Islam und Co. an deutschen Schulen: Statt Religion gemeinsam Ethik erlernen?
Kein Religionsunterricht als reguläres Schulfach und miteinander reden statt übereinander? Das schlägt ein Atheistenverband vor. Neu ist die Forderung nicht.
Der Konfessionslosenverband IBKA e.V. hat einen klaren Verdacht, warum die christlichen Kirchen "vermeintlich selbstlos die flächendeckende Einführung eines islamischen Religionsunterrichts unterstützen": Weil sie selbst unter Mitgliederschwund leiden und immer weniger Schülerinnen und Schüler am christlichen Religionsunterricht teilnehmen.
Debatte um Islamunterricht: Nicht im luftleeren Raum
Als Alternative wurde schon Ende der Nullerjahre ein gemeinsamer Ethikunterricht vorgeschlagen – und die Vermittlung von religiösen Glaubenssätzen an öffentlichen Schulen insgesamt infrage gestellt.
Entzündet hatte sich die bundesweite Debatte um eine Regelung im Berliner Schulgesetz von 2006, die für die Klassenstufen 7 bis 10 die Ethik als ordentliches Lehrfach vorsieht, während Religions- und Weltanschauungsunterricht ab der ersten Klasse zusätzlich zur freiwilligen Teilnahme angeboten wird.
Im Land Berlin hatte 2009 die Initiative "Pro Reli" mit einem Volksbegehren eine Änderung des Schulgesetzes durchzusetzen, hatte aber im Volksentscheid weder das nötige Zustimmungsquorum von 25 Prozent aller Stimmberechtigen noch eine Mehrheit unter den Teilnehmenden erreicht.
Ausbau des islamischen Religionsunterrichts: Eine gute Idee?
Ein bundesweites Ende der Trennung der Schülerinnen und Schüler nach den religiösen Bekenntnissen ihrer Eltern fordert aktuell der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA). Anlass ist die Tagung zum Stand des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, die gerade an der Evangelischen Akademie Loccum stattfindet.
Der IBKA vertritt die Auffassung, dass Religionsunterricht, der die Glaubensaussagen einer bestimmten Religion oder Konfession als bestehende Wahrheiten vermitteln soll, an staatlichen Schulen ebenso fehl am Platz ist wie parteipolitische Werbung. "Das gilt für christlichen und islamischen Religionsunterricht gleichermaßen", betont der Verband.
Stand 2022 waren noch 48 Prozent der Menschen in Deutschland Mitglieder einer der beiden großen Kirchen. 44 Prozent waren laut Statistik konfessionsfrei, Tendenz steigend. Der Rest teilt sich auf Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften auf, zum größten Teil Muslime.
Ethik statt Religion: Miteinander reden statt übereinander
Angesichts dieser Entwicklung gerät der christliche Religionsunterricht an staatlichen Schulen immer stärker unter Druck. Doch statt ihn endlich abzuschaffen, soll er auf weitere Religionsgemeinschaften ausgedehnt werden.
In der letzten Konsequenz würde das dazu führen, dass jede Klasse einmal pro Woche in nicht nur zwei, sondern bald mehrere Gruppen aufgeteilt wird, in denen man dann übereinander und nicht miteinander spricht.
Andreas Dietz, IBKA
Die Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF), die in den 1980er-Jahren von Werktätigen türkischer und kurdischer Herkunft gegründet worden war, hatte in der Debatte 2008 ähnlich argumentiert und den Islamunterricht als "Schritt in die falsche Richtung" bezeichnet.
Damit wird die Religion ein Stück weiter in das Bildungssystem hineingetragen. Bildung muss jedoch in einem wahren Sinne laizistisch und demokratisch sein. Statt bekenntnisorientierten Religionsunterricht sollte an allen Schulen ein konfessionsübergreifender Ethikunterricht angeboten werden.
Hasan Kamalak, DIDF, 2008
Laut IBKA ist zudem die Erwartung, dass islamischer Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht extremistischen Tendenzen im politischen Islam entgegenwirkt, sei "durch nichts belegt", argumentiert der Verband. Im Gegenteil sei zu befürchten, dass islamistische Prediger den in ihren Augen weichgespülten Islam des schulischen Unterrichts in ihrem Wirkungskreis schnell wieder in ihrem Sinne zurechtrücken.
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