Im Konsumismus gefangen

Verbraucher 2003: Zwangsläufig angepasst - aber nicht glücklich darüber

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In den letzten 20, 30 Jahren hat sich die Verbraucherlandschaft deutlich geändert. Dies zeigen die ersten aktuellen Ergebnisse aus einer seit den 80er Jahren laufenden Längsschnitt-Studie. Interessantestes Ergebnis des ersten qualitativen Studienteils: Die Konsumenten selbst sind mit ihrem Konsumverhalten und der Konsumgesellschaft zwar völlig unzufrieden, sehen aber keine Handlungsalternativen.

Gewöhnungseffekte überall

Seit 1982 werden in mehrjährigen Abständen die österreichischen Verbraucher aus Verbraucherforschungsperspektive (also nicht aus Marketinggründen und für Absatzzwecke) zu ihren Problemen, Einstellungen und Wertelagen von der AK-Wien befragt. Der repräsentativen Erhebung wird dabei in guter Sozialforschungstradition stets eine qualitative Tiefenstudie vorgeschaltet. Der Grund liegt auf der Hand: Quantitative Erhebungen kratzen meist nur an der Oberfläche herum, ob 40 oder 60 Prozent für oder gegen was sind, hängt natürlich auch von der Fragestellung und deren Umfeld ab. Übrigens, eine elektronische Zeitschrift für qualitative Forschung aus Berlin findet sich im Netz.

Viele Ergebnisse wundern einen nicht: Die Verbraucher sind heute an die Konsumgesellschaft, an den immer intensiveren Werbedruck und an die Angebotsvielfalt angepasster als in früheren Jahren. Vor allem die jüngeren Verbraucher unter 35 sind relativ zufrieden, was Lebensdauer von Konsumgütern, das Positive an der Werbung oder auch die (an sich oft fehlende) Beratung in den Geschäften anlangt. Lediglich die Bedienungsanleitungen finden viele zu kompliziert - sie werden aber ohnedies kaum genutzt, das nur nebenbei erwähnt.

Privatisierung hat den Verbrauchern wenig gebracht

Mit der sog. Privatisierung (Kommerzialisierung der früheren gemeinwirtschaftlichen bzw. staatlichen Infrastrukturmonopole), die die EU neoliberalistisch erzwungen hat, damit die Unternehmen ordentlich Geld verdienen können, haben die Verbraucher allerdings wenig Freude. Man nutzt hier - abgesehen vom Telefon - kaum etwas, da praktisch alle Befragten nicht mehr durchblicken. Zu kompliziert und unübersichtlich sind die Tarifstrukturen und Bedingungen, es zahlt sich nicht aus, sich damit auseinander zu setzen.

Konsumistische Anpassungsspirale

Verblüffend ist die Haltung der Mehrheit, ja praktisch aller Befragten, zur Konsumkultur. Die Menschen - so die Meinung - achten heute nur mehr auf Äußerlichkeiten, auf Konsumgüter, auf Geld und Erfolg. Das passt den Befragten zwar nicht, führt aber zur an sich paradoxen Haltung, dass man es im Alltag auch so halte bzw. halten müsse, weil eben alle das so machen.

Die Verbraucher spielen damit also letztendlich die Werbung, den Wettbewerb und die von Politik und Medien produzierte Leistungsgesellschaft in ihrer Alltagswirklichkeit nach und sehen offenbar keine Möglichkeiten mehr, aus diesem Geld- und Erfolgszwang heraus zu kommen. Die ökonomisch dominierte Wirklichkeit ist damit selbstreferenziell geworden oder, wenn man so will: die Marktgesellschaft (Karl Polanyi) totalitär.

Diese durchschimmernde Lethargie, Resignation und Ohnmacht, auch beim Umweltschutz übrigens, kennt offensichtlich keinen Ausweg aus diesem Erfolgszwang. Nur ein altes probates Beruhigungsmittel für die in der Tiefe mit dem Konsumismus unzufriedene Konsumentenseele bleibt, nämlich neuer Konsum.

Manche besonders Sensible verzweifeln daran und bringen sich - wie jetzt gerade in Tschechien serienweise - um, wenn sie diese Konsum- und Geldspirale durchschauen: "Ich bin ein weiteres Opfer des so genannten demokratischen Systems, in dem es nicht die Menschen sind, die entscheiden, sondern Geld und Macht.".