Influenza statt Corona: Die neue alte Geißel der Nation

Luca Schäfer
Eine junge Frau krank im Bett

Die aktuelle Grippewelle flacht ab, könnte aber noch bis Ostern andauern

(Bild: VH-studio/Shutterstock.com)

Die Grippewelle 2025 trifft Deutschland heftig, Millionen leiden unter Influenza. Schulen schließen, Kliniken sind voll, die Lage bleibt angespannt. Wann endet der Spuk?

Wer Kinder hat, ist in diesem Winter nicht zu beneiden. Wintermonate sind Krankheitsmonate. Keime, Viren und Erreger fühlen sich in den Kindertagesstätten und Schulen zu Hause. Dank Tröpfcheninfektion: Nach Schulschluss und beim Abholen gibt es die Krankheiten frei Haus, Millionen Berufstätige füllen die Wartezimmer der Hausärzte.

Wie Eltern berichten, halten sich Erkältungskrankheiten in den Familien oft bis zu vier Monate. Das Schlimmste: Ein Ende ist trotz steigender Temperaturen und erster Sonnenstrahlen nur langsam in Sicht.

Globalisierung als Krankheit?

Doch damit nicht genug: Ende Januar und Anfang März nahm die Krankheitswelle größere Ausmaße an. Schulen wurden geschlossen, in Kindertagesstätten fehlte bis zu jedes fünfte Kind. Die Erkrankungshäufigkeit liegt laut Robert Koch-Institut "weiterhin auf hohem Niveau": bis zu 9000 Atemwegserkrankungen pro 100.000 Menschen.

Ende Januar traf es die Mainmetropole Frankfurt hart. Nach Angaben des Stadtschulamtes musste beispielsweise die Theobald-Ziegler-Grundschule kurzzeitig den Schulbetrieb einstellen. Von der 350-köpfigen Schulgemeinde in waren 150 Personen erkrankt. 60 Prozent der Lehrer fielen aus. Weitere Schulen wechselten in die Notbetreuung

Die deutschen Erkrankten sind nicht allein. Krankheiten, das lehrte die Covid-Pandemie, kennen keine Ländergrenzen. In den USA wird die Grippesaison als "stark" eingestuft, zum ersten Mal übersteigen die Grippefälle die Covid-19-Fälle in den USA seit 2020, erklärt eine Virologin gegenüber Science alert.

In China zirkulierte Anfang des Jahres das neue Erkältungsvirus HPMV, aber eine vermutete neue Pandemie blieb dank verschiedener erfolgreicher Maßnahmen aus.

In der Mongolei kam es zudem zu einem Ausbruch des HP1N1-Virus bei Pferden mit engem Kontakt zu Menschen, dieses konnte aufgrund der kulturell tief verankerten Praxis des Konsums von roher Pferdemilch auf den Menschen übertragen werden. Ein Drittel der wenigen Infizierten starb an den Folgen.

Influenza statt Corona

Es gibt aber auch positive Nachrichten: Die Corona-Pandemie ist seit vielen Monaten aus den Nachrichten und aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit verdrängt worden. Zumindest die aktuellen Inzidenzen in Deutschland geben keinen akuten Anlass, dieses Vorgehen zu kritisieren.

Nach aktuellen Stichproben des Robert Koch-Instituts dominieren Influenza A und B mit zusammen 53 Prozent die Krankheitsbilder.

Der Rest ergibt sich aus differenzierten Virengruppen: humane Coronaviren, Metapneuviren oder Rhino- wie Adenoviren. Interessanterweise wurden den Laboren bundesweit weniger als 1.500 Covid-Fälle gemeldet, die Influenza-Nachweise in den Laboren liegen seit den Wintermonaten stabil über der Marke von 40.000.

Grund zur vorzeitigen Freude gibt es aber nicht. Nach Berechnungen sind derzeit 6,9 Millionen Menschen in Deutschland erkrankt und die Influenza-Aktivität wurde in der Kalenderwoche 9 als "hoch" eingestuft.

Erste Anzeichen für eine Besserung der Lage liefert die Arbeitsgemeinschaft Influenza: Zwar ist die Hospitalisierungsrate bei jungen Erkrankten nach wie vor hoch und die Influenza-Infektionsrate liegt bei 80 Prozent, aber die Viruslast im Abwasser sinkt, wie ein Abwassermonitor zeigt. Dies ist ein möglicher Indikator für eine zu Ende gehende Grippesaison.

2025: Das Jahr der Grippe?

Es ist zu klären, warum es gerade in diesem Jahr zu einem vergleichsweise schweren Verlauf der Grippesaison gekommen ist. Dies ist multifaktoriell, den einen Grund gibt es nicht. Zunächst: Der in Deutschland dominierende Influenzastamm ist nach empirischen Daten Influenza A. Dieser zeichnet sich durch seine Hartnäckigkeit und Schwere des Verlaufs aus.

Zum anderen hat Deutschland eine vergleichsweise hohe Impfskepsis. Fakt ist: Deutschland erreicht in keiner Alterskohorte und in keinem Bundesland die von EU und WHO vorgegebenen Impfziele zur Durchimpfung einer Gesellschaft.

Darüber hinaus meldet das Wissenschaftsportal Science Media Center, dass Deutschland zwar einen hohen Standard habe, aber "Schwachstellen" aufweise. Diese lägen in unterbrochenen Impfserien bei Kindern und Impflücken bei Erwachsenen.

Zwar können auch Geimpfte erkranken, aber die Schwere des Verlaufs nimmt drastisch ab. Wie die Münchner Kliniken in ihren "Grippe-Mythen" darstellen, ist es ein bekanntes Problem, dass gerade Grippeviren extrem mutationsfreudig sind. Mit einer einmaligen Impfung ist es daher leider nicht getan.

Dies kann auch erklären, warum Menschen in einem Winter mehrfach erkrankt sind. Zudem kam der Höhepunkt der Grippewelle in dieser Saison erst spät.

Was man tun kann

Aus medizinischer Sicht sind zwei Arten der Behandlung zu unterscheiden. Es gibt eine Reihe von sinnvollen vorbeugenden Maßnahmen und klare Empfehlungen, wenn eine Infektion mit Symptomen vorliegt.

Vorbeugend ist die Einhaltung von Hygienemaßnahmen wie Flächendesinfektion und Händewaschen ein erster Schutzmechanismus.

Außerdem sollte Handkontakt vermieden werden. Sport, gesunde Ernährung, Sauna und Eisbaden können helfen, ein gesundes Immunsystem zu fördern bzw. aufzubauen. Abstand zu Erkrankten sowie regelmäßiges Stoßlüften helfen ebenfalls. Auch das Tragen eines Mundschutzes kann in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln sinnvoll sein.

Hat es einen erwischt, helfen Ruhe, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Abstand zu anderen. Das Gesundheitsministerium empfiehlt außerdem, einen Arzt aufzusuchen und die Einnahme von Medikamenten mit ihm abzusprechen.

Auch während der Grippewelle durchführbar, gilt die Grippeschutzimpfung als geeignete Prävention. Laut dem Wissensmagazin Quarks sind nur 43 Prozent der Risikogruppe der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft, das genannte EU-Ziel von 75 Prozent wird damit deutlich verfehlt.

Das ist merkwürdig: Denn laut RKI gab es in den Jahren 2023/2024 1100 bestätigte Influenza-Todesfälle, vor allem in der älteren Altersgruppe. Insbesondere die Empfehlungs- und Risikogruppen (Lehrer, medizinisches Personal, Rentner, medizinisches Personal) sind impftechnisch unterversorgt.

Ausblick und Weitblick

Laut ZDF war der Höhepunkt der Welle Mitte Februar, seitdem gehen die Zahlen leicht, aber kontinuierlich zurück.

Ein Ende wird für Ostern erwartet. Spannende, wenn auch nicht direkt vergleichbare, Daten zur aktuellen Grippewelle liefert das medizinische Dignostik-Labor Enders: die Endzeitpunkte der Grippeverläufe in den Vorjahren. So endete die Grippewelle 2024 nach "nur" 15 Wochen in der Kalenderwoche 12 (in diesem Jahr zwischen dem 17. und 25. März).

Die Grippesaison 2023 endete dagegen in der Kalenderwoche 14 (Mitte April 2025), die Grippesaison 2022 endete Ende März. Während 2021 eine frühe Welle im Oktober auftrat.

Eine Prognose ist daher schwierig. Durchhalten ist angesagt. Mit Weitblick ist vor allem der Vorschlag von Allianz-Chef Oliver Bäte abzulehnen, der in einem Interview mit dem Handelsblatt die Abschaffung der Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag forderte.

Während Bäte vorrechnet, dass die Arbeitgeberseite dadurch 40 Milliarden Euro einsparen könnte, wird ein Grundrecht der Arbeiterbewegung, das in den Bismarckschen Sozialistengesetzen erkämpft wurde, geschliffen. Der DGB legte den Finger in die Wunde: Er warnte vor krankmachendem "Präsentismus" am Arbeitsplatz, der viele Kollegen auf Dauer krank mache.

Der IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban drückte es drastischer aus: Die Arbeitgeberseite greife die soziale Sicherheit an und "die deutsche Wirtschaft wird nicht durch kranke Beschäftigte gesund, sondern im Gegenteil durch bessere Arbeitsbedingungen".

Dem ist hinzuzufügen: Auch wenn die Grippewelle geht, wer krank ist, gehört ins Bett und nicht an den Arbeitsplatz.