2016 gegründete Allianz FACT ("Front für Machtwechsel und Eintracht im Tschad) sowie der von ihm abgespaltene, zivil-militärisch gemische "Rat des militärischen Oberbefehls für die Rettung der Republik" (CCSMR).
Zu dessen Anführern zählte Hassan Mahamat Boulmaye, welcher zuvor als anerkannter politischer Flüchtling in Frankreich lebte. Zusammen unter anderem mit einem früheren oppositionellen Abgeordneten im Parlament des Tschad, Abderam Issa Youssouf, wurde Boulmaye jedoch im Oktober 2017 mutmaßlich im Niger festgenommen und durch die Behörden, ohne Vorlage von Anklagepunkte und an jedem Auslieferungsverfahren vorbei, in den Tschad ausgeliefert.
Dort soll der betagte frühere Abgeordnete Youssouf im September 2018 in Haft verstorben sein. Die beiden mit ihm zusammen Ausgelieferten sitzen seitdem in einem tschadischen Gefängnis ein.
Sowohl FACT als auch der CCSMR weisen erheblich bessere Verbindungen zur zivilen und demokratisch orientierten Opposition auf als etwa die Truppe von Ardimi, auch wenn im Falle des CCSMR auch Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in den eigenen Reihen erhoben wurden.
Machtkämpfe in Libyen
Durch die Veränderung der innenpolitischen Lage in Libyen sehen sich die dort ansässigen Rebellengruppen nun jedoch zunehmend bedroht. Anfang Januar 2019 erließ der Generalstaatsanwalt der Hauptstadt Tripolis einen Haftbefehl gegen 31 Vertreter von sowohl tschadischen als auch sudanesischen Rebellengruppen, die sich im zeitweilig durch keine Zentrealregierung kontrollierten Süden Libyens niedergelassen hatten.
Parallel dazu birgt die Tatsache, dass der zuvor in Ostlibyen erstarkte "Marschall" Khalifa al-Haftar 2018/2019 auch im Süden des Landes vorrückte, ebenfalls Gefahren für die Rebellengruppen aus den südlichen Nachbarländern.
Haftar wird im Süden Libyens als Vertreter einer Wiederherstellung arabischer Dominanz gegen die dort lebenden schwarzen Bevölkerungsgruppen wie die Toubou wahrgenommen. Viele tschadische Rebellen wie Boulmaye sind ebenfalls Toubou und konnten deswegen leicht Allianzen im Raum Sebha eingehen.
Militärrat im Tschad
In N’Djamena selbst bleibt vorläufig das bisherige Regime, nun ohne Idriss Déby an der Spitze, an der Macht. Unter seinem Sohn Mahamat Idriss Déby Itno, einem 37jährigen Armeegeneral, wurde ein regierender Militärrat formiert. Der löste die bisher amtierende Regierung sowie das Parlament auf.
Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte dieser Militärregierung seine Unterstützung, nicht ohne dieselbe zu, nun ja, einem "demokratischen Prozess" aufzufordern. Die Rebellengruppe FACT ihrerseits kündigte an, auf die Hauptstadt N’Djamane vorzurücken.
Ergänzung:
Le Drians Vorgesetzter und Staatschef Emmanuel Macron nahm am gestrigen Freitag persönlich an der Beerdigung seines verstorbenen Amtskollegen in N’Djamena teil ebenso wie EU-Außenminister Josep Borrell.
Die Rebellengruppe FACT ihrerseits kündigte an, auf die Hauptstadt N’Djamane vorzurücken. Am Samstag wurden Luftangriffe auf die Rebellenkolonnen von FACT gemeldet.