Immobilien erben wird ab 2023 teurer – für die Mittelschicht
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Das deutsche Erbrecht begünstigt sehr hohe Vermögen, die vielfach steuerfrei vererbt werden. Wie sich reiche Menschen vor dem Fiskus zu armen Schluckern machen und damit durchkommen.
Das Erben ist ein Thema, bei dem sich die gesellschaftliche Spaltung auf ganz eigene Art zeigt, schrieb der ehemalige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans kürzlich in einem Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Die Reichen würden dadurch noch reicher, die Mittelschicht werde durch Steuern geschröpft und ein Großteil der Gesellschaft erbe im Prinzip gar nichts.
Auf einen Teil der Erben kommen ab nächstem Jahr höhere Kosten zu: Wer eine Immobilie erbt, muss sich auf eine höhere Erbschaftssteuer einstellen. Am Freitag beschloss der Bundestag das Jahressteuergesetz, mit dem vererbte und verschenkte Immobilien höher bewertet werden.
Mit dem Gesetz kommt der Bundestag einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach, das die Neubewertung von Immobilien nach dreizehn Jahren vorgeschrieben hatte. Steuersätze und Freibeträge wurden damit zwar nicht verändert – aber durch den höheren Wert einer Immobilie fallen in vielen Fällen auch mehr Steuern an.
Bislang kann ein Vermögen von 500.000 Euro steuerfrei durch Erben und Schenken an Lebenspartner übertragen werden, an Kinder 400.000 Euro und an Enkel 200.000 Euro.
Die bürgerlichen Parteien hatten versucht, diese Freibeträge im Laufe der Debatte anzuheben. Die FDP konnte sich in der Regierungskoalition allerdings nicht durchsetzen. Und die Union versucht es über den Bundesrat.
Einen entsprechenden Entschließungsantrag in der Länderkammer kam aus Bayern. Der Finanzausschuss des Bundesrats befasste sich am Donnerstag mit ihm – und brachte ihn zum Scheitern. Aber weil manche Details noch strittig sind, besteht weiterhin die Hoffnung, das Gesetz verändern zu können.
Die gesellschaftliche Spaltung zementiert sich beim Erben aber durch einen anderen Umstand, den die bürgerlichen Parteien allerdings nicht antasten wollen: Das deutsche Erbrecht begünstigt die steuerfreie Übertragung von großen Vermögen, zeigt eine am Mittwoch vorgestellte FES-Studie. Etwa 409 Milliarden Euro wurden in den Jahren 2009 bis 2020 steuerfrei vererbt – meist von vermögenden Menschen.
Knapp die Hälfte der Bevölkerung in der Bundesrepublik erbt gar nichts. Und von der anderen Hälfte erben zum großen Teil nur kleine Beträge. Einen "Zuschuss für die eine oder andere Anschaffung", wie es Walter-Borjans ausdrückt.
Von den knapp 400 Milliarden Euro, die jedes Jahr vererbt oder verschenkt werden, entfällt die Hälfte auf die wohlhabendsten zehn Prozent der Gesellschaft. Das reichste Promille der Bevölkerung erbt demnach jedes Jahr rund 50 Milliarden Euro. Weitere 150 Milliarden Euro gehen demnach an die reichsten 9,9 Prozent.
Unternehmensvermögen kann von Fiskus gerettet werden
Die Studie "Steuerprivilegien bei Erbschaften und Schenkungen" zeigt nun: Durch eine Ausnahmeregelung im Erbrecht kann Unternehmensvermögen mitunter steuerfrei vererbt werden.
In dem Zeitraum zwischen 2009 und 2020 geschah dies laut Studie in 3.630 Fällen mit Vermögenswerten von mindestens 20 Millionen Euro. Auf diese wenigen Fälle entfielen allerdings 64 Prozent des gesamten weitergereichten und steuerbefreiten Vermögens – insgesamt knapp 260 Milliarden Euro. Erbschafts- und Schenkungsanteile von mindestens 250 Millionen Euro machten rund ein Viertel des gesamten steuerbefreiten Vermögens aus – profitiert hätten laut Studie davon 173 Erben.
Die Studie ergab weiter, dass auch Kinder von diesen steuerfreien Erbschaften profitieren. Zwölf Prozent dieser Unternehmensübertragungen entfielen demnach auf Kinder unter 14 Jahren. In 40 Fällen sei ihnen ein Vermögen von mindestens 250 Millionen Euro vermacht worden, insgesamt rund 33,3 Milliarden Euro – und zu 99 Prozent blieben sie steuerfrei.
Die Trickkiste der Reichen, sich arm zu rechnen, ist groß, schreibt Walter-Borjans. Und sie kann auf das deutsche Erbrecht aufbauen.
Voraussetzung für die Verschonung ist nämlich nicht nur die ansonsten gefährdete Weiterführung des Unternehmens oder die Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern auch, dass die Erbin respektive der Erbe die Steuer bezahlen kann, ohne das Betriebsvermögen anzutasten. Darüber hinaus bleibt die Hälfte des Privatvermögens für den Fiskus tabu.
Norbert Walter-Borjans
Mit anderen Worten: Steuern zahlt nur, wer sie aus ihrem Privatvermögen leisten kann – und im Erbfall wollen dann viele der Reichen nicht dazu in der Lage sein. Möglichkeiten, sich zu drücken, gebe es viele, so Walter-Borjans.
Entweder man investiert vor dem Erbfall möglichst viel in das Unternehmen. Nach Vollzug der Erbschaft holt man es sich dann wieder zurück. Oder man gründet eine Familienstiftung, in die das Unternehmen eingebracht wird. Wenn diese Stiftung keine Mittel über die Unternehmensanteile hinaus besitzt, ist sie "arm", weil sie für die Steuerzahlung auf das Betriebsvermögen zurückgreifen müsste. Deshalb wird sie verschont.
Die wirklich Reichen, so Walter-Borjans, werden durch das deutsche Erbrecht mitunter wie arme Schlucker behandelt. Auf diesem Wege entstehe nicht nur ein Geldadel, sondern aus der Demokratie werde nach und nach eine "Erb-Plutokratie".