Israel-Krieg: Mit der Zerstörung der Hamas droht ganz Gaza die Vernichtung

Was macht den Konflikt zwischen Hamas und Israel so unerbittlich? Man kann sich die jeweiligen Kriegsgründe erklären. Warum man sich aber keinen davon zu eigen machen sollte. Ein Essay.

Die Berichterstattung über den Krieg im Nahen Osten weist einen eindeutigen "moralischen Kompass" (SZ 13.10.2023) auf und berichtet von den besonderen unvorstellbaren Gräueln des Krieges, den die Hamas begonnen hat.

Die Berichterstatter, die keine Steigerungsform für die Schrecken des Krieges auslassen, kennen offenbar Abstufungen in der Form des Grauens, die ein Krieg verursacht. Dabei hatte die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg bereits Formen angenommen, so dass man meinen konnte, eine Steigerung sei nicht mehr möglich.

Mit den Superlativen möchten sie offenbar auf die besondere Verdorbenheit des Angreifers hinweisen, obgleich noch jeder Krieg Grausamkeiten auf jeder Seite aufweist. Mit der Kennzeichnung der Hamas als Terroristen wird auch gleich deutlich gemacht: Objektive und sachliche Berichterstattung ist nicht mehr gefragt. Der britische Sender BBC gilt deshalb nicht mehr als Vorbild:

Die BBC allerdings pocht auf ihre journalistischen Richtlinien – und ihre redaktionelle Unabhängigkeit.

"Unsere langjährige Position, auch während früherer Konflikte zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen, ist, dass wir den Begriff 'Terrorist' nicht ohne Namensnennung verwenden, in Übereinstimmung mit den redaktionellen Richtlinien der BBC."

In diesen Richtlinien […] heißt es, das Wort "Terrorist" könne eher ein Hindernis als eine Hilfe zum Verständnis sein […]

"Wir sollten unserem Publikum die volle Tragweite der Tat vermitteln, indem wir beschreiben, was passiert ist… Unsere Aufgabe ist es, objektiv zu bleiben und so zu berichten, dass unsere Zuhörer selbst beurteilen können, wer wem was antut."

SZ 16.10.2023

Das hat dem Sender nicht nur in Großbritannien Kritik eingebracht. Denn hierzulande halten die meisten Medien nichts mehr von objektiver Berichterstattung und sind mit ihrer Wortwahl immer gleich bemüht, ihre Parteilichkeit auszudrücken und zu zeigen, welche Seite mit Recht Gewalt ausüben darf und welche nicht.

Dabei unterstellt die Kennzeichnung Krieg eigentlich eine Auseinandersetzung zwischen Staaten, was in diesem Falle gar nicht zutrifft. Schließlich verfügt die Hamas gar nicht über eine Staatsmacht mit einer entsprechenden Armee und Gewaltapparat. Auch die Distanzierung von der Hamas, wegen der Gräuel, oder die Parteinahme für die Palästinenser als Opfer israelischer Gewalt will von den Motiven der kriegsführenden Parteien nichts wissen und urteilt moralisch.

Mit der Betrachtung durch die moralische Brille verschwinden einige der Besonderheiten, die dieser Krieg aufweist und die auf den ersten Blick eigentlich mehr Fragen aufwerfen, als dass diese durch die Moral beantwortet werden können. Schließlich kennt sie nur den Unterschied zwischen Gut und Böse.

Der Angriff der Hamas auf Israel

Die Kennzeichnung der Hamas als Terroristen trifft die Sachlage nicht ganz, sehen sich doch ihre Kämpfer als Freiheitskämpfer oder im Falle das Todes als Märtyrer für eine gute Sache, nämlich der Errichtung eines palästinensischen Staates. Sie begreift sich als politische Organisation, die in Wahlen die Macht im Ghetto des Gazastreifens erlangt hat und die Verwaltung unter israelischer Aufsicht dort ausführt.

Sie verfügt über keine regulären Streitkräfte, aber sehr wohl über eine Untergrundarmee von einigen zehntausend Kämpfern. Untergrundarmee deshalb, weil sich die Hamas eigentlich seit ihrem Bestehen in einem mehr oder weniger dauerhaften Krieg mit Israel befindet.

Der Angriff der Hamas mit ihren vielleicht 40.000 Kämpfern auf die größte Militärmacht des Nahen Ostens mit mehreren hunderttausend Soldaten gleicht einem Selbstmordkommando und unterscheidet sich von daher schon von vielen anderen Kriegen.

Der Angriff der Hamas mit ihren ungenauen Raketen auf einen hochgerüsteten Staat mit seinem Abwehrschirm und Atomwaffen kann nicht darauf berechnet sein, die militärische Macht Israels zu brechen und einen militärischen Sieg über den anderen Staat einzufahren.

Die Raketen der Hamas können durch ihre Menge den Raketenschutzschirm Israels zwar stellenweise durchbrechen, aber kein militärisch relevantes Ziel anpeilen. Sie dienen dazu, möglichst viel Zerstörung in Israel anzurichten.

Ebenso waren die Stoßtrupps der Hamas nicht auf militärische Posten gerichtet, sondern darauf aus, ein möglichst großes Blutbad unter der israelischen Bevölkerung anzurichten. Dass es ihnen gelungen ist, überhaupt Israel einen erheblichen Schaden zuzufügen, wird von den Hamas-Anhängern als ein Sieg gefeiert, wohl wissend, dass die israelische Antwort viele Opfer in den eigenen Reihen fordert und fordern wird.

Was sich mit diesem Blutbad geltend macht, ist der Anspruch auf einen eigenen palästinensischen Staat, ohne den im Nahen Osten kein Frieden zu haben ist. Für diesen nationalistischen Aufstand und Anspruch ist kein Opfer zu groß. Und in dem Einsatz der eigenen Bevölkerung für staatliche Ziele unterscheidet sich die Hamas nicht von anderen Staaten.

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