Im Fall eines Atomkrieges: USA wollen auch danach Weltmacht bleiben
Die USA rüsten sich für alle Szenarien eines Atomkrieges. Das Pentagon will auch danach die globale Führung behaupten. Was das für Europa bedeutet.
Die Gefahr eines Atomkrieges ist nach Einschätzung eines hochrangigen US-Militärs deutlich gestiegen. Bei einer Tagung des Thinktanks "Center for Strategic and International Studies" (CSIS) erklärte Rear Admiral Thomas R. "TR" Buchanan, Direktor für Strategie und Politik beim US-Strategiekommando (Stratcom), dass das Auftreten mehrerer nuklear bewaffneter Rivalen die Lage verkompliziere.
Besonders besorgniserregend aus der Sicht Washingtons: Eine mögliche Kooperation zwischen Russland, China und Nordkorea. Eine solche Entwicklung würde die bisherige Abschreckungsstrategie der Nato-Führungsmacht vor ein "komplexes, aber nicht unlösbares Problem" stellen, so Buchanan.
Doch selbst für den Fall eines nuklearen Schlagabtauschs gab sich der Admiral optimistisch, was die künftige Rolle der USA betrifft. Man wolle einen solchen Konflikt unter Bedingungen beenden, "die für die Vereinigten Staaten am besten annehmbar sind", betonte er.
Das Ziel sei es, auch nach einem Atomkrieg über "ausreichende Fähigkeiten und Reservekapazitäten" zu verfügen, um weiterhin als globale Führungsmacht agieren zu können. Gewinnen definiere sich dann nicht mehr über einen klaren Sieg, sondern darüber, die Führungsrolle zu behaupten.
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Um die nukleare Abschreckung glaubwürdig zu halten, setzen die US-Streitkräfte laut Buchanan auf eine Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals und der Führungssysteme. Zudem werde die Abstimmung mit den Verbündeten verstärkt, vorwiegend mit den NatoPartnern, Japan, Südkorea und Australien. Dass Präsident Joe Biden einen neuen Atomwaffeneinsatzplan in Auftrag gegeben habe, unterstreiche den Willen, den veränderten Bedrohungen Rechnung zu tragen.
Hintergrund ist, dass sich das internationale Umfeld in den Augen Washingtons grundlegend verändert hat. Mit Russland und China gibt es gleich zwei Atommächte, die offen eine Revision der globalen Ordnung anstreben. Nordkorea verfügt ebenfalls über Nuklearwaffen und droht immer wieder damit, diese auch einzusetzen. Hinzu kommen Sorgen über eine mögliche nukleare Aufrüstung des Iran.
Neue Atomwaffendoktrin der USA
Um auf diese multiplen Herausforderungen zu reagieren, hat Biden im März eine Überprüfung der "Nuclear Posture" angeordnet – der grundsätzlichen Ausrichtung der Atomwaffenpolitik. Erste Ergebnisse sollen im Laufe des Jahres vorliegen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die USA die Bedeutung von Kernwaffen in ihrer Verteidigungsstrategie eher noch stärker gewichten werden.
Das Problem dabei ist die Glaubwürdigkeit der Abschreckung. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Situationen, in denen sich die Atommächte an den Rand eines Nuklearkriegs manövrierten, etwa in der Kuba-Krise 1962 oder im Nato-Doppelbeschluss 1979. Doch letztlich wollte keiner der Beteiligten die Büchse der Pandora öffnen – das Risiko einer gegenseitigen Vernichtung schien zu groß.
USA müssten zu Atomkrieg bereit sein
Buchanan argumentiert nun, die USA müssten durch Aufrüstung und Kooperation die Fähigkeit demonstrieren, einen Atomkrieg notfalls auch führen und überstehen zu können. Unklar bleibt, wie ein solcher "begrenzter" Schlagabtausch aussehen könnte, ohne in einem globalen Inferno zu enden. Kritiker warnen, allein die Diskussion senke die Hemmschwelle und erhöhe damit die Gefahr einer Eskalation.
Gerade in Europa dürfte dieser Teil von Buchanans Rede für Unbehagen sorgen. Zwar betont der Admiral die fortdauernde Bedeutung der nuklearen Teilhabe für die Sicherheit der Verbündeten. Doch lässt sich kaum übersehen, dass damit auch die Gefahr steigt, in eine Auseinandersetzung der Großmächte hineingezogen zu werden.
So offenbaren Buchanans Äußerungen ein beunruhigendes Szenario: Um die Abschreckung zu stärken, müssen sich die USA und ihre Verbündeten paradoxerweise näher an den Abgrund eines Atomkrieges heranwagen.
Es ist mehr als fraglich, ob das die Welt sicherer macht.
Redaktionelle Anmerkung: Auf dem Bild ist die Präsidialmaschine Marine One zu sehen, nicht die Air Force One. Die Bildunterschrift wurde korrigiert.