Inflations-Tsunami: Mittelschicht droht der Absturz

Bernd Müller
zerbrochene Euromünze, Mann mit Einkaufswagen stürzt ab - Sinnbild dafür, dass die deutschen in den vergangenen drei Jahren ärmer geworden sind durch die Inflation.

Die Inflation frisst die Ersparnisse der Deutschen auf. Das mittlere Vermögen sank um 16 Prozent. Stürzt die Mittelschicht jetzt komplett ab?

Die Inflation der letzten Jahre hat in Deutschland ein großes Loch in die Geldbeutel vieler Haushalte gerissen. Besonders die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat darunter gelitten, wie aus einer aktuellen Studie der Bundesbank hervorgeht.

Vermögen der ärmeren Hälfte um über 20 Prozent geschrumpft

Demnach sind die preisbereinigten Nettovermögen der unteren 50 Prozent der Haushalte zwischen 2021 und 2023 um mehr als ein Fünftel zurückgegangen. Auch der Median, also der Wert des mittleren Vermögens, ist preisbereinigt um 16 Prozent eingebrochen. Nominal sank er immerhin noch um gut drei Prozent auf 103.200 Euro.

Zwar wuchs das durchschnittliche Vermögen aller Haushalte in diesem Zeitraum noch um 2,6 Prozent auf 324.800 Euro. Preisbereinigt ergab sich aber auch hier ein Rückgang von knapp elf Prozent. Die Inflation fraß also einen beträchtlichen Teil der Ersparnisse auf.

Vermögensverteilung in Deutschland besonders ungleich

Die Bundesbank-Experten betonen, dass die Vermögen hierzulande ohnehin sehr ungleich verteilt sind – auch im europäischen Vergleich. So besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte weiterhin mehr als 60 Prozent des gesamten Privatvermögens. Eine noch ungleichere Verteilung zeigt sich unter 20 europäischen Ländern nur in Österreich.

Ein Grund dafür ist, dass ärmere Haushalte ihr Geld überwiegend in Anlagen mit niedrigen Renditen und geringem Risiko anlegen, wie Spar- und Girokonten. Reichere können dagegen stärker auf risikoreichere, aber ertragreichere Investments wie Aktien und Immobilien setzen.

Immerhin hat sich die Inflation, die 2022 infolge des Ukraine-Krieges in die Höhe geschnellt war, im vergangenen Jahr wieder auf 2,2 Prozent abgeschwächt. Ökonomen erwarten, dass die Teuerung in diesem Jahr auf diesem Niveau verharren und 2026 leicht auf 2,1 Prozent sinken wird.

US-Zölle drücken Wachstum – Rezession droht

Dennoch bleibt die Lage angespannt. Denn Deutschland droht laut führender Wirtschaftsforscher aufgrund der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump ein drittes Rezessionsjahr in Folge. Ein wirtschaftlicher Schaden von rund 200 Milliarden Euro ist zu erwarten.

In ihrer Gemeinschaftsdiagnose prognostizieren die fünf beteiligten Institute jetzt für das laufende Jahr zwar noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Doch die US-Zölle dürften das Bruttoinlandsprodukt um mindestens 0,1 Prozentpunkte drücken, heißt es.

"Die geopolitischen Spannungen und die protektionistische Handelspolitik der USA verschärfen die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland", erklärte Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Für 2026 erwarten die Experten zwar einen Aufschwung und ein Wachstum von 1,3 Prozent. Allerdings gehen davon 0,3 Prozentpunkte allein auf mehr Arbeitstage zurück. Und die jüngsten Zollerhöhungen der USA vom April sind darin noch gar nicht eingerechnet.

Strukturelle Probleme belasten deutsche Wirtschaft

Doch nicht nur die Weltlage bremst die deutsche Konjunktur aus. Die Experten sehen auch hausgemachte strukturelle Probleme: Der Wettbewerbsdruck aus China wächst, die energieintensive Industrie scheint dauerhaft zu schrumpfen. Zudem drücken eine alternde Gesellschaft und ausufernde Bürokratie.

Um gegenzusteuern, empfehlen die Ökonomen, die Sozialsysteme zu stabilisieren, Anreize zur Erwerbstätigkeit zu erhöhen und die Zuwanderung von Fachkräften zu erleichtern. Auch müssten die Energiepreise sinken und Treibhausgase vorrangig über einen CO2-Preis eingespart werden. Nicht zuletzt brauche es eine "durchgreifende Entbürokratisierung".

Es bleibt abzuwarten, ob die künftige Bundesregierung die notwendigen Reformen angehen wird. Finanziell hätte sie durch gelockerte Schuldenregeln und ein 500-Milliarden-Investitionspaket durchaus Spielraum. Doch ob sie ihn auch nutzt, muss sich erst noch zeigen.