Internetpolizei in Spanien

"Antipiraterieplan" der Behörden: Der gewöhnliche Netizen und besonders die Nutzer von Tauschbörsen rücken ins Visier

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die spanische Regierung hat zaghaft dementiert, alle Datenträger, sogar Drucker und DSL-Verbindungen mit einer "Kopiergebühr" nach Vorbild der Gebühr auf CDs und DVDs zu versehen. Aber schon heute beschließt das Kabinett weitreichende Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie, sogar eine Art Internetpolizei wird geschaffen. Diverse Initiativen mobilisieren nun zur "Rettung der Kultur" und der Protest gegen die bestehende Kopiergebühr wird breiter.

Heute verabschiedet die spanische Regierung auf ihrer wöchentlichen Kabinettsitzung Maßnahmen, die schwere Auswirkungen auf das Internet haben werden. Dazu gehört die Einrichtung einer Art Internet- oder Anti-Pirateriepolizei. Die soll sich aber nicht etwa mit Kinderpornografie, dem massiven Ansteigen von Phishing oder faschistischer Propaganda beschäftigen. Der gewöhnliche Netizen und besonders die Nutzer von Tauschbörsen rücken ins Visier.

Das zu verabschiedende Projekt firmiert unter dem Namen: "Integraler Plan zur Verminderung und Eliminierung von Aktivitäten zur Verletzung des geistigen Eigentums". Meist wird dieses Sprachmonster einfach "Antipiraterieplan" genannt und so monströs wie sein Name ist auch sein Umfang. Gleich elf Ministerien sollen in die Maßnahmen einbezogen werden. Neben polizeilichen Maßnahmen hebt die Regierung die Prävention, Koordination, Sensibilisierung und eine Diagnose des Phänomens als Teile des Plans hervor. Dies schreibt die Zeitung El Pais, die der sozialistischen Regierung so nahe steht, dass man sie als ihr Verlautbarungsorgan bezeichnen kann.

Man sollte davon ausgehen, dass eine Problemdiagnose schon erstellt ist, bevor ein Gesetz geschaffen wird. Die bisherige Diagnose in ihrem Sinne haben der Regierung die Autorenvereinigungen und die Musikindustrie geliefert, die federführend an der Ausarbeitung des Plans beteiligt waren. Das wird unverhohlen eingeräumt und als "Unterstützung der Autoren und der Industrie" verkauft. So wird der Artikel auch stolz auf den Seiten der "Vereinigung der Komponisten und Musikautoren" (ACAM) veröffentlicht.

Gebühr auf alle Datenträger

Dort steht auch ein Dokument der Autorenvereinigung SGAE. Darin ruft die zu einer "verstärkten Verfolgung der Piraterienetze und einer härteren Gesetzgebung für das Internet" auf. Darin fordert die SGAE auch eine Gebühr auf alle Datenträger, auf denen "Töne, Bilder oder Filme" gespeichert werden können. Gemeint sind Festplatten, USB-Stifte, Drucker und selbst DSL-Verbindungen werden nicht ausgenommen, wenn es um neue Einnahmequellen geht. Derlei Ansinnen hatte sie noch Anfang 2004 dementiert (vgl. Spaniens Netizen erklären SGAE den Krieg). Da die seit einem Jahr regierenden Sozialisten (PSOE) ihr aber noch weiter entgegen kommen als die konservativen Vorgänger, braucht sie nun kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen.

All dies sei in dem Entwurf für ein neues Urheberrecht verankert, berichtete die katalanische Tageszeitung La Vanguardia. Vorgesehen sei mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/29/CE "eine Gebühr beim Verkauf auf alle elektronischen Geräte mit denen Musik wiedergegeben werden kann". Dies ist glaubhaft, denn seit der Regierungsübernahme verschärft die PSOE sogar Kontrollgesetze für das Internet, die sie in der Opposition als verfassungswidrig bezeichnete (vgl. Verschärfung des spanischen Internetgesetzes geplant) und deren Abschaffung forderte. Unter ihrer Ägide wurde die hohe Kopiergebühr auf CDs und DVDs um 30 Prozent angehoben. Schon letztes Jahr hatte die Vereinigung der Netizen (AI) einen ihrer Gesetzentwürfe publiziert, der die Ausweitung der Gebühren vorsah (vgl. Weihnachtszeit - Zeit zur Bescherung).

Das Recht auf eine Privatkopie wurde ausgehebelt

Das Dementi von Industrieminister José Montilla klingt zudem zweideutig. Er erklärte, die Regierung halte es nicht für nötig "eine Gebühr für eine Privatkopie bei Internetnutzern oder auf Festplatten zu erheben". So wissen die Netizen nicht, ob sie angesichts der auch von Montilla angekündigten Kriminalisierung beruhigt oder noch beunruhigter sein müssen. Ohnehin wird diese Gebühr bisher für ein Recht kassiert, dass faktisch nicht besteht. Ohne Ausnahme wird sie zudem auf alle CDs und DVDs erhoben, egal ob darauf Musik gebrannt oder eine Datensicherung vorgenommen wird (vgl. "Ich will meine 22 Cent zurück"). Das Recht auf eine Privatkopie wurde ausgehebelt, weil die meisten CDs über einen Kopierschutz verfügen. Den zu knacken, wurde letztes Jahr unter Strafe gestellt (vgl. Knast für Privatkopien von CDs und DVDs?).

So darf man gespannt sein, wie das geplante Urheberrecht aussehen wird. Innerhalb und außerhalb des Internets formiert sich nun massiv Widerstand. Neben dem schon bestehenden Protest (vgl. Weihnachtszeit - Zeit zur Bescherung) macht nun auch die Konsumentenvereinigung Facua Druck. Sie hat eine Gegenoffensive gestartet und will mit einer Unterschriftensammlung erreichen, dass im Urheberrechtsgesetz die Gebühr auf eine Privatkopie und der Kopierschutz gekippt wird. In den ersten 48 Stunden nach Veröffentlichung hatten schon mehr als 10.000 Netizen unterzeichnet.

"Manifest der Kultur" für freien Zugang

Ähnlich wie in Frankreich (vgl. "Befreit die Musik") beginnen nun auch Kulturschaffende in Spanien sich gegen die Ausweitung der Überwachung, der Kriminalisierung und der Gebühren zu wehren. Denn die "selbsternannten Kulturschützer" seien wie Ärzte, die bereit seien "den Patienten zu Töten, um seine Krankheit zu besiegen", wirbt der Journalist José Cervera leidenschaftlich dafür, das "Manifest für die Kultur" zu unterzeichnen. Dort wird auf die großen Erfolge der freien Software verwiesen und der freie Zugang zu Kultur für alle verteidigt.

Wir leugnen die betrügerischen Argumente, welche die Kultur mit ihrer kommerziellen oder industriellen Verwertung gleichsetzt und sie zu einem reinen Konsumgut herabstuft.

Die Initiativen zielen weniger auf die Regierung selbst, sondern auf die übrigen Parteien. Denn die PSOE hat keine eigene Mehrheit und braucht Verbündete. Die linken Mehrheitsbeschaffer stehen den Vorhaben kritisch gegenüber. Auch auf die konservative Volkspartei (PP) kann sie nicht zählen. Die Partei, die die Einführung der Kopiergebühr erst ermöglichte, legte unlängst einen Vorschlag für ein Urhebergesetz vor, um die Kopiergebühr abzuschaffen. Es sei eine "undifferenzierte Steuer" sagt sie zu einer Abgabe, die über ein von ihr geschaffenes Gesetz 2003 erst möglich wurde. Gegen die Ausweitung wettert sie nun, weil sie die "Konkurrenzfähigkeit der spanischen Industrie schädige" So wirkt sich es offenbar aus, wenn man in Spanien die harten Oppositionsbänke drücken muss.