Impfdebatte: Der Staat wird übergriffig, ohne die Bevölkerung zu schützen
Es reicht. Kommentar einer Geimpften
Wenn es um Prävention geht, sitzt die Bundesregierung im Glashaus - und mit Logik oder Verhältnismäßigkeit hat sie es auch nicht. Als Geimpfte soll ich also Angst vor Ungeimpften haben. Mehr als vor Autofahrern, wenn ich auf dem Rad sitze oder als umweltbewusster Mensch vor der Klimakrise. Jedenfalls dreht mir dieser Staat eine Nase, wenn ich davor effektiv geschützt werden will. Das ist doch hier kein Wunschkonzert für Ökos, nur weil sie sich auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens berufen.
Dieser Staat weigert sich, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, obwohl er das könnte, ohne in den menschlichen Körper hineinzuregieren.
Letzteres tut er aber offensichtlich lieber, als die Freiheit von Großkonzernen, Vielfliegern und SUV-Fahrern einzuschränken. Laut Kanzleramtsminister Helge Braun müssen Ungeimpfte gesellschaftlich ausgrenzt werden: "Es gibt zwei Argumente, die jeder Bürger kennen muss: Impfen schützt mich zu 90 Prozent vor einer schweren Corona-Erkrankung. Und: Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte", sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag.
Warum die Grundrechte so heißen, wie sie heißen
Danke für nichts. Grundrechte sind keine Belohnung für staatlich anerkanntes Wohlverhalten, sonst würden sie anders heißen - aber wer das dieser Bundesregierung erklären will, kann es wohl gleich einem Goldfisch erklären. Ich habe mich nicht impfen lassen, um diesen Leuten zu gefallen und mit dem Finger auf Menschen zu zeigen, deren persönliche Risikoabwägung anders ausgefallen ist als meine. Auch ich würde mich wohler fühlen, wenn es Langzeitstudien zu Covid-19-Impfstoffen gäbe - und nicht jeder, der diese Studien abwarten will, ist ein kategorischer Impfgegner und Wissenschaftsfeind.
Da die bisher bekannten Covid-19-Impfstoffe keine sterile Immunität erzeugen, bin ich für einen ungeimpften 80-jährigen Mann vielleicht immer noch gefährlicher als er für mich. Frauen in meinem Alter sterben auch ungeimpft extrem selten an Covid-19, aber manche von uns bekommen Long Covid. Dieses Risiko kann ich mit der Impfung um 90 Prozent reduzieren - diese Chance habe ich, wenn auch nicht ganz ohne Risiken, deren Umfang wir vielleicht erst in ein paar Jahren kennen.
Die Chance, mich individuell zu 90 Prozent gegen die Folgen der katastrophalen Umwelt- und Klimapolitik zu schützen, habe ich nicht. Niemand hat diese Chance. Alle haften für ein "Weiter so", auch wenn reiche Menschen besser damit klarkommen werden als arme. Deshalb werde ich auch mit Ungeimpften gegen diese Politik demonstrieren. Wenn Risikopatienten aus meinem Umfeld möchten, dass ich mich dann trotz meiner Impfung vor dem nächsten Treffen mit ihnen testen lasse, werde ich das tun.
Eine "Werbestrategie", die am Produkt zweifeln lässt
Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet nach gängiger Wissenschaftsmeinung in erster Linie sich selbst. Wer SUV fährt, gefährdet in mehrfacher Hinsicht andere Menschen. Als Hauptgefährder unterhalb der Terrorismusschwelle werden aber die Ungeimpften dargestellt. Kanzleramtsminister Braun hält es für rechtlich zulässig, sie aus Restaurants und Kinos zu verbannen. Manche Kabinettsmitglieder wollen auch die breite Masse der Bevölkerung dafür gewinnen, diese mutmaßlichen Virenschleudern sozial zu ächten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte vor wenigen Wochen: "Wer heute nicht geimpft ist, darf sich morgen nicht beschweren, wenn er nicht zur Party eingeladen worden ist."
Eine solche "Werbestrategie" wirft natürlich bei Zweifelnden die Frage auf, ob die Impfung als Eigenschutz überhaupt etwas taugt - und warum Hochrisikogruppen zuerst geimpft wurden und nicht diejenigen, die möglichst schnell wieder feiern gehen wollten.
Und noch etwas: Wer meint, dass die Krankenkasse im Ernstfall nicht für die Beatmung des 80-jährigen ungeimpften Mannes zahlen soll, ist selbst eine größere Gefahr für die Allgemeinheit, denn dabei würde es nicht bleiben. Irgendwann wären fast alle Kranken "selbst schuld": Raucherinnen und Trinker ebenso wie brave, pflichtbewusste Bürokräfte, die es nicht geschafft haben, regelmäßig Ausgleichssport zu machen und dann mit orthopädischen Problemen um die Ecke kommen. Wie wäre es stattdessen mit einem Werbeverbot für gesundheitsschädliche Produkte und einer 35-Stunden-Arbeitswoche? - Ach nein, das schadet ja der deutschen Wirtschaft.
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