Immunschwäche nach Corona-Impfung: Fragen zu mRNA-Präparaten
Während die Tagesschau mRNA-Präparate als Krebs-Heilmittel preist, stellen Wissenschaftler immer mehr Fragen zur neuartigen Biotechnologie. Zuletzt auch Alexander Kekulé.
Darin dürften sich ausnahmsweise einmal alle Experten einig sein: Die Corona-Krise war der Durchbruch für die mRNA-Immuntherapie.
Die aus dem sogenannten Genetic Engineering entwickelte Biotechnologie wurde von der Tagesschau zuletzt als verheißungsvolles "Heilmittel gegen Krebs" gepriesen, und das Weltwirtschaftsforum warb Anfang Dezember für eine mRNA-Impfung, die "gegen alle gängigen Influenza-Varianten" eingesetzt werden kann. Schon 2024 könnte sie marktreif sein.
Gar nicht schlecht – dafür, dass die Technologie Ende 2018 noch als zu unausgereift galt, um sie Menschen, geschweige denn Massen, zu verimpfen. Besonders der Effekt der mRNA-Injektion auf das angeborene Immunsystem und diesbezügliche Nebenwirkungen machten den Wissenschaftlern Sorgen. So hieß es vom Forschungsdienstleister Virology Research Services im August 2018:
Noch problematischer ist die Tatsache, dass unser Verständnis darüber, wie die angeborene Immunität die adaptive Immunität beeinflusst, nicht ganz vollständig ist. Während die angeborene Immunität bekanntermaßen für den Aufbau einer wirksamen zellulären Antwort entscheidend ist, hat sich gezeigt, dass sie auch immunregulatorische Mechanismen auslöst, die die Immunantwort abschalten können. Wovon dies abhängt, ist nicht ganz klar und aus diesem Grund schwer zu kontrollieren.
Virology Research Services: mRNA vaccines go into humans, August 2018
Zwei Jahre vor der bedingten Zulassung der Covid-Impfungen mochten selbst naturgemäß euphorische Patentnehmer für mRNA-Therapien wie der ungarische Genetiker Norbert Pardi mit ihren Bedenken gegenüber Autoimmun- und Entzündungsreaktionen nicht hinter dem Berg halten.
Dann kam der Ausnahmezustand, der die Massenanwendung der Technologie erlaubte – und Zweifel hatten nur noch die anderen.
Corona räumte mit den Bedenken auf, so wie Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im April 2020 mit der Arzneimittelregulierung und der Gefährdungshaftung aufräumte. Dieser "Wunschzettel der Pharmaindustrie" verhindert Anwälten zufolge heutzutage die Schadensersatzzahlungen für Impfkomplikationen, die es laut Hersteller in dem Maße gar nicht hätte geben sollen.
Manche Nebenwirkungen und Impffolgen, wie die Störung des Menstruationszyklus, wurden erst spät von offizieller Seite – das heißt in dem Fall: vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – anerkannt. Es gibt deutliche Anzeichen, dass noch weitere dazugehören könnten. Die Gürtelrose – Fachterminus: Herpes Zoster (HZ) – ist einer der Kandidaten. Warum?
Erhöhtes Risiko – aber "kein Risikosignal"
Dazu braucht man sich nicht auf anekdotische Berichte aus dem Bekanntenkreis stützen, die sich auch in den Sozialen Medien (heißt allzu oft: leider unüberprüfbar) widerspiegeln. So gibt es eine Studie der Berliner Universitätsklinik Charité unter Leitung der Zahnärztin Saskia Preißner, die im April 2022 herausgefunden hat, dass das (relative) Risiko für HZ in den ersten beiden Monaten nach einer Covid-Impfung um 80 Prozent erhöht ist.
Es ist nicht der einzige Hinweis. Axel Schnuch, Facharzt für Dermatologie und Allergologie, hat für die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im September eine Übersicht über die Studienlage zum Zusammenhang Covid-Impfung – HZ erstellt.
In einem Beitrag in der Deutschen Apothekerzeitung weist Schnuch darauf hin, dass "zahlreiche Fallberichte" darauf hindeuten, dass nach einer Covid-19-Impfung "ungewöhnlich häufig jüngere Patient:innen von HZ betroffen sind".
So bestätigt die Studie der Charité unter anderem Untersuchungen aus der Schweiz (Biontech und Moderna: "Gürtelrose als neue Nebenwirkung entdeckt") und Israel (Biontech: "erhöhtes Risiko") vom Juni, respektive September 2021 sowie eine Lancet-Studie vom Februar 2022 aus Hongkong (Biontech/Sinovac: "signifikant höheres Risiko für Herpes Zoster innerhalb von 14 Tagen nach der ersten Dosis").
Eine Telepolis-Anfrage, ob dem Robert-Koch-Institut (RKI) seit dem Jahr 2020 (Beginn der Registrierung von Covid) beziehungsweise 2021 (Kernzeitraum der Impfkampagne) Daten zu einer "ungewöhnlichen Häufung" von HZ-Fällen vorliegen, beantwortet die Behörde mit "Nein". Ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verweist seinerseits auf das RKI. Pingpong.
Das für die Impfstoffüberwachung zuständige PEI indes sieht trotz der Berichte über ungewöhnliche Häufungen kein Risikosignal bezüglich der Gürtelrose. Auf Nachfrage von Telepolis schreibt die Behörde:
Bisher hat sich in keinem der [EU-]Mitgliedstaaten ein Risikosignal für das Auftreten von Herpes Zoster nach Impfung mit einem der Covid-19-Impfstoffe ergeben. Dies kann auch in den monatlichen Sicherheitsberichten (Safety Reports) der [Europäischen Arzneimittel-Agentur] EMA nachgelesen werden. Entsprechend wird Herpes Zoster in den Produktinformationen der Covid-19-Impfstoffe nicht [als Nebenwirkung] aufgeführt.
Antwort des Paul Ehrlich Instituts auf Telepolis-Anfrage, Oktober 2022
Ein Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie berief sich Ende November 2022 auf eine Studie, die keinen Zusammenhang zwischen Impfung und HZ festgestellt hat. Sie hat allerdings eine begrenzte Aussagekraft, da ein Herpes-Fall nur in Verbindung mit einer neuen oder verstärkten Medikation definiert wurde, nicht mit der bloßen Diagnose.
Selbst die ist eigentlich wenig aufschlussreich, weil: Wer geht schon wegen (bekanntem) Herpes zum Arzt?
Aber gut: im Zweifel für den Angeklagten. Stellen wir die Zahlen deshalb einmal zurück und wenden uns wieder dem Phänomen selbst zu: Was könnte die Ursache für die Gürtelrose-Reaktion sein – oder, wie Dermatologe Schnuch formuliert: Welcher "Pathomechanismus" steckt dahinter?
Was Gürtelrose mit Herzmuskelentzündung zu tun hat
Eine eindeutige Erklärung hat offenbar niemand. Es gibt aber ziemlich konkrete Vermutungen. So heißt es in der genannten Charité-Studie über die Windpocken, Gürtelrose, Herpes und Gesichtslähmung verursachenden Varizella-Zoster-Viren (VZV), die nach einmaliger Infektion lebenslang im Körper "schlummern":
Die vorübergehende Beeinträchtigung der VZV-spezifischen T-Zell-vermittelten Immunität könnte bei der Pathogenese der HZ nach der Impfung eine Rolle spielen. Es ist zu beachten, dass die VZV-Reaktivierung ein gut bekanntes Phänomen ist, sowohl bei Infektionen als auch bei anderen Impfstoffen.
Hertel, Preißner et al.: Real-world evidence from over one million Covid-19 vaccinations is consistent with reactivation of the varicella-zoster virus
Die Herpes-Viren werden dieser Annahme zufolge also durch eine vorübergehende Immunschwäche (Immunsuppression) reaktiviert, welche von einer Infektion, aber auch von einer Impfung herrühren kann.
Der Haken: Für die Gürtelrose-Reaktion unmittelbar nach der Impfung kann eine vorausgehende Infektion nicht die (alleinige) Erklärung liefern. Das nährt den Verdacht, dass die neuartigen mRNA-Präparate diesen zu verantworten haben. Und vielleicht auch noch mehr.
Denn unter Medizinern ist man sich weitgehend darüber einig, dass virale und vakzinale Überstimulationen des Immunsystems nicht nur zu einer Immunsuppression, sondern auch zu einer Autoimmunreaktion führen können.
Das deckt sich mit den mittlerweile zahlreichen Berichten zu Impfschäden und dem diesbezüglichen Nachweis sogenannter Autoantikörper, wie sie etwa in der Post-Covid-Ambulanz in Marburg oder an der Berliner Charité vom Neurologen Harald Prüß untersucht werden.
Während dieser gegenüber Telepolis beteuert, das Phänomen der Immunsuppression selbst nicht direkt zu erforschen und daher keine Auskünfte erteilen zu können, findet man in einem Ärzteblatt-Beitrag vom 20. September 2022 aufschlussreichere Hinweise auf den mutmaßlichen "Pathomechanismus".
Ein Forscherteam um den Internisten Lorenz Thurner vom Universitätsklinikum des Saarlandes, heißt es dort, hat eine direkte Korrelation zwischen post-vakzinalen Herzmuskelentzündungen und dem Nachweis von Autoantikörpern festgestellt.
Ist die berüchtigte Myokarditis eine Autoimmunreaktion? Dafür spricht einiges.
So hatte Telepolis Anfang Dezember über eine Charité-Studie (Baumeier et al.) zu post-vakzinaler Myokarditis berichtet, die die Herzmuskelentzündung nach Impfung ebenfalls als mögliche Autoimmunreaktion interpretierte – einmal aufgrund der spezifischen T-Zell-dominierten Entzündung, vor allem aber: aufgrund des Nachweises von impf-induziertem Spike-Protein im Herzmuskel.
Erwähnung fand die Studie im Kontext des brisanten MDR-Berichts über eine Untersuchung des Leipziger Pathologen Michael Mörz, der sich noch ein wenig weiter aus dem Fenster lehnte und von einer "ursächliche[n] Rolle der genbasierten Covid-19-Impfstoffe" im Zusammenhang mit Entzündungen im Hirn- und Herzbereich sprach.
Erst vor kurzem, am 4. Januar, ist eine Studie des Massachusetts General Hospital an der Universität Harvard erschienen, die ebenfalls eine eindeutige Korrelation zwischen post-vakzinalen Herzmuskelentzündungen bei Kindern und frei zirkulierendem Spike-Protein festgestellt hat. Eine Differenzierung nach viralem oder vakzinalem Ursprung wurde dabei allerdings nicht unternommen.
Dass das Spike-Protein entgegen den Beteuerungen von (öffentlich-rechtlichen) Faktencheckern eine toxische Wirkung im menschlichen Körper entfalten könnte, legte zuletzt auch eine Einlassung aus Japan nahe. Sie bringt auch das Phänomen der Gürtelrose wieder ins Spiel.
Kontrollverlust über die Körper-Fabrik
Im August 2022 erscheint im Journal of Cutaneous Immunology and Allergology die Fallstudie einer Gruppe um Dermatologin Mayuko Yamamoto, welche sich mit einem 64-jährigen Mann auseinandersetzt, der knapp zwei Wochen nach einer Biontech-Injektion über drei Monate lang HZ-Symptome zeigte.
Das Pikante: In seinen Hautläsionen (Wunden) wurde mittels immunohistochemischem Antikörpertest das vakzin-kodierte Spike-Protein nachgewiesen.*
Das SP [Spike-Protein] könnte die Ursache für die Immunsuppression sein, die eine VZV-Reaktivierung und deren Persistenz sowie Hautvaskulopathie [Gefäßerkrankung] und Thrombose ermöglicht.
Jüngste Veröffentlichungen haben gezeigt, dass die mit der mRNA-Covid-19-Impfung verbundene VZV-Reaktivierung bevorzugt bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen, einschließlich rheumatoider Arthritis (RA), auftrat, die mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt wurden.
Mayuko Yamamoto et al.: Persistent varicella zoster virus infection following mRNA Covid-19 vaccination was associated with the presence of encoded spike protein in the lesion
Da der 64-Jährige ebenfalls unter RA litt und entsprechende Medikamente eingenommen hatte, lässt sich auch die mutmaßliche Autoimmunreaktion so erklären. Der potenzielle Einfluss des Spike-Proteins ist damit allerdings nicht vom Tisch, im Gegenteil:
Obwohl die pathogene Rolle des SP bei der Läsion unklar blieb, war eine plausible Hypothese, dass die Stabilisierung der RNA durch den Ersatz aller Uridin-Nukleotide durch Methyl-Pseudouridin bei BNT162b2 zu einer langfristigen Produktion des kodierten SP aus beliebigen Zellen führen könnte, was die Mikroumgebung für das schützende Immunsystem, einschließlich der Haut, nachhaltig beeinflussen würde.
Studie von Mayuko Yamamoto et al.
Das Spike-Protein, so ließe sich laienhaft paraphrasieren, verbleibt nicht nur länger im Körper, sondern nutzt ihn fortlaufend als Fabrik. Wie lange und in welchem Maße – dazu fehlt bisher offenbar jegliche Kenntnis und vor allem: Kontrolle.
Das wagen sich mittlerweile selbst die medialen Experten in Deutschland zaghaft einzugestehen. Alexander Kekulé, in der 336. Folge des Corona-Kompass im MDR:
Diese Arbeit, die wir jetzt haben, stellt eben die Frage: Was ist das, was in diesen Lymphknoten hier monatelang offensichtlich, in einer Größenordnung von sieben Monaten und deutlich länger, zu einer Stimulation der Immunantwort in diesen Keimzentren in den Lymphknoten führt, die vergleichbar ist eigentlich mit einer Autoimmunkrankheit? Wir sehen so etwas Ähnliches auch bei Autoimmunkrankheiten oder auch bei Allergien. […]
Der Verdacht liegt hier nahe – das muss man sagen, auch wenn ich natürlich solchen Impfkritikern nicht Wasser auf die Mühle geben will – dass es eine Art Überdosierung der RNA- Impfstoffe ist. Dass die aus irgendeinem Grund zu lange wirken oder zu stark wirken, dass das Immunsystem solche Not-Abschaltmechanismen hier aktiviert, die wir sonst von Autoimmunkrankheiten kennen.
Alexander Kekulé, Kekulés Corona-Kompass, Folge 336 (Januar 2023)
... womit wir wieder beim Anfang dieses Textes, dem Jahr 2018 und der mangelnden Kenntnis zu den Auswirkungen der mRNA-Technologie auf das körpereigene Immunsystem angekommen wären.
Und wie geht es jetzt weiter? Eine Gruppe von niederländischen Wissenschaftlern hatte bereits im Juni 2021 festgestellt, dass der Biontech-Impfstoff eine "funktionelle Umprogrammierung der angeborenen Immunantworten bewirkt". Vieles spricht dafür, dass die Tragweite einer solchen Umprogrammierung nicht ausreichend bekannt ist und weiter untersucht werden muss.
Eine solche Untersuchung muss möglicherweise eine erneute Abwägung des Nutzen-Risiko-Profils bestehender (und künftiger) mRNA-Präparate einschließen – wenn auch nur, um die aus jüngsten Beobachtungen heraus aufgestellte These zu widerlegen, dass mRNA-Geimpfte aufgrund möglicher erworbener Immunschwächen gegenüber bereits zirkulierenden und künftigen (Atemwegs-)Erkrankungen weniger gut geschützt sind.
* In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass "mittels PCR- und immunohistochemischem Antikörpertest das Spike-Protein nachgewiesen" wurde. Wie User "Ossiwestfali" richtig bemerkt hat, bezieht sich der PCR-Nachweis natürlich nicht auf das vakzin-kodierte Spike-Protein, sondern auf die vorangehend beschriebenen Varizella-Zoster-Viren. Wir bitten unsere Leser, diesen Fehler zu entschuldigen.
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