Israel-Krieg: Das dröhnende Schweigen der Welt muss enden

Seite 2: Unterstützung der USA für Israel schwindet

Israel verlässt sich nun voll auf den einzigen verbliebenen Unterstützer, die USA, aber auch der Beistand der USA schwindet.

Die US-Bürger unterstützen mit großer Mehrheit einen Waffenstillstand in Gaza, 59 Prozent sind dafür und nur 19 Prozent dagegen. Sie wollen Israels Sicherheit, aber nicht seinen Extremismus.

Natürlich haben die USA ihre eigenen christlichen und jüdischen Eiferer, die ihre Politik mit Worten aus der Bibel rechtfertigen, aber in der öffentlichen Meinung sind sie eine Minderheit. Die US-Unterstützung für Israel hängt von der Zwei-Staaten-Lösung ab. US-Präsident Joe Biden weiß das und hat die Unterstützung der USA für die Zwei-Staaten-Lösung bekräftigt, obwohl die USA Waffen für Israels Krieg gegen Gaza liefern.

Während US-amerikanische Juden Israel im Allgemeinen unterstützen, wollen sie nicht Israels religiösen Messianismus. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew aus dem Jahr 2020 glaubten nur 30 Prozent der befragten jüdischen US-Amerikaner, dass "Gott dem jüdischen Volk das Land gegeben hat, das heute Israel ist".

63 Prozent glaubten, dass Frieden zwischen Israel und Palästina durch eine Zwei-Staaten-Lösung erreicht werden könne. Aber nur 33 Prozent glaubten 2020, dass die israelische Regierung sich ernsthaft um Frieden mit den Palästinensern bemüht.

Auch orthodoxe Juden in den USA sind in der Frage eines Groß-Israel gespalten.

Einige orthodoxe jüdische Gemeinschaften wie Chabad glauben an das in der Bibel verheißene Großisrael, während andere wie die Satmar-Gemeinschaft (auch bekannt als Naturei Karta) Antizionisten und scharfe Kritiker des israelischen Krieges gegen das palästinensische Volk sind.

Für sie ist das Judentum eine Religion und keine politische Richtlinie. Die Satmarer Gemeinschaft glaubt, dass die Wiederherstellung des jüdischen Heimatlandes dem Plan Gottes folgen muss und nicht dem Zeitplan der Zionisten.

Israelischer Extremismus nicht im Interesse der USA

Die USA haben die Munition für Israels brutalen Krieg geliefert. Diese Komplizenschaft hat zu Klagen palästinensischer Kläger geführt, die die US-Regierung beschuldigen, gegen die Völkermordkonvention verstoßen zu haben. Als Teil dieser juristischen Bemühungen hat das in den USA ansässige Center for Constitutional Rights bei verschiedenen Gelegenheiten genozidale Äußerungen israelischer Führer dokumentiert.

Die USA sehen sich auch mit einer ernsthaften und kostspieligen diplomatischen Isolierung konfrontiert, während sie weiterhin die nicht zu rechtfertigende Gewalt Israels in Gaza verteidigen.

Bei den jüngsten Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat und in der UN-Generalversammlung standen die USA fast allein da, als es darum ging, Israels extrem gewalttätiges und barbarisches Vorgehen in Gaza zu unterstützen. Dies schadet den USA in zahllosen anderen Bereichen der Außenpolitik und der Wirtschaft.

Auch der US-Bundeshaushalt steht unter enormem Druck durch die Militär- und Sicherheitspolitik-Ausgaben, die bis 2024 auf rund 1,5 Billionen US-Dollar ansteigen werden. Das US-amerikanische Volk hat genug von den gigantischen Militärausgaben, die ein zentraler Faktor für den Anstieg der Staatsverschuldung von rund 35 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf heute rund 100 Prozent des BIP sind.

Angesichts der steigenden Verschuldung und der steigenden Zinsen für Hypotheken und Verbraucherkredite wird sich die Öffentlichkeit Bidens Forderungen nach mehr Defizitfinanzierung zur Finanzierung der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen widersetzen und sich lautstark gegen eine Ausweitung des Krieges im Nahen Osten aussprechen, insbesondere gegen eine Ausweitung, die die USA in direkte Kampfhandlungen verwickeln würde.

Die uneingeschränkte Unterstützung Israels durch die USA schien lange Zeit eine Selbstverständlichkeit amerikanischer Politik zu sein. Die Israel-Lobby – eine mächtige Konstellation aus israelischen Politikern und wohlhabenden Amerikanern – spielte dabei eine große Rolle.

Sie spendete 30 Millionen Dollar für den Wahlkampf zu den Kongresswahlen 2022 und wird 2024 noch deutlich mehr ausgeben. Doch die Lobby gerät durch den wachsenden öffentlichen Widerstand gegen Israels brutales Vorgehen in Gaza unter Druck.

Israels Chance für Frieden und Sicherheit

Israelische Politiker und Diplomaten müssen aufhören zu behaupten, dass alle Kritiker der israelischen Politik Antisemiten sind, und auf das hören, was die Welt wirklich sagt: Israel und Palästina müssen Seite an Seite auf der Grundlage des Völkerrechts und der gegenseitigen Sicherheit leben.

Die Unterstützung einer Zwei-Staaten-Lösung ist eine Unterstützung für Frieden und Sicherheit des jüdischen Volkes in einem Staat Israel, genauso wie sie eine Unterstützung für Frieden und Sicherheit des palästinensischen Volkes in einem eigenen Staat wäre.

Im Gegenteil, die Unterstützung des israelischen Völkermords in Gaza und das Schüren antiisraelischer (und antiamerikanischer) Gefühle in der ganzen Welt stehen im Widerspruch zur langfristigen Sicherheit Israels, vielleicht sogar zu seinem Überleben. Die arabischen und islamischen Staaten haben wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, ihre Beziehungen zu Israel im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung zu normalisieren.

Diese Bereitschaft geht zurück auf die Arabische Friedensinitiative von 2002 und schließt die wichtige Abschlusserklärung des gemeinsamen arabisch-islamischen Sondergipfels in Riad am 11. November 2023 ein. Die USA und die arabischen Länder sollten sich schnell auf die Einrichtung einer gemeinsamen Friedenstruppe einigen, um beiden Seiten Sicherheit bei der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung zu geben.

Viele fanatische religiöse Siedler werden sich vehement gegen einen palästinensischen Staat wehren und ihr Recht auf der Grundlage alter biblischer Texte einfordern. Aber der Sinn des Judentums besteht nicht darin, über Millionen von Palästinensern zu herrschen oder sie zu Opfern einer ethnischen Säuberung zu machen.

Für Israel geht es nicht darum, weltweite Schande zu verursachen, sondern Vernunft und guten Willen zu zeigen, um Frieden zu finden. Wie der pharisäische Rabbi Hillel der Ältere sagte:

Was euch verhasst und zuwider ist, das tut auch eurem Nächsten nicht an. Das ist die ganze Tora, der Rest ist Kommentar. Geht hin und lernt.

Es geht um die Verwirklichung der ethischen Vision des Propheten Jesaja (2,4), der prophezeit:

Die Völker werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Winzermessern machen. Es wird nicht mehr ein Volk das Schwert gegen das andere erheben, noch werden sie den Krieg lernen.

Und so möge es geschehen.

Jeffrey Sachs (1954, Detroit, Michigan) ist ein US-amerikanischer Ökonom und Professor. Er promovierte an der Harvard University in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1980. Sachs' Karriere ist geprägt von verschiedenen akademischen Positionen sowie Beratertätigkeiten für bedeutende internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank.

Als Direktor des Center for Sustainable Development an der Columbia University und als Professor setzt er sich intensiv für nachhaltige Entwicklung ein. Besonders bekannt ist Sachs für seine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von Wirtschaftspolitiken in Osteuropa während des Übergangs vom Kommunismus zum Kapitalismus. Er gilt als Verfechter globaler Armutsbekämpfung.

Sachs' herausragende Leistungen in der Wirtschaftswissenschaft brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen ein. Sein Werk und sein Einsatz für eine gerechtere Weltwirtschaft haben seinen Einfluss weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus ausgedehnt. In "The Price of Civilization: Reawakening American Virtue and Prosperity" (2011) setzt er sich mit Fragen der US-Gesellschaft und Wirtschaft auseinander.

Der vorliegende Text erschien zuerst auf der Website Common Dreams auf Englisch.

Übersetzer: Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane.

Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e. V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

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