Im Kreis der schwarzen Sonne

Über den Nazi und Okkultisten Heinrich Himmler

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Es gibt renommierte Biografien über Heß, Göring, Göbbels, Heydrich, Jodl, Keitl, über Hitlers Leibarzt, über Himmlers Adjutant, aber keine mit diesen vergleichbare über Heinrich Himmler, der am 7. Oktober hundert Jahre alt geworden wäre.

Als würde man zurückschrecken, sich fürchten anzustecken, wenn man sich zu sehr mit diesem blassen Mann mit Mondgesicht und Rundbrille, dem weichen Masochistenkörper und der Haltung eines erigierten Penis beschäftigte. Heinrich Himmler kam aus engstirnig autoritärem Verhältnissen. Unendlich verklemmt brachte der Nichtraucher und Antialkoholiker in Gegenwart von Frauen kein Wort heraus. Wegen Kurzsichtigkeit durfte er im Ersten Weltkrieg nicht ins Feld. Ruckartig verschlang er Jules Verne, Schriften über Homöopathie, antisemitische Verschwörungstheorien und wurde Anhänger der Welteislehre von Hanns Hörbiger, dem Vater des Schauspielers Paul Hörbiger, Großvater der Schauspielerin Christiane Hörbiger und Urgroßvater der Schauspielerin Mauve Hörbiger. Die Welteislehre besagt, dass die Erde aus einem Eisnebel und Eisklümpchen entstanden sei, im Weltall Eisringe herrschen und der Mond aus Eis bestehe. Dann war da noch Dietrich Eckart, erster Schriftleiter des Völkischen Beobachters, geistiger Mentor der Bewegung, ein Anhänger der aus dem Hinduismus stammenden "Maya"-Lehre, wie sie auch Schopenhauer aufnahm: Die Welt als bloßer Schein. Und auch Eckarts Angst vor Frauen fiel bei Himmler auf fruchtbaren Boden, es galt den `FroschkönigŽ-Komplex zu bezwingen, das heißt, der Prinz, der Mann, wird nicht mehr durch den Kuss einer Frau erlöst, nicht, wie bei Faust, das ewig Weibliche zieht uns hinan, sondern eiserne Selbstüberwindung.

So wie Kinder, die nicht glauben wollen, dass sie von ihren Eltern abstammen, suchte Himmler nach seinen wahren, den götterähnlichen Ahnen, die ihn aus Mittelmäßigkeit und beruflichem Versagen reißen sollten, und fand sie in den Irminen und Asen der ariosophischen Zirkel: Panarische Union, Germanischer Orden, Ordinis Novis Templi und Thule Gesellschaft. Letztere gilt als die Keimzelle der NSDAP. Hitler, Heß, Göring, Rosenfeld und Himmler waren Mitglied, und spielte eine Schlüsselrolle beim Ende der Münchner Räterepublik. Deren Hass auf "Unken- Drachen- Robotermenschen" speiste sich aus der Evolutionslehre der ŽWurzelrassenŽ, wie es die Theosophen erschauten und Rudolf Steiner hellseherisch erforschte, ein Erbe, mit dem sich die Antroprosophie heute herumschlagen muss:

Die erste Wurzelrasse waren astrale Mondschatten, die Zweite, schweißgeborene, hermaphroditische Riesen, die dritte Rasse bestand aus Gasen, Flüssigkeit und gallertartigen Knochen, und die vierte Rasse, vollkörperliche Riesen mit magischen Kräften, lebte auf Atlantis. Die Arier waren die fünfte Rasse, während die Juden aus den minderrassigen Tschandalen hervorgingen. Oder, wie es in den ariosophischen Anschauungen von Guido von List und Lanz von Liebenfels heißt: "Die blonde heroische Rasse ist der Götter Meisterwerk, die Dunkelrasse der Dämonen Pfuschwerk." Der ehemalige Zisterziensermönch Lanz von Liebenfels -"Der Mann, der Hitler die Ideen gab" , wie das erste Buch über die esoterischen Grundlagen des Nationalsozialismus heißt, interpretierte den Glauben neu: Christus sei ein Mann der Tat, ein blonder, blauäugiger Recke, erst die jüdische Verfälschung hätte aus ihm einen sanftmütigen Allesverzeiher gemacht. Fast alle führenden Nazis stammten aus streng katholischem Milieu, vom dem sie allerdings, wie Luzifer von Gott, abfielen und, darin den Satanisten gleich, den katholischen Ritus umdrehen, pervertieren: Auch das Hakenkreuz ist ein Kreuz.

"keine weibische Erlösung von außen"

In den Zwanziger Jahren, in der Blütezeit die Runenforscher, Geopolitiker und Germanoextatiker, kam auch Aleister Crowley (Das große brennende Ich) nach Deutschland, um sich 1925 im thüringischem Weida zum Weltheiland ausrufen zu lassen. Das klappte nicht ganz. Crowley -"Ehedem Hitler ward, bin Ich!"- notierte begeisterte Anmerkungen an den Rand von Hitlers Gedanken:

This policy was surely implied by Aiwass in the Book, with its slogans, its feasts and its freedoms.

Hitler aber, es kann nur einen Satan geben, ignorierte ihn.

Als die Nazis an die Macht kamen, war der Realpolitiker Hitler schlau genug, sich von den sozialistischen Elementen um SA-Führer Röhm und den Gebrüdern Strasser auf fast kannibalische Art ebenso zu trennen wie von seinen esoterischen Lehrern, dem entlaufenem Mönch Lanz von Liebenfels, dem Hochstapler Freiherr von Sebottendorff, Gründer der Thule Geselllschaft, und dem Irrenhäusler Karl Maria Wiligut, Designer des SS-Totenkopfringes, der Morphinist Dietrich Eckart war vorher schon am Alkohol zugrunde gegangen; ihre Lehren lagen auch verdächtig nah an der Freimaurerei, die nach nationalsozialistischer Lesart ja jüdisch-bolschewistisch waren. Die Theosophische Gesellschaft, die Antroprosophen, den Ordo Templi Novo von Crowley ließ Hitler verbieten.

Nur bei Himmler konnten sich die Okkultisten halten. In seinem SS-Referat `AhnenerbeŽ wurde Runenkunde, Geschichte, Rassekunde und medizinische Forschung betrieben, Naturheilkunde und experimentelle Medizin an lebenden Menschen aus dem KZ.

Medizinische Experimente der Nazis; ein Gefangener wird in einen Tank mit kaltem Wasser getaucht

Himmlers Steckenpferd, die Welteislehre, sollte unter dem vernünftiger klingendem Namen Wetterkunde bewiesen werden. Hagelniederschläge, also Eis aus dem Weltall, wurde archiviert, in Äthiopien wurden Sandwellen am Meeresufer gezählt, an die deutschen Observatorien wurden Glazialkosmologen wie Philipp Fauth berufen, Leiter der Sternwarte am Deutschen Museum in München, nach dem eine Straße in Bad Dürkheim benannt worden ist und der einen Mondkrater nach Hanns Hörbiger taufte, - er heißt immer noch so.

Expeditionen der SS sollten auf den Spitzen der Hochgebirge nach Überlebenden der vom Welteis verschonten arischen Ahnen, den Irminen und Asen suchen, in der bekannten Tibetexpedition der SS zum Beispiel den Yeti. Heinrich Himmler, der sich als Reinkarnation von Heinrich dem Löwen sah, zog sich gern aus dem Berliner Trubel nach Wewelsburg zurück. Dort versammelte er den inneren Kreis der SS zu einem schwarzen Orden mystischer Gralssucher in gotisch-dunklen Gewölben mit heidnischen Zeichen und Riten. Hier im Kreis der schwarzen Sonne, unter gleichgesinnten Männern, da war Himmler ganz bei sich, das Andere da draußen, die Judenvernichtung, war Pflicht, harte Arbeit an der Front. Denn da diese Tschandalen-Rasse aus der Ursünde, dem sodomitischem Akt zwischen Ariern und Tieren hervorgegangen sei, gälte für sie kein menschliches Mitleid. Das Leid der Anderen sei `MayaŽ - äußerer Schein.

Report von Himmler an Hitler, in dem er 363.211 ermordete Juden auflistet. Sie wurden in der von den Nazis besetzten Sowjetunion im Zeitraum von August-November 1942 ermordet.

Welteis lag um sein Herz. Keine weibische Erlösung von außen, wie beim Froschkönig, nein, die germanische Rasse musste aus sich selbst heraus befreit werden, durch keusche, harte Läuterung: "Die meisten von euch wissen, was es heißt, Hunderte von Leichen beieinander liegen zu sehen, fünfhundert, ja tausend. Das erlebt zu haben und doch, mit ein paar Ausnahmen menschlicher Schwäche, dabei anständig geblieben zu sein, hat uns hart gemacht."

Literatur

Nicholas Goodrick-Clark: "Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus" Rüdiger Sünner: "die schwarze sonne" Franz Wegener: "Das Atlantidische Weltbild"