In Großbritannien dürfen Menschen geklont werden
Die vom Obersten Gericht in einem Urteil bestätigte Gesetzeslücke freut die Abtreibungsgegner und den Mediziner Antinori gleichermaßen, der jetzt im Königreich klonen will
Die Meldung erscheint seltsam: Britische Abtreibungsgegner haben in einem Prozess vor dem Obersten Gericht gesiegt, dessen Urteil lautet, dass es in Großbritannien aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht verboten ist, Menschen zu klonen. Die von der katholischen Kirche unterstützte Organisation Pro-Life Alliance hatte Einspruch gegen das zu Beginn des Jahres verabschiedete Gesetz eingereicht, das für die Forschung an menschlichen Stammzellen therapeutisches Klonen erlauben, aber reproduktives Klonen verbieten wollte.
Entschlossen versuchte die britische Regierung im letzten Jahr, ihr Land als Standort für vielversprechende biotechnologische Forschung attraktiv zu machen, indem sie es ermöglichte, dass Wissenschaftler mit menschlichen embryonalen Stammzellen arbeiten bis zum Alter von 14 Tagen arbeiten und auch klonen dürfen. Sowohl das Unterhaus als auch das Oberhaus stimmte dem Gesetz mit größer Mehrheit zu (Briten billigen die Forschung mit embryonalen Stammzellen). Im Gegensatz etwa zu Deutschlands strengem Embryonenschutzgesetz, durften in Großbritannien Wissenschaftler allerdings schon seit 1990 im Kontext der Fertilitätsforschung mit bis zu 14 Tagen alten menschlichen Embryos experimentieren. Verwendet werden durften allerdings nur gespendete Embryos, die bei der In-Vitro-Fertilisation übrig geblieben waren und ansonsten vernichtet würden, während jetzt auch Stammzellen von abgetriebenen Embryos genommen werden können.
Kritik kam vornehmlich von christlichen Abgeordneten und von der Kirche. Das Gesetz regelt auf der Grundlage des 1990 in Kraft getretenen Human Fertilisation and Embryology Act (HFEA) das therapeutische Klonen, verbietet aber nicht ausdrücklich das reproduktive Klonen, sondern nur die ungenehmigte Verwendung von Embryos. Im April hatte der britische Gesundheitsminister Alan Milburn angekündigt, das reproduktive Klonen ausdrücklich verbieten zu wollen, wie dies auch nach europäischem Recht der Fall ist. Die Abtreibungsgegner von Pro Alliance zogen vor Gericht, um zu zeigen, dass der HFEA die Möglichkeit des Klonens von Menschen offen lässt und daher veraltet ist. Gefordert wird daher eine neue gesetzliche Regelung, die für Pro Alliance auch gleich wieder das therapeutische Klonen verbieten soll. Die Regierung ging davon aus, dass der HFEA auch das Klonen regelt
Der Richter gab in seinem Urteil den Klägern Recht, da nach den Formulierungen des Gesetzes ein durch Klonen hergestellter Organismus kein Embryo sei. Daher würde die Erzeugung von Klons auch nicht von dem Gesetz geregelt werden. Im Gesetz wird ein Embryo als "ein lebendiger menschlicher Embryo" definiert, "dessen Befruchtung abgeschlossen ist". Beim Klonen, also der Einführung eines Zellkerns mit dem genetischen Material in eine entkernte Eizelle, findet keine Befruchtung statt. Aufgrund des Urteils wäre es jetzt also rechtlich möglich oder zumindest nicht verboten, Menschen zu klonen.
Der Gesundheitsminister hat angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen, und wenn dies nicht erfolgreich ist, so schnell als möglich das reproduktive Klonen mit einem neuen Gesetz zu verbieten. Bruni Quintervalle, der Direktor von Pro Life, freut sich über den Sieg, der sich möglicherweise auch als Pyrrhus-Sieg erweisen könnte: "Das Gesetz ist in der vorliegenden Fassung hoffnungslos, und wir sind froh, die Lüge der Regierung aufgedeckt zu haben, dass das Klonen von Menschen verboten sei."
Erfreut über das Urteil ist offenbar auch der italienische Reproduktionsmediziner Severino Antinori, der seit einiger Zeit immer wieder einmal aufnmerksamkeitsheischend das baldige Klonen von Menschen ankündigt (200 Paare wollen ein Klonkind). Gestern hatte er nach der Urteilsverkündigung gegenüber BBC gesagt, sofort in Großbritannien mit einem Projekt zum Klonen zu starten. Ob das nicht wieder nur eine Aufmerksamkeitsblase ist, lässt sich nicht entscheiden, rechtlich jedenfalls könnte er damit prinzipiell schon heute loslegen.
Die dafür zuständige Human Fertilisation and Embryology Authority zeigte sich hingegen enttäuscht von den Urteil, ein Sprecher teilte jedoch mit, dass das Klonen zumindest nicht ganz einfach realisiert werden könne. Kliniken, die nach dem Gesetz aus dem Jahr 1990 zugelassen sind, müssen eine entsprechende Praxis nachweisen. Sollte eine Klinik reproduktives Klonen durchführen, könnte ihr eventuell deswegen die Genehmigung zur Forschung an Stammzellen entzogen werden.
Ian Wilmut vom Roslin Institute, der das Klonschaf Dolly erzeugt hat, glaubt allerdings, dass das Urteil die gesetzliche Lage deutlich mache. Die Regierung sei jetzt aufgefordert, in einem neuen Gesetz das reproduktive Klonen von Menschen zu verbieten. Andere Wissenschaftler fürchten aber, dass vorerst die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen verzögert werde oder dass gar in einem erneuten Anlauf doch auch das therapeutische Klonen verboten werden könnte.
In Deutschland ist man sich hingegen noch immer nicht einig, ob die Forschung an menschlichen Stammzellen wie in Großbritannien und damit auch das therapeutische Klonen erlaubt werden soll. Die Bundestags-Enquetekommission hat kürzlich beschlossen, dem Parlament keine Empfehlung zu geben. Die Mehrheit der Mitglieder stimmte zwar gegen jede Forschung an embryonalen menschlichen Stammzellen und auch gegen den Import von diesen, was gegenwärtig gesetzlich noch erlaubt wäre, die Befürworter sprachen sich für eine strenge Regelung aus. Im November will der von Bundeskanzler einberufene Nationale Ethikrat seine Entscheidung treffen, im Januar soll dann der Bundestag darüber entscheiden. Bis dahin soll die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG auf Wunsch der Politiker die anstehende Entscheidung über die Förderung des Bonner Wissenschaftlers Oliver Brüstle zu verschieben. Der DFG plädiert zumindest für die Möglichkeit, an importierten Stammzellen forschen zu können.