Irak erneut im Visier

Anti-Irak-Lobbygruppen wie der Defense Policy Board und Hardliner scheinen sich in der US-Regierung durchzusetzen

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Die Rede von George Bush am 29. Januar vor dem Kongress, in der der US-Präsident von einer "Achse des Bösen", bestehend aus Iran, Irak und Nordkorea, sprach, signalisiert eine noch schärfere Gangart Washingtons in globalen Angelegenheiten (Zehntausende über die Welt verstreute tickende Zeitbomben). War die Zukunft der amerikanischen Irak-Politik innerhalb der Führungszirkel bislang umstritten, so setzte Bush damit einen Schlusspunkt. Dass die als moderat geltende Fraktion der amerikanischen Regierung nach Monaten des Gegendrucks nachgegeben hat, verdeutlichten die jüngsten Äußerungen von Außenminister Colin Powell vor dem Kongressausschuss für auswärtige Beziehungen am 6.2. Powell trat damit erstmals öffentlich für einen Regimewechsel im Irak ein (vgl. auch Taliban-Kämpfer in Kuba sollen wie Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention behandelt werden).

US-Präsident Bush bei seiner State of the Union Rede am 29. Januar

Das relativ schnelle und aus USA-Sicht erfolgreiche militärische Vorgehen in Afghanistan hatte die Warnungen vor einem "neuen Vietnam" bald verstummen lassen und einer ominösen Gruppe von rechten Hardlinern innerhalb und außerhalb der Regierung Auftrieb gegeben. Seit Jahren versuchten sie, für ein schärferes militärisches Vorgehen gegen den Irak jenseits der bereits verheerenden Sanktionen Stimmung machen. Die Rede ist von Kalten Kriegern, die nach Bushs Wahlsieg ins Verteidigungsministerium gehievt worden waren, sowie ihren ideologischen Verbündeten. Bushs "State of the Union"-Rede am 29. Januar verbuchen sie als Übernahme und Verdichtung ihrer Positionen zur offiziellen Außenpolitik Washingtons. Einen ersten deutlichen Hinweis lieferte tags darauf der konservative Kolumnist Charles Krauthammer in der Washington Post. Der rechte Think Tank Project for a New American Century glaubt in der Bush-Rede sogar eine neue "Bush-Doktrin" zu entdecken, die aus drei Elementen bestehe.

Active American global leadership. The president noted that our "enemies view the entire world as a battlefield" and vowed to "pursue them wherever they are." He also made it clear that he was willing to act preemptively and quickly -- "time is not on our side," he admitted -- especially when threats from nuclear, biological and chemical weapons are involved.

Regime change. Although President Bush pulled no punches when listing terrorist organizations as enemies, including Palestinian groups like Hamas and Hezbollah, he also made clear his determination to include rogue regimes as targets in the war on terrorism. "We can't stop short," he said. And in "naming names" -- North Korea, Iran and Iraq -- he clearly defined a meaning of victory.

Promoting liberal democratic principles. "No nation is exempt" from the "non-negotiable demands" of liberty, law and justice. Because the United States has a "greater objective" -- a greater purpose -- in the world, Bush sees in the war not just danger but an opportunity to spread American political principles, especially into the Muslim world.

Von einem Ringen der Unilateralisten mit dem als moderater geltenden Außenministerium unter Colin Powell in der Irak-Frage war selbst in den Mainstream-Medien immer wieder berichtet worden. Die Hardliner umfassen Pentagon-Chef Donald Rumsfeld, Vizepräsident Richard Cheney und mehrere Mitglieder von Bushs innerem Zirkel im Nationalen Sicherheitsrat. Als treibende Kräfte jener, die massive Dauerangriffe auf Irak und den Ersatz Saddam Husseins durch ein US-höriges Regime wollen, gelten seit Jahren Paul Wolfowitz, heute stellvertretender Pentagon-Chef, sowie Richard Perle, Vorsitzender des "Defense Policy Board" (DPB) (Inside Job).

Perle, ein ehemaliger hochrangiger Beamter aus der Reagan-Administration, operiert formal außerhalb der Regierung, da er im US-Senat allzu umstritten ist. De facto ist er aber eine der wichtigsten Figuren und Entscheidungsträger im Pentagon-Zirkel um dessen Chef Donald Rumsfeld. Zu den DPB-Mitgliedern gehören hochrangige Rechtsausleger aus der Ex-Regierungs-, Polit-, Oppositions- und Geheimdienstelite wie Henry Kissinger, Dan Quayle, James Schlesinger, Newt Gingrich und James Woolsey.

Das DPB hat zwar keinen offiziellen Status, aber es trifft sich nur ein paar Meter vom Büro des Pentagon-Chefs entfernt. Laut "New York Times" ist der "omnipräsente" DPB-Vorsitzende Richard Perle der Hauptfürsprecher des umstrittenen irakischen Oppositions-Bündnisses Iraqi National Congress. Die Hardlinerfraktion war vor Kurzem im Bostoner Christian Science Monitor auf scharfe Kritik von einem gestoßen, der es wissen muss: Scott Ritter, bis 1998 Chef-Waffeninspekteur der UNO im Irak. Er bezog sich in seinem Artikel "Iraq: the phantom threat" auf die angebliche Terror-Connection des Irak und das Ausmaß der "Bedrohung", die er für für die USA darstelle.

The lack of documentation of an Iraq-Al Qaeda connection in this intelligence trove should lead to the questioning of the original source of such speculation, as well as the motivations of those who continue to peddle the "Iraqi connection" theory. Foremost among them are opposition leader Ahmed Chalabi of the Iraqi National Congress and his American sponsors, in particular Deputy Secretary of Defense Paul Wolfowitz, former CIA Director James Woolsey, and former Undersecretary of State Richard Perle.

Doch die weitere Marschrichtung war auf dem Höhepunkt des Afghanistankriegs von den neokonservativen Ideologen bereits vorausgedacht worden, etwa im Weekly Standard, dessen Grundsatzartikel von den einschlägigen Webseiten sofort übernommen werden.

Die politische Bedeutung dieser Wochenzeitschrift wird außerdem an der Einladung zu einer Anhörung deutlich, die ihr Herausgeber William Kristol diese Woche vom Außenausschuss des US-Senats erhielt. Selbstverständlich plädierte er für schnellstmögliche Angriffe auf den Irak und eine Neuordnung der gesamten Region nach amerikanischen Vorstellungen.

Der Anti-Irak-Lobby zufolge sollen die USA Südirak besetzen, eine Regierung von Exilanten ausrufen und diese solange schützen, bis Saddam gestürzt ist. Diskutiert werden in der Bush-Regierung darüber hinaus der Umfang und die Stossrichtung einer Stellvertreter-Miliz nach dem Vorbild der afghanischen "Nordallianz". Die illustre Hardliner-Runde äußere "manchmal Sichtweisen, die ihre Freunde in der Regierung nicht ausdrücken können", hieß es in der "New York Times". Sie betreibe ihre Lobbyarbeit mit minimalem Aufwand und maximalem Erfolg, da alte Kontakte zu einflussreichen Medien, Machtzentren und den diversen neokonservativen Denkfabriken wie das American Enterprise Institute immer wieder aufgefrischt wurden. Zudem flimmern sie als gut bezahlte "Experten" zur besten Sendezeit der großen privaten TV-Sender über die Bildschirme. Ein Teil der DPB-Mitglieder betreibt gleichzeitig die Unterstützung der israelischen Likud-Partei Ariel Scharons und deren politischen Kurs.

Den Falkenzirkel vereint aber mehr als das Bemühen um den Ausbau der US-Hegemonie im Nahen und Mittleren Osten. Laut dem Lobby-Forscher Jim Lobe sind es politische Gerissenheit, Talent für Polemik, hervorragende Medienkontakte und die Lust am ideologischen Streit, die seine Mitglieder teilen. Sie gelten als neokonservativ, haben ihre Wurzeln aber in der Partei der Demokraten. Neben einer aggressiven Pro-Israel-Haltung hegen sie Feindschaft gegenüber der UNO, und sie verachten die europäischen Eliten. Lobe meint, sie seien "absolut überzeugt davon, dass die USA dem Ausland gegenüber von ihren moralischen Prinzipien her überlegen und deshalb zur dauernden Erlösermission verpflichtet sind".

Seit 1997 existiert eine zweite Lobbygruppe namens Project for a New American Century (PNAC), die sich mit dem DPB teilweise deckt und als Hauptfeinde das Außenministerium, vorsichtige Militärs sowie politikorientierte Geheimdienstchefs ansieht. Seit dem 11. September gilt dem PNAC außenpolitisch nicht mehr China als Hort des Bösen, gegen den angegangen werden müsse, sondern der Irak. In einem offenen Brief an Kongressmitglieder rief die Organisation kurz nach den Anschlägen zu Antiterror-Maßnahmen auf, "um Saddam Hussein von der Macht zu entfernen, selbst wenn es keine Beweise dafür gibt, dass der Irak direkt in die Angriffe verwickelt war".

Was ist dazu noch zu sagen, wenn Beweise nicht mehr für nötig erachtet werden und das Recht des Stärkeren die Pflicht zur Vorlage von Beweisen verdrängt und internationales Recht schlichtweg beiseitegewischt wird? Selbst Berichte der CIA, wonach der Irak nicht in Terrorismus verwickelt ist, zählen nicht. Und Aufforderungen wie die von Scott Ritter an die USA-Regierung, in der Irakfrage Vernunft walten zu lassen, verpuffen im Nichts.

There is a substantial lack of clarity and credible sources on the actual nature of the Iraqi threat to the US. A wider debate on US policy toward Iraq is imperative, especially in light of the increasing war talk out of Washington. Rather than relying on information from dubious sources, let's put all the facts on the table. The conclusions drawn from such a debate could pull us back from the brink of an unnecessary and costly war.

Es ist nicht das erste Mal, dass Washington eine Außenpolitik betreibt, die überwiegend vom innenpolitischen Kräfteverhältnis bestimmt wird, in dem die Rechtsaußen die Oberhand gewonnen haben. Diplomatische Rücksichtnahmen, die die amerikanische Großmachtpolitik - etwa unter der Clinton-Regierung - hier und dort noch begleiteten, zählen unter Bush nicht mehr.