"In Deutschland wird auf Repression gesetzt"
Fetisch-Ikone, Domina und Ex-Polizistin Calea Toxic über die Auswirkungen der Corona-Politik auf die Branche, über Feminismus und Doppelmoral
Die Diplom-Verwaltungswirtin und Ex-Oberkommissarin Calea Toxic gehört zu den bekanntesten Models der weltweiten Fetisch- und Kink-Szene und arbeitet als Resident Dominatrix im "Alten Bizarren Bahnhof" in Duisburg, der von der Brasilianerin Fetish Medusa betrieben wird. Zudem gastiert sie regelmäßig in Berlin, Amsterdam, Zürich, Düsseldorf, München und Dubai. Als Model arbeitete sie unter anderem mit dem weltweit bekannten Fotografen Christophe Mourthe und der Szene-Größe Nikitzo zusammen, über ihren ungewöhnlichen Lebensweg von der höheren Polizei-Laufbahn in das Adult Entertainment berichtete unter anderem auch die brasilianische Ausgabe der Glamour-Zeitschrift Marie Claire.
Prostitution ist nach Medizin der Dienstleistungssektor, der in Deutschland die höchsten Umsätze erzielt in jährlich zweistelliger Milliardenhöhe und damit nachhaltig rundum die Binnenwirtschaft am Laufen hält, zumal Deutschland nach der Liberalisierung der Prostitutionsgesetze in den letzten Jahrzehnten nach Thailand auch zum beliebtesten Reiseziel für zahlungskräftige Sex-Touristen wurde, was nicht nur den Finanz- und den Wirtschaftsminister erfreuen dürfte – zudem profitieren durch den erweiterten Grenzverkehr zum Beispiel aus dem extrem rigiden Frankreich, der in der Branche überregulierten Schweiz und durch Fernfahrer im Speditions-Haupttransitland Deutschland nahezu alle Wirtschaftsbereiche und die gesamte Gesellschaft vom "ältesten Gewerbe der Welt".
Umso verwunderlicher ist es, dass kaum eine Wirtschaftsbranche so sehr unter den staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen leiden muss und das Thema medial kaum eine Rolle spielt, trotz der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Prostitution und den immensen Auswirkungen des Total-Berufsverbotes. Was auch daran liegen könnte, dass im Gegensatz zu anderen körpernahen Dienstleistungen wie denen der Ärzteschaft, der Friseure oder der Kosmetikerinnen Sexarbeiter:innen aller Couleur auch in einer scheinbar zivilisierten Gesellschaft keine nennenswerte offene Lobby in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft haben.
Experten vermuten, dass in Deutschland bis zu zwei Millionen Frauen, Männer und Transpersonen der Sexarbeit in Voll- oder Teilzeit nachgehen.
Auch wenn der finanzielle Schaden mit dem Berufsverbot also je nach Person, monetärem Polster und Tätigkeitsbereich sehr unterschiedlich ausfallen dürfte, wurde im Lockdown rund zwei Millionen Menschen die Einnahmenquelle entzogen und damit auch hunderttausenden Frauen die materielle Existenzgrundlage für ein selbstbestimmtes Leben im Zeichen der Emanzipation und der Freiheit der individuellen Lebensgestaltung von Frauen, Sans Papiers ("illegalen" Migrant:innen), Queeren und Transpersonen.
Die komplette und historisch nahezu einmalige Illegalisierung des in allen aufgeklärten Gesellschaften anerkannten Berufes und der Berufung der Liebesdienerinnen dürfte also gesamtgesellschaftlich sehr negative Auswirkungen zeitigen, zumal im Bereich der nicht vorteilhaften Umstrukturierung ganzer Stadtteile und "klandestiner" Gesellschaftsgruppen, welche mit bezahlten sexuellen Dienstleistungen offen oder konspirativ verwoben sind.
Durch diesen Wandel des Milieus und der Akteure stieg die Zahl der Gewalttaten sowohl gegen Sexarbeiter:innen und gegen Kunden als auch gegen Passanten erheblich an und führte auch zur massenhaften Generierung von Umsatz durch Straftaten wie räuberischer Erpressung gegen Freier. Jüngst begann in NRW der Prozess gegen eine K.o.-Tropfen-Bande aus vier Prostituierten und einem Komplizen, die ihre Opfer über seriöse und große Internet-Plattformen suchten.
Durch die kontinuierliche Kriminalisierung der seriösen Sexarbeit im Lockdown und die damit verbundene Flucht in die digitale Anonymität steht nun zu befürchten, dass die Gewalt-Prägung des Milieus nach der bundesweiten Befriedung der letzten zwanzig Jahre nun wieder in bisher ungeahntem Ausmaß zunehmen wird über das opferreiche Niveau der 80er Jahre.
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