"In der Ukraine haben wir zurecht die Proteste gegen die Abwendung von der EU unterstützt"

Seite 3: "Europa muss sich von Energieimporten aus Russland unabhängig machen"

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Finden Sie die Position der EU in der Ukrainekrise richtig oder wird hier gefährlich nah am Weltfrieden gezündelt?

Sven Giegold: Die Grundrichtung dieser Politik finde ich richtig, aber damit sind viele weitere Fragen verbunden: Erstens wäre das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU schon längst unterzeichnet worden, wenn die EU eine gemeinsame Außenpolitik machen würde. Zweitens haben wir zurecht die Proteste gegen die Abwendung von der EU unterstützt, gleichzeitig arbeiten wir hier auch mit Kräften zusammen, die man scharf kritisieren muss: Die Nationalisten dort haben, um es einmal freundlich auszudrücken, mit europäischen Werten nichts zu tun.

Zum dritten aber - und hier unterscheiden wir Grünen stark von den Positionen der Linkspartei - stehen wir zum Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer. Wie auch Polen und die baltischen Länder hat auch die Ukraine das Recht sich zu entscheiden, ob sie sich zur EU hin entwickeln wollen oder nicht. Dieses Selbstbestimmungsrecht darf man ihnen nicht aus geostrategischen Erwägungen nehmen. Was aber auf keinen Fall geht ist, dass die Grenzen des Militärischen überschritten werden: Die Ukraine sollte nicht in die NATO aufgenommen werden und wir sollten auch in diesem Konflikt keine militärischen Mittel nutzen. Trotzdem müssen wir Putin entgegentreten, damit er das Land nicht weiter destabilisiert.

Schließlich können wir aus dem Konflikt vor allem lernen, dass wir eine entschiedene europäische Investitionsoffensive in erneuerbare Energien und Energieeffizienz brauchen. Europa kann und muss sich gemeinsam von Energieimporten aus Russland und von anderen unsympathischen Staaten unabhängig machen. Das würde auch den Krisenländern helfen, um von der hohen Arbeitslosigkeit herunterzukommen.

Nachdem die alte Regierung weggejagt wurde, kommen die Ukrainer jetzt unter das Diktat des IWF. Hat man dafür auf dem Maidan protestiert?

Sven Giegold: Die Menschen in der Ukraine wollten auf keinen Fall die IWF-artigen Programme und ich halte es auch für einen schweren Fehler, dass die IWF-Bedingungen für die Hilfskredite wieder nach dem gleichen Muster gestrickt sind wie schon so oft. Das heißt: Auf der einen Seite werden die Kosten der Krise auf die kleinen Leute abgeladen und die großen Vermögen werden geschont.

In europäischen Landesteilen wie Schottland und Katalonien gibt es politisch relevante Unabhängigkeitsbestrebungen. Halten Sie diese für sinnvoll?

Sven Giegold: Die Zersplitterung Europas in immer kleinere Staaten sehe ich kritisch: Es ist eine Sache, regionale Autonomie anzustreben und eine andere, die nationalen Grenzen in Europa verschieben zu wollen. Das Gefährliche an der Krim-Entwicklung ist, dass es in Europa viele Regionen gibt, in denen sich im Laufe der Geschichte Mehrheiten für andere nationale Zustände entwickelt haben, während wir aber wirklich andere Probleme haben, als überall nationalstaatliche Grenzen wieder in Frage zu stellen. Denken Sie an Ungarn und seine Außengrenzen. Wir spielen hier mit dem Feuer. Abspaltungen sind im Völkerrecht niemals einseitig möglich, sondern dürfen letztendlich nur immer Entscheidungen des jeweiligen bestehenden Staates sein.

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