Iran- und Huthi-Angriffe: Der perfekte Sturm, den USA und EU antreiben

David Goeßmann

Der Lenkwaffenzerstörer USS Curtis Wilbur feuert eine RIM-66 Standard-Rakete bei einer Übung ab. Bild: Kristopher G. Horton, U.S. Navy / Public Domain

Iran-Schläge gegen vermeintlich israelische Ziele in Irak. Huthi-Raketen blockieren weiter Rotes Meer. Warum Biden auf irrem Kurs fährt. Kommentar.

Die Lage verschärft sich fast täglich. Und wie vorhergesagt handeln die Hauptakteure eskalierend, indem sie weiter Öl ins Feuer gießen.

Der Gaza-Krieg wird ungebrochen trotz der Verheerungen fortgesetzt, Israel tötete in Beirut im Libanon den stellvertretenden Hamas-Chef und einen Hisbollah-Befehlshaber, während die im Irak und Syrien stationierten US-Streitkräfte seit Israels Krieg im Gazastreifen dutzenden Angriffen ausgesetzt worden sind, für die die Biden-Regierung mit dem Iran verbundene Gruppen verantwortlich macht, auf die man wiederum mit Schlägen im Irak reagierte.

Wen hat es also überrascht, dass gestern weiter an der Eskalationsschraube gedreht wurde?

So wurde gemeldet, dass das iranische Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) Raketen auf angebliche israelische "Spionagezentralen" des Geheimdiensts Mossad in der irakischen Region Kurdistan abgefeuert und auch Ziele getroffen hat, die angeblich mit der Terrorgruppe ISIL (ISIS) in Nordsyrien in Verbindung stehen.

Iran kündigt weitere Vergeltung an

Mindestens acht Explosionen waren am frühen Dienstagmorgen in Erbil, der Hauptstadt der halbautonomen irakischen Kurdenregion, zu hören. Nach Angaben des regionalen Sicherheitsrates wurden vier Menschen getötet und sechs verletzt. Auch in Syrien beschoss die iranische Revolutionsgarde Ziele der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS), wie es in einer Mitteilung der IRGC heißt.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, bezeichnete die Raketenangriffe als "rücksichtslos" und fügte hinzu, dass sie "die Stabilität des Irak untergraben". Die Revolutionsgarden erklärten in einem Statement:

Als Reaktion auf die jüngsten Gräueltaten des zionistischen Regimes, bei denen Kommandeure der Garden und der Achse des Widerstands getötet wurden, wurde eines der Hauptquartiere der Mossad-Spionage in der irakischen Region Kurdistan mit ballistischen Raketen zerstört.

Weiter heißt es: "Wir versichern unserer Nation, dass die Offensivoperationen der Armee fortgesetzt werden, bis auch der letzte Tropfen Blut der Märtyrer gerächt ist".

Währenddessen attackiert die von Iran unterstützte Huthi-Miliz trotz der Angriffswellen der USA und Großbritanniens auf den Jemen unausgesetzt die Schifffahrt im Roten Meer. Gestern wurde ein US-Frachtschiff mit einer ballistischen Rakete beschossen und getroffen.

Biden-Kurs komplett verfehlt

Damit weitet sich die Kriegsszenerie zunehmend auf das Rote Meer aus. Der erfolgreiche Schlag zeigt zudem, dass die Angriffe auf den Jemen keineswegs die Fähigkeit der Huthi beeinträchtigt haben, Raketen abzuschießen.

Das Ergebnis: Die Containerschiffe meiden weiter die zentrale Route durch den Golf von Aden und den Suezkanal, durch die normalerweise unglaubliche zwölf Prozent des Welthandels transportiert werden.

Selbst wenn die Huthi nicht erfolgreich sein sollten mit ihren Angriffen, es reicht, dass sie es versuchen, um Reedereien zurückschrecken zu lassen. Jetzt umgehen sie das Rote Meer nicht trotz Bidens Militäraktionen gegen den Jemen, sondern wegen der US-Angriffe.

Der Kurs, den die Biden-Regierung fährt – und die EU berät darüber, es den USA mit einer eigenen Mission gleichzutun – ist auch deswegen komplett verfehlt. Die Spannungen werden hochgehalten, die Huthi treiben die Kosten für Containerschiffe hoch, während die US-Gegenschläge die Lage immer mehr verunsichern für den Handelsverkehr. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation nicht mehr verbessern wird, bis der Gaza-Krieg beendet ist.

Wann kommt der Waffenstillstand in Gaza?

Nicht nur viele Staaten, insbesondere in Europa und Nordafrika, werden die Hauptlast der wirtschaftlichen Schäden zu tragen haben. Israel selbst leidet bereits unter der Blockade. Joe Biden in den USA und der britische Premier Rishi Sunak stehen derweil wie begossene Pudel neben dem Chaos, das sie mit ihrem Säbelrasseln verstärkt haben.

Sicherlich könnte der Westen die Zügel noch weiter anziehen, mehr Raketen auf den Jemen gegen die Huthi richten. Aber das würde die Sache nur schlimmer machen, wie Trita Parsi, Vize-Präsident des Quincy Institute in den USA, in einem Artikel für die Time feststellt:

Solange die militärischen Fähigkeiten der Huthi nicht erheblich geschwächt werden – ein Szenario, das angesichts ihres großen Arsenals an Anti-Schiffs-Raketen und geschätzten 200.000 Kämpfern unwahrscheinlich erscheint –, werden weitere Angriffe nur zu mehr vom Gleichen führen: zu eskalierenden Spannungen, die die De-facto-Blockade der Huthi verstärken und das Potenzial für eine Ausweitung des Konflikts zu einem großen regionalen Krieg erhöhen. Das ist ein Ergebnis, das die Biden-Regierung angeblich verhindern will.

Es gäbe einen anderen Weg, wie Parsi betont. Als vom 24. bis zum 30. November 2023 eine zeitweise Waffenruhe in Gaza vereinbart wurde, gingen die Huthi-Angriffe signifikant nach unten, wie das Institute for the Study of War zeigt. Die Attacken der irakischen Milizen hörten ganz auf. Die Huthi haben immer wieder klargestellt, dass man die Raketenabschüsse einstellen werde, wenn Israel gleiches in Gaza tue.

Ein gewollter Krieg

Sicherlich gibt es keine Garantie, dass sich die Huthi bei einem Deal an die Abmachungen halten, aber es würde die Spannungen herunterfahren und die Angriffe reduzieren helfen.

Aber bisher sieht es so aus, dass die USA – und möglicherweise auch die EU – die Eskalationsschraube weiterdrehen wollen, anstatt die nachhaltige, von großen Teilen der Staatengemeinschaft, UN-Behörden und Menschenrechtsorganisationen geforderte Lösung zu verfolgen und einen Waffenstillstand in Gaza durchzusetzen.

Wenn sich der Krieg zu einem großen Regionalkrieg ausweiten sollte, dann sind die USA und ihre Verbündete jedenfalls nicht in ihn hineingeschlittert oder gezogen worden. Es wäre eine bewusste Entscheidung, ein weiterer gewollter Krieg.