Irak versinkt im Chaos

Regierungsbildung auch im schiitischen Lager umstritten, noch will Maliki nicht zurücktreten

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Der irakische Präsident Fuad Massum, ein Kurde, hat sich von Regierungschef al-Maliki, der an seiner Macht klammert, nicht beeindrucken lassen. Maliki war vor dem Obersten Gericht gescheitert, Massum des Verfassungsbruchs zu bezichtigen, weil er nicht ihn und seine Partei mit dem schon zynisch klingenden Namen "Koalition des Rechtsstaats" mit der Regierungsbildung beauftragt hat. Nachdem sich die US-Regierung eindeutig hinter Massum gestellt hatte, übernahm dieser den Vorschlag der schiitischen "Irakischen Nationalallianz", der nach der letzten Wahl größten Fraktion, die den Schiiten Haider al-Ebadi vorgeschlagen hatte. Er ist der Vizepräsident des Parlaments, Mitglied der Dawa-Partei, gehört also auch zur "Koalition des Rechtsstaats". US-Vizepräsident Biden und die EU begrüßten die Nominierung, was aber nicht unbedingt Gutes verheißt.

Der Islamische Staat verspottet den kurdischen Präsidenten Barzani.

Wie Maliki auf diesen Versuch reagieren wird, ihn auszubooten, muss man noch absehen. Er hatte aber bereits am Sonntag große Truppenverbände in Bagdad stationiert. Anhänger von Maliki lehnen die Nominierung von al-Ebadi ab, es ist die Rede von einer kurdischen und amerikanischen Verschwörung. Gestern kam es zu Demonstrationen für Maliki, die aber recht übersichtlich blieben. Würde er das dritte Mal Regierungschef werden, dürften sich die Konflikte im Irak weiter verstärken, was auch bedeuten würde, dass der Islamische Staat sein Gebiet ausbauen kann, weil die US-Regierung schon jetzt nur den Kurden militärisch hilft, aber nicht der von Maliki beherrschten Zentralregierung.

Al-Ebadi hat nun 30 Tage Zeit, eine Regierung zu bilden. In der Zeit bleibt Maliki Regierungschef und oberster Befehlshaber der Armee, an deren Spitze er Gefolgsleute gesetzt hat. Zudem hat er Sicherheitskräfte geschaffen, die ihm direkt unterstellt sind. Befürchtet wird, dass Maliki sich letztlich auf die Armee, die Sondereinheiten und Milizen stützen wird, um an der Macht zu bleiben. Vorerst herrscht Chaos. Maliki hat bislang kein Anzeichen gegeben, auf das Amt zu verzichten. Die Dawa-Partei, der el-Abadi angehört und die wiederum Teil der "Koalition des Rechtsstaats" ist, lehnt offensichtlich die Nominierung ab. Die "Koalition" habe die Mehrheit im Parlament, weswegen Maliki mit der Regierungsbildung beauftragt sei. El-Abadi würde nur sich selbst repräsentieren. Eine Frage ist, wie sich die iranische Führung zwischen den schiitischen Fraktionen positionieren wird.

Während die USA militärisch bereits zugunsten der Kurden interveniert haben und die Kämpfer des Islamischen Staats, die von der irakischen Armee viele schwere Waffen, auch solche der USA, erbeutet haben, mit Luftangriffen zu schwächen versuchen, herrscht in der EU, gebannt durch den Ukraine-Konflikt, Uneinigkeit, wie man vorgehen soll. Die französische Regierung fordert, dass die EU ebenso wie die USA Waffen an die Kurden liefern solle. Heute treffen sich die EU-Botschafter, um über den Irak zu sprechen, Entscheidungen wird es wohl nicht geben. Die Bundesregierung will nur humanitäre Hilfe leisten, Großbritannien macht dies bereits, stößt aber auf Schwierigkeiten, Hilfspakete aus großer Höhe abzuwerfen, weil diese beim Aufprall auf dem Boden zerstört würden. Wie effektiv die amerikanischen Luftangriffe auf Konvois und Stellungen des Islamischen Staats sind, ist schwer zu beurteilen. Die Peschmerga sollen zwei kleinere Städte wieder eingenommen haben, während IS die Peschmerga aus der Stadt Jalawla vertrieben haben soll.