Israel-Krieg: Der Westen und seine hohlen Worte
Telepolis dokumentiert: Westliche Staaten stehen trotz steigender Opferzahlen in Gaza an der Seite Israels. Eine mexikanische Zeitung kritisiert diese Haltung. Hier ihre Argumente.
Mit dem folgenden Beitrag setzt Telepolis die Dokumentation unterschiedlicher Positionen zum Krieg in Israel fort, heute mit einem Kommentar aus der liberalen mexikanischen Tageszeitung La Jornada.
Die Zeitung setzt sich in ihrem Editorial mit der Haltung westlicher Staaten zum Nahostkonflikt und der drohenden Eskalation auseinander. Diese Position ist relevant, weil sie von einem Großteil der Staaten des Globalen Südens geteilt wird.
Am morgigen Montag wird Telepolis über die entsprechende Debatte innerhalb der Europäischen Union berichten, wo diese Kritik zunehmend diskutiert wird. Aus internen Debatten dort geht hervor: Auch in der EU wächst die Sorge vor einem außenpolitischen Schaden durch eine global als zu passiv empfundene Haltung gegenüber den steigenden Opferzahlen in Gaza.
Telepolis hat neben diesem Standpunkt auch proisraelische Positionen dokumentiert, zuletzt einen offenen Brief deutscher Autorinnen und Autoren zur Haltung des deutschen Literaturbetriebs.
Die Kinderschutzorganisation Save the Children hat angeprangert, dass alle 15 Minuten ein Kind in Gaza aufgrund der wahllosen israelischen Bombardierungen stirbt. Das bedeutet, dass Kinder mindestens ein Drittel aller Todesopfer in der palästinensischen Enklave ausmachen.
Gleichzeitig bekräftigt die israelische Armee, sie habe nicht vor, Krankenhäuser zu respektieren, und droht damit, das Al-Quds-Krankenhaus zu zerstören, wie sie es verschiedenen Berichten zufolge bereits mit dem christlichen Al-Ahli-Krankenhaus getan haben soll, in dem mutmaßlich mehr als 500 Menschen getötet worden sind.
Trotz dieser und vieler anderer unbestreitbarer Anzeichen dafür, dass die Militäroperationen Tel Avivs nichts mit dem Recht auf Selbstverteidigung oder dem Kampf gegen extremistische Gruppen zu tun haben, sondern mit ethnischer Säuberung und Völkermord am palästinensischen Volk, zensieren westliche Regierungen und Unternehmen jede Kritik an der Politik von Premierminister Benjamin Netanjahu und jeden Aufruf zur Solidarität mit den Opfern.
Seit Beginn der israelischen Vergeltungsschläge als Reaktion auf den Anschlag der fundamentalistischen Hamas am 7. Oktober haben westliche Mainstream-Medien stetig ein Narrativ bedient, das jegliche Schuld von Israel ablenkt.
Als Täter dargestellt werden die Millionen von Palästinensern, die in Flüchtlingslagern oder im Gazastreifen zusammengepfercht leben und im Westjordanland tagtäglich drakonischen Kontrollen ausgesetzt sind, zusätzlich zu der ständigen Gefahr, durch den Bau neuer illegaler Siedlungen für ultranationalistische israelische Siedler aus ihren Häusern vertrieben zu werden.
Die Print- und Onlinemedien sowie die Social-Media-Plattformen der USA und ihrer Verbündeten verschweigen systematisch, dass die gegenwärtige Situation weitgehend das Ergebnis der historischen Verletzung aller UN-Resolutionen ist, die Tel Aviv zur Anerkennung des Existenzrechtes der Palästinenser aufrufen und die Vernichtungspolitik sowie die halsstarrige Blockade jeder Verhandlungslösung für die Streitigkeiten um das Land thematisieren, auf dem 1948 der Staat Israel gegründet wurde.
Die Kontrolle des Narrativs geht über die Medien hinaus: In den vergangenen Wochen wurde jede Person des öffentlichen Lebens, die auch nur den Hauch einer Kritik an dem Gemetzel in Gaza äußerte, von ihren Arbeitgebern, Partnern oder Sponsoren mit der Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse oder vertraglichen Beziehungen bestraft – eine Zensur, die sich kaum von dem Vorgehen totalitärer Regime unterscheidet.
So hat die Internationale Buchmesse in Frankfurt die Verleihung des Literaturpreises an die palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli aus Solidarität mit Israel ausgesetzt, eine Ungeheuerlichkeit, die von 600 Autoren und Verlegern kritisiert wurde.
Berlin, London und Paris haben Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas gänzlich verboten, während Washington Hunderte von Menschen verhaftet hat, weil sie an Protesten gegen das teilgenommen haben, was Vertreter der jüdischen Gemeinschaft ohne Umschweife als Völkermord bezeichnen.
Kurzum: Der Nahostkonflikt hat einmal mehr die Heuchelei der westlichen Großmächte enthüllt, deren Führer und Tycoons sich anmaßen, dem Rest der Welt zu diktieren, wie er seine inneren Angelegenheiten zu regeln hat, und Bescheinigungen über die Achtung der Menschenrechte zu verlängern oder zu widerrufen, während sie die Meinungsfreiheit abschaffen, um die Interessen ihrer Komplizen zu schützen.
Heute ist es klarer denn je: Wenn man über den israelisch-palästinensischen Konflikt spricht, braucht man enormen Mut und eine unerschütterliche ethische Verpflichtung, um die Wahrheit zu sagen.
Der Kommentar der Tageszeitung La Jornada ist auf Spanisch unter dem Titel Occidente: matar las palabras am 22. Oktober erschienen.
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