Internationale Druck auf Israel und USA steigt, den Gaza-Krieg zu stoppen

Über hundert Gaza-Bewohner sind bei Beschuss im Zuge von Hilfslieferung umgekommen. Bild: IDF

Der Beschuss von Menschen bei Hilfslieferung in Gaza ruft Empörung hervor. Macron, Borrell vorneweg. Ist das der Beginn einer Trendwende? Einordnung.

Ob die Reaktionen auf den jüngsten Vorfall im Gazastreifen, bei dem mehr als 100 Palästinenser getötet und rund 750 verletzt wurden, während sie sich um einen Lkw mit Hilfsgütern versammelten, die Netanjahu-Regierung dazu veranlasst, ihren Kriegskurs zu ändern, ist kaum vorstellbar.

Zeit läuft gegen Netanjahu und Biden

Das Desaster (bisher kann noch nicht gesagt werden, warum israelische Soldaten das Feuer auf die Menschen eröffneten) – eingebettet in eine lange, seit Monaten andauernde Serie von Desastern mit nun über 30.000 Toten, darunter 12.000 Kinder, sowie 70.000 Verletzten und Vermissten – wird auch nicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Es wäre eine große Überraschung, wenn es die USA dazu bewegen würde, Israel ernsthaft aufzufordern, die Waffen ruhen zu lassen. Und nur die US-Regierung unter Joe Biden ist in der Lage, Israel dazu zu bringen. Niemand erwartet das für den Moment.

Aber die internationale Empörung nach dem Vorfall markiert einen Punkt in einem Trendverlauf, bei dem die Zeit gegen Netanjahu und Biden zu laufen beginnt.

So wird die Sprache insbesondere in europäischen Ländern und von der EU deutlicher und unmissverständlicher. Statt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Israels Selbstverteidigungsrecht immer wieder hervorholte, hört man nun vermehrt den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

EU: Andere Töne

"Ich bin entsetzt über die Nachricht von einem weiteren Blutbad unter Zivilisten in Gaza, die dringend humanitäre Hilfe benötigen", schrieb er am Freitagabend auf X. "Diese Todesfälle sind absolut inakzeptabel."

Die Vorenthaltung von Nahrungsmittelhilfe sei ein "schwerer Verstoß" gegen das humanitäre Völkerrecht, schrieb Borrell.

Der ungehinderte humanitäre Zugang zum Gazastreifen muss garantiert werden.

Borrell hatte schon vor zweieinhalb Wochen die USA aufgefordert, angesichts der israelischen Angriffe Waffenlieferungen an Israel herunterzufahren. Er fragte, wie viele Menschen noch getötet werden müssen, während er feststellte, dass nette Bitten an Netanjahu nichts brächten.

Frankreich fordert sofortigen Waffenstillstand

Angesichts der geplanten Rafah-Invasion Israels, der letzten Schutzzone mit 1,3 bis 1,5 Millionen Geflüchteten dort, fragte er, wohin man sie denn evakuieren wolle, auf den Mond?

Nach dem gestrigen Vorfall kamen auch sehr klare Worte aus Frankreich. Man erwarte, dass der schwerwiegende Vorfall vollständig aufgeklärt wird. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte das in seiner empörten Verurteilung des Beschusses gefordert. Frankreich verlangt nun:

In jedem Fall liegt es in der Verantwortung Israels, sich an die Regeln des Völkerrechts zu halten und die Verteilung humanitärer Hilfe an die Zivilbevölkerung zu schützen.

Für Paris sei es eine Priorität, die humanitäre Notlage im Gazastreifen, die schreckliche Ausmaße angenommen habe, zu beenden. Daher sei ein "sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand dringend erforderlich".

Kaum jemand steht mehr hinter Israels Vorgehen

Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X: "Ich lehne den Beschuss entschieden ab und fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und die Einhaltung des internationalen Rechts." Die Lage in Gaza sei dramatisch. "Die gesamte Zivilbevölkerung muss geschützt werden", so Macron.

Ein Waffenstillstand muss sofort in Kraft treten, damit humanitäre Hilfe verteilt werden kann.

Die Liste von internationalen Verurteilungen ist lang, es gibt kaum einen Staat, der sich hinter Israel stellt. Hier ein Auszug an Reaktionen:

Die Türkei beschuldigte Israel, "ein weiteres Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu begehen und die Palästinenser im Gazastreifen zur "Hungersnot" zu verdammen. Kolumbien prangerte den "Völkermord" am palästinensischen Volk an und setzte die Lieferungen von Waffen an Israel aus.

Italien forderte einen "sofortigen Waffenstillstand" in Gaza und verlangt von Israel, die palästinensische Bevölkerung nach den "tragischen Todesfällen" zu schützen. Katar verurteilte "aufs Schärfste das abscheuliche Massaker, das von der israelischen Besatzung begangen wird".